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Autor Mitteilung
Cohagen
Boardkaiser

Beiträge: 3375


 

Gesendet: 10:58 - 16.05.2007

Wenn der Artikel von heute aus der Frankfurter Rundschau den Tatsachen entspricht, dann wird der ganze Streit um dieses Denkmal vollends zur Farce. Ich zitiere:

Denkmalstreit
Ein estnischer Deserteur stand Modell für den Kriegshelden
"Aljoscha", der umstrittene Bronzesoldat in Tallinn, war überhaupt kein sowjetischer Kriegsheld. Er ist dem Esten Kristjan Palusalu nachempfunden.
VON HANNES GAMILLSCHEG

Aljoscha alias Kristjan
+ Aljoscha alias Kristjan (ap)
Der Tallinner Bronzesoldat, dessen Umsiedlung in den vergangenen Wochen das Verhältnis zwischen Russland und Estland verpestete, war in Wirklichkeit gar kein sowjetischer Kriegsheld, sondern ein estnischer Deserteur. Modell für die Statue stand der Freistilringer Kristjan Palusalu, und dieser war im Jahr 1941 nach Finnland geflüchtet.

Dass "Aljoscha", wie die Russen das Denkmal nennen, eigentlich Kristjan heißen sollte, ließ sich nun die finnische Zeitung Helsingin Sanomat von Palusalus Tochter in Tallinn bestätigen. Gerüchte über das Modell für den Bronzesoldaten gab es seit langem, doch der 1990 verstorbene Bildhauer Enn Roos hatte sie bestritten. Er habe die Statue nach einem "jungen Arbeiter aus der Nachbarschaft" modelliert. Einen Deserteur zu verewigen war nämlich politisch nicht opportun. Doch Helle Palusalu weiß es besser: "Mein Vater hat mir davon schon in den sechziger Jahren erzählt", sagt sie, und wenn sie die Bibliothek besuchte, vor der das Denkmal bis vor kurzem stand, "ging ich stets vorbei und schaute nach Vater".

So hätte die Statue, deren Abbau nun wütende russische Proteste auslöste, auch als estnisches Ehrenmal gelten können, denn Palusalu war jahrzehntelang der am meisten vergötterte Sportler des Landes. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin trug er die estnische Fahne und holte Gold im Schwergewicht im Freistilringen und im griechisch-römischