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Autor Mitteilung
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 15:06 - 19.08.2004

Es ist schier zum verzweifeln ! Was bilden sich diese arroganten Modernisten eigentlich ein ?? Ich habe die Nase gestrichen voll ! Jeder sollte wissen, dass die kompakte ureuropäische Stadt mit ihrer Urbanität und ihrem Leben als die ökonomischste sowie ökologischste Weise des Städtebaus weltweit gilt. Nun kommen diese von mir gehassten Modernisten und propagieren unnötigen Flächenverbrauch durch Stadtzersiedelung bei dem die Wirtschaft und auch die Natur leidet. Sind sie denn total meschugge Es kann doch nicht sein, dass wir 2 deutsche Stadtplaner wie Albert Speer und Meinhard von Gerkan nach China entsenden, damit diese dort die Struktur einer urbanen europäischen Stadt, die als Meisterwerk der menschlichen Erfindungen gilt, aufbauen und im Gegensatz dazu lädt das langweilige, moderne, monotone deutsche Bauhaus zu einer Gegenveranstaltung 18 Chinesen einer Universität von Shanghai nach Dessau ein, die ihnen bei einem "summer lab" unter dem Titel "Freilegungen/Excavations" in´s Gedächtnis hämmern, dass Städte ausgelöscht gehören !!!! Sie richten diese Studenten darauf ab, dass sie alergisch auf traditionelle Stadtstrukturen reagieren. Dass eine kompakte Stadt wie die typisch europäische wirtschaftlich und ökologisch !!!NUR!!! Vorteile bringt, ist bereits bis in die Planungsstäbe der UNO vorgedrungen. Diese Städtebauphilosophie, wie man sie bis zum Anbruch der Moderne in Europa propagiert hatte ist mitunter auch das, was moderne Städte niemals sein werden - nachhaltig !!! Wir können uns keine häßlichen zersiedelten Städte leisten. Sie kosten dem Staat Milliarden !!! Und wir haben kein Geld für Zersiedelungen !!! Verdammt, wann begreifen die Modernisten endlich, dass ihre Wahnvorstellungen den Untergang der Zivilisation bedeuten können ? Also, eines ist gewiss, Modernisten sind ganz bestimmt nicht zivilisiert. Diese Modernisten mit ihren Manipulationen der Menschen zu einer neuen Gattung sind ihrer Form, in ihrem Vorhaben, ihren Ideen abartig. Die kompakte europäische Stadt braucht viel weniger Verkehr, weil sie kompakt ist. Daraus ergibt sich, eine bessere Luft. Menschen brauchen Menschen. Kinder die in einer komakten Stadt aufwachsen haben selten Scheu vor Menschen. Kinder die in einsamen Orten aufwachsen laufen eher Gefahr, sich von anderen abzugrenzen, weil sie den täglichen Umgang mit verschiedenen Menschen nicht erlernen. In der Tat ist dies nicht bei jedem Kind der Fall aber Komunikation ist das Zauberwort. Und nirgendwo gibt es für ein Kind im "richtigen" Viertel, welches sozial verträglich ist, mehr Kommunikation. Dies ist eine wichtige Komponente für das Leben.
Booni
Mitglied

Beiträge: 190


 

Gesendet: 20:01 - 19.08.2004

Naja.... demnach dürften Kindern, die auf dem Lande aufwachsen auch menschenscheu werden. Ich selber wohne auf dem Land in einem 30er-Jahre Altbau in typisch münsterländischer Ziegelbauweise mit Fassadenverzierungen. Für mich gäbe es nur 2 Lebensarten: Auf dem Land in einem alten Bauernhaus oder "Kotten" (sowas kennen glaub ich nur Westfalen und evtl Niederaschsen) oder in der Stadt - und zwar so in der Stadt dass ich kein Auto brauche für die alltäglichen Dinge. Ist doch eh schöner wenn man Abends mit Freunden unterwegs ist und keiner fahren braucht
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 11:09 - 21.08.2004

neuer lesenswerter artikel von dg in der welt:

http://www.welt.de/data/2004/08/21/321808.html

Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 11:12 - 21.08.2004

booni,
das geht mir genauso.
ich lebe jetzt schon 10 jahre immer in der mitte diverser städte und habe es genossen. ich spüre aber jetzt, wie es mich langsam wieder zurück in natur zieht, weshalb mich einer der nächsten umzüge wieder auf's land führen wird.
ist halt doch auch eine sache der reife.

Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 02:44 - 22.08.2004

Es gibt neues von meinem Lieblingsschreiberling zu berichten. Ich freue mich jede Woche auf seine Artikel. Meine Damen und Herren, darf ich um ihre Aufmerksamkeit bitten ? Hier kommt "Daaaankwaaaart Guuuuratzsch" !!!!!!



Ab in die Mitte
Abstimmung mit dem Möbelwagen verwirrt die Planer

von Dankwart Guratzsch

Berlin - Rendsburg und Nienburg, Wesseling und Viernheim, Kehl und Papenburg, Meppen und Limburg, Radebeul und Naumburg sind respektable Mittelstädte mit 30 000 Einwohnern. Eine solche Stadt neu aus dem Boden zu stampfen, wäre eine Leistung, die in Zeiten des Umbruchs, der Ausdünnung und Schrumpfung die Kräfte von Planung und Politik übersteigen müsste. Und doch ist eben das in dem von Krisenängsten und Depression gebeutelten Deutschland der Nach-Wendezeit geschehen. Mitten in Leipzig hat sich eine "neue Stadt" in dieser Größe gebildet. 30 000 Menschen sind in Leipzigs Innenstadt zurückgekehrt und haben dort festen Wohnsitz bezogen.


Ähnliches hat sich in mehreren ostdeutschen Städten begeben. In Dresden sind es ganze innerstädtische Stadtteile wie die Äußere Neustadt, Blasewitz, Striesen, die sich mit Tausenden Einwohnern neu bevölkert haben. Auch Berlins neue innerstädtische Wohngebiete wie auch die vermeintlich "künstliche" City am Potsdamer Platz boomen, ganz zu schweigen von den reaktivierten Trend-Wohnlagen Kreuzberg und Prenzlauer Berg. Kurioserweise gibt es bis heute keine verlässliche Statistik dieses Trends. In den Veröffentlichungen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung und sämtlicher Städtebauforschungsinstitute kommt er nicht vor.


Die Gründe dafür sind leicht auszumachen. Denn der neue Trend, der sich auch in zahllosen kleineren Städten immer deutlicher abzubilden beginnt, stellt die gängigen Städtebaulehren auf den Kopf. In den genannten Städten vollzieht sich, was laut herrschender Planungsphilosophie nicht sein darf. Die Ignoranz gegenüber dieser Trendwende kann noch teuer zu stehen kommen. Schon jetzt sind Grundstücke in den "Life-Style-Stadtteilen" kaum noch oder nur überteuert zu bekommen. Was sich hier vollzieht, das ist die Umkehr der Abwanderung von Bewohnern aus der City an den Rand. Der Osten zeigt wie in einem Modellversuch, wann und unter welchen Bedingungen es zu einer solchen Rückwanderung kommt. Diese Bedingungen sind - auch im Interesse der Immobilienwirtschaft - zu erforschen und auf ihre Tragfähigkeit zu durchleuchten. Statt sich dieser zukunftsweisenden Aufgabe zu stellen, basteln Forschungsinstitute und Planerwerkstätten noch immer am Konstrukt perforierter, fragmentierter oder zum Siedlungsbrei zerfließender Städte, obwohl sich derartige Gebilde von "Zwischenstädten" in Zeiten der Schrumpfung und Überalterung der Bevölkerung, der Überschuldung städtischer Haushalte und des millionenfachen Wohnungsleerstands als unbezahlbar erweisen.
...



Quelle: http://www.welt.de/data/2004/08/21/321808.html?s=1

Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 11:50 - 22.08.2004

Interessant!

Konnte sowieso nie nachvollziehen, wie man eine Innestadtwohnung (egal ob Alt- oder Neubau), gegen solche PLan-Reihenhaussiedlungen irgendwo am STadtrand eintauschen kann...
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 13:26 - 22.08.2004

Manch einer lässt sich gerne einreden was er machen soll ohne die Auswirkungen selbst zu hinterfragen. Der Gesellschaft wird Angst gemacht indem Interessensvertreter von Siedlungen und Einfamilienhäusern den Menschen sagen, dass Städte krank machen und es dort Gewalt gibt. Sie müssen aus der Stadt ziehen. Und schon kommen wir auf einen Weg der uns Millionen kostet. Die Menschen bezahlen dann nicht nur ihr Haus sondern sie bezahlen die leer stehenden Städte gleich mit. Was es für Konsequenzen haben wird sagt ihnen natürlich niemand. Langsam entwickelt es sich endlich so wie sich dies gehört. Die Menschen müssen zurück in die Innenstadt.
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 23:35 - 22.08.2004

Über die Verödung des Ostens:

Wiederentdeckung der Leere
Mit dem Wegzug der Menschen kehrt in den Osten Deutschlands das Schweigen zurück

von Johann Michael Möller

Vierzehn Jahre nach der Wiedervereinigung sind wir Zeugen eines erstaunlichen Paradigmenwechsels. Der von Anfang an umstrittene Schlüsselbegriff des Aufbaus Ost verkehrt sich in sein Gegenteil: Aus den blühenden Landschaften werden welkende. Weiten Teilen der neuen Länder drohe die Entvölkerung und Verödung. Wer in einigen Jahren von der Ostsee ins Fichtelgebirge wandern werde, so ein beliebtes Gedankenspiel, wird ein menschenleeres Land antreffen, wo wieder Wölfe siedeln und sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.


Tatsächlich steht den neuen Ländern eine womöglich dramatische Schrumpfung ihrer Bevölkerung bevor. Seit dem Spätmittelalter könnte es im Osten wieder zu einem Phänomen kommen, das die Siedlungshistoriker "Wüstungen" nennen. Nach den Seuchenzügen der Pest verschwanden gegen Ende des 14. Jahrhunderts etwa in Hessen fast die Hälfte der ländlichen Ortschaften von der Landkarte; in der Magdeburger Börde sollen es gar 80 Prozent gewesen sein. Auch Mecklenburg und Brandenburg waren stark betroffen. Und im Reichensteiner Gebirge hatten um 1410 nahezu alle sudentendeutschen Kolonisatoren ihre Dörfer wieder verlassen.


Man muss also weit zurückgehen in der deutschen Geschichte bis man auf ein Phänomen trifft, das in unseren Nachbarländern wie Frankreich oder Italien an der Tagesordnung ist. In der Dordogne verfielen die Dörfer, die Migration aus dem italienischen Süden in den wohlhabenden Norden hat tiefe Spuren hinterlassen. In Deutschland scheint so etwas noch immer unvorstellbar, wenn man die zersiedelten Regionen des alten Westens vor Augen hat, den mittleren Neckarraum, das Rhein-Main- oder das Ruhrgebiet, wo die Vororte sich ineinander schlingen und der Horizont endlos von Fabrikschloten und Autobahnkreuzen gesäumt wird.


Jahrzehntelang war es deutsche Verwaltungsdoktrin gewesen, möglichst überall gleiche Lebensbedingungen zu schaffen, das Land gleichmäßig mit Gewerbegebieten zu überziehen und mit Autobahnanschlüssen. Alles andere galt als strukturschwach und erfreute sich entsprechender Förderung. Die deutsche Einheit und die Dimension des Wiederaufbaus im Osten haben dieser Illusion ein jähres Ende gesetzt.


Die ersten Erkenntnisse gab es schon vor Jahren, dass man sich wohl oder übel auf wenige Kernregionen konzentrieren müsse. Und der Rest? Der bliebe wohl oder übel sich selber überlassen. Wer heute durch die Prignitz fährt oder die Uckermark, ahnt wovon die Rede ist: Menschenleere Gegenden bis an den Horizont. Aber war das dort nicht immer so? Der Mecklenburger, heißt es, fühle sich beleidigt, wenn er beim Wandern auf einen anderen trifft. Der weite Strich der Felder und Wiesen ist durch die Kollektivierung zu DDR-Zeiten noch gesteigert worden, aber er war schon immer ein Merkmal dieser ostelbischen Landschaften, die etwas Herrisches hatten, aber immer auch einen Anflug von Melancholie. Die Vorstellung, hier Chip-Fabriken bauen zu wollen oder High Tech-Zentren, ist absurd und verrät die Handschrift von Regionalplanern und Wirtschaftspolitikern, die ihr Handwerk in den kleinteiligen Gartenbaukulturen des Westens gelernt haben, die mittelständisch denken, die eine Pendlerpauschale erfunden haben und die Eigenheimzulage.


Ostelbien war immer Herrenland gewesen, dann herrschten dort einige Jahrzehnte ihre Knechte, und jetzt droht es herrenlos zu werden. Nirgendwo in den neuen Bundesländern wird die Vertreibung der alten Familien so schmerzhaft sichtbar wie in Brandenburg oder Mecklenburg mit seinen verfallenen Gutshäusern und Straßendörfern, die wie amputierte Gliedmaßen am Wegesrand liegen geblieben sind. Das alte Ostelbien ist für immer untergegangen, auch wenn da und dort restauriert wird und manches der Herrenhäuser als Landhotel wieder aufersteht.


Aber wenigstens die pure Landschaft ist zurückgekehrt - auch als Begriff. Jener Siedlungsbrei, der sich wie zivilisatorischer Lava bald nach 1989 auch über das dichter besiedelte Thüringen und Sachsen ergoss, hat sich in den Weiten Ostelbiens verloren. In Thüringen lässt sich kaum begreifen, dass man eines der großartigsten Landschaftsdenkmäler wie die Drei Gleichen nicht von jenem Narrensaum aus Tanklagern und Container-Hallen verschont hatte, die zur Signatur des übernutzten Westens gehören.


Aber oben im Nordosten hat selbst die eruptive Gewalt dieser Entwicklung versagt. Die Weite war stärker. Für die betroffenen Menschen ist das kein Trost. Ihre Kinder wandern ab und die letzten Alten werden die Häuser für immer verschließen. Ob dann irgendwann der Zug der Zivilisationsflüchtigen dorthin beginnt, ob es je mehr sein werden, als ein paar hartnäckige Individualisten, die sich vor dem Ostwind in die Gehöfte mit den tief gezogenen Dächern verkriechen? Wer weiß.


Aber diese Region kehrt zurück in eine Gesellschaft, die gar nicht mehr spürt, was Landschaft heißt und jede Anschauung davon verloren hat. Es ist kein Zufall, dass die akademische Geographie die Landschaft als ihren Schlüsselbegriff just in dem Moment preisgab, als der Wiederaufbau nach dem Kriege die alten Landstriche zu planieren begann.


Jetzt kehrt sie im Osten wieder. Nicht als Wildnis. Es ist keine Wiederkehr der Natur. Es ist die Leere dieser Landschaft, die mit ihren Alleen und Kopfsteinpflasterstraßen wie eine große Allegorie erscheint, eine des Verlusts. Die Traditionen, die hier zu Hause waren, sind untergegangen, ein für allemal. Nur das große Schweigen mahnt. Es wird nicht übertönt vom Lärmen des Wiederaufbaus. Dieser deutsche Osten schweigt. Er behält seine Brandmale. Doch gerade in ihrer Verlorenheit ist die Geschichte dort nahe. Die Wüstungen fanden hier schon vor Jahrzehnten statt. Wir merken es nur erst heute.


Artikel erschienen am Mo, 23. August 2004



Quelle: http://www.welt.de/data/2004/08/23/322762.html?s=1


Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 00:17 - 26.08.2004

Ich freue mich euch hiermit ein weiteres male mit dem Meister des der modernen Philosophie kritisch und ablehnend gegenüberstehendem Journalismus.....Dankwaaaaart Guuuuraaaatzsch !!! *Applaus Applaus Applaus Applaus - stehende Ovationen, Applaus, jubel*

Stadtumbau als Gratwanderung
Eberswalde schrumpft am Rand, aber auch in der Innenstadt

von Dankwart Guratzsch

Eberswalde - Auch Eberswalde muss sich entscheiden. Im Rathaus brüten Baudezernent Gunther Prüger und der Amtsleiter Stadtplanung, Ulf Gerlach, über Karten mit vielen farbigen Markierungen. "Diese Häuser sollen weg", kommentiert Prüger. Im Zentrum liegen sie verstreut über das ganze Gebiet, auch Eckhäuser sind dabei, aber fast immer nur Einzelgebäude. "Wenn der Rekonstruktionsaufwand zu hoch ist, müssen wir abreißen", meint der Baupolitiker. "Oft können die Eigentümer die Maßnahmen nicht stemmen." Und doch wird die Perforation Löcher reißen, die mit ähnlich qualitätvoller Architektur nie wieder zu stopfen sind. Eine qualvolle, immer wieder neu zu überdenkende Abwägung. Denn auch das gilt: "Wo saniert wird," so Prüger, "da ziehen die Leute hin."


Anders sieht die Planung für das "Brandenburgische Viertel" aus. In dem Plattenbaugebiet sind ganze Blocks markiert. "Da haben wir Leerstand. Die ersten Blöcke sind schon weg. Nur die ältesten Bauabschnitte funktionieren."


Es geht um die Entscheidungsfrage: Schrumpfen von außen nach innen oder "Perforation". Von außen nach innen heißt: Rückbau der Plattenbauten. Perforation bedeutet: Ausdünnung der Innenstadt. Für Eberswalde eine Gratwanderung. Denn die exakt 750 Jahre alte Industriestadt eine Autostunde vor den Toren Berlins, zu Kaisers Zeiten "Neustadt-Eberswalde" geheißen und wichtigster Forststandort Preußens, hat dieselben Probleme wie fast alle Städte im Osten: Nach dem Wegbrechen der Industrie wandern auch die Bewohner ab.


Die beiden Alternativen stellen die brandenburgische Stadt mit jetzt noch 44 000 Einwohnern (1989: 53 000) vor ein Dilemma. Eberswalde ist 14 Kilometer lang, gewachsen entlang dem schon im 17. Jahrhundert vorausschauend angelegten Finowkanal, eine Bandstadt mit vielen städtebaulichen Eigenheiten.


- Da ist die (kleine) Altstadt mit manchen Baulücken und der schönen gotischen Maria-Magdalena-Kirche.


- Da ist der gründerzeitliche Bautenbestand entlang der Eisenbahnstraße und ihren Nebenstraßen.


- Da sind die palastartigen "Traumvillen" einstiger Fabrikanten um Mühsam- und Danckelmannstraße, unter ihnen die "Märchenvilla" eines Apothekers, die gerade in leuchtendem Gelb restauriert wird.


- Da sind die originellen "Kupferhäuser" nach Plänen von Paul Mebes und Walter Gropius, die einmal für den Export konzipiert worden waren.


- Da ist die Siedlung aus dem Dritten Reich mit "Dorfanger" und zentraler Achse, die paradoxerweise heute den Namen der Kommunistin Clara Zetkin trägt.


- Da ist das "Highlight" der Nach-Wende-Zeit: die Bibliothek der Schweizer Stararchitekten Herzog & de Meuron.


- Und da sind die Großsiedlungen aus 40 Jahren DDR: Finow-Ost (2000 WE), Leibnizviertel (1200 WE) und das "Problemkind" Brandenburgisches Viertel (5300 WE).


Den beiden Bauplanern ist klar: Alles ist nicht zu halten, denn die alten Industrien Rohrleitungsbau, Kranbau, Walzwerk sind sämtlich "abgeschmolzen". Aber das Gespann Gerlach will die Wende schaffen, sieht neues Gewerbe keimen, baut auf das Oder-Havel-Projekt deutscher Einheit. Von neuen Lagerhallen, einem Biomasse-Kraftwerk, einer Bioäthanolanlage ist die Rede, ein zweites Schiffshebewerk soll kommen, der Binnenhafen wird ausgebaut, verzeichnet schon jetzt eine "prosperierende Entwicklung". Wo einmal die Massentierhaltung war, entstand ein neuer Technologie- und Gewerbepark mit 1000 Arbeitsplätzen. Die Fachhochschule mit Holztechnik, ökologischem Landbau, Betriebs- und Forstwirtschaft und der neuen Fachrichtung "Regionalmanagement floriert (1300 Studenten). Und auch in die "Wertschöpfungskette der Autozulieferung" will man noch hinein.


Prüger: "Es ist ein spannender Spagat. Wir wollen Industriestadt bleiben und gleichzeitig Kurstadt für die Berliner werden." Schnellverbindungen vorausgesetzt, sei die fünftgrößte Stadt Brandenburgs mal eben eine halbe Bahnstunde vom Berliner Zentrum entfernt. Aber bis man bei diesem Ziel ankommt, muss man erst einmal den Städtebau auf die richtige Schiene setzen.


Der Anfang dazu scheint gemacht. Erst unlängst haben die Eberswalder beim Bundeswettbewerb 2001/02 die Bronzeplakette für die Sanierung des Stadtzentrums erhalten. Im Landeswettbewerb "Attraktiver Innenstadt" ergatterten sie unter 60 Bewerbern den fünften Platz. Nun soll mit der Bebauung des zentralen Pavillonplatzes und mit dem Programm "Eigentumsbildung Innenstadt" die Leitlinie "Zurück in die Innenstadt" konsequent weiterverfolgt werden.


"Wenn die Städte schrumpfen, dann bedeutet dies nicht nur ein Ausdünnen der Baustrukturen an den Rändern, sondern es stellt sich auch die Frage nach einer notwendigen Konzentration von Funktionen in der Mitte, dort also, wo die Städte unverwechselbar sind, die größte 'Urbanität' herrscht und die Wege am kürzesten sind. Denn dass eine funktionierende Innenstadt in der gemeindlichen Konkurrenz ein Standortvorteil ist, ist offensichtlich." Beinahe lehrbuchmäßig ist in diesen Sätzen (Städtebauförderung aktuell/Stadt Eberswalde, Ausgabe 4/2004) das Credo moderner Planungsphilosophie niedergelegt, wie es heute deutschland- und europaweit gilt. Am Eberswalder Pavillonplatz soll es mit der Errichtung des neuen Verwaltungs- und Dienstleistungszentrums mit Kreisverwaltung und 3000 qm Verkaufsfläche (Architekt Winkelbauer/GAP Berlin) mit Leben gefüllt werden. 500 Mitarbeiter und täglich tausend Besucher - die Planungschefs sehen darin einen Magneten, der die ganze Innenstadt befruchten könnte.


Vor den Schweiß aber haben die Götter in Eberswalde ausnahmsweise einmal das schiere Vergnügen gesetzt: Zum Brandenburgtag am 4. September soll sich die Stadt wie in ihren allerbesten Zeiten beleben.


Artikel erschienen am Do, 26. August 2004


Quelle: http://www.welt.de/data/2004/08/26/323963.html?s=1
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 00:39 - 26.08.2004

""Wenn die Städte schrumpfen, dann bedeutet dies nicht nur ein Ausdünnen der Baustrukturen an den Rändern, sondern es stellt sich auch die Frage nach einer notwendigen Konzentration von Funktionen in der Mitte, dort also, wo die Städte unverwechselbar sind, die größte 'Urbanität' herrscht und die Wege am kürzesten sind. Denn dass eine funktionierende Innenstadt in der gemeindlichen Konkurrenz ein Standortvorteil ist, ist offensichtlich.""

Was gibt es dann noch zu überlegen, ob nun Von-Innen-nach-Außen-Schrumpfen oder Perforation? Der Satz ist doch eindeutig! Nur doof, dass man die Wiederbelebung Mal wieder mit einem Einkaufzentrum durchführen will...

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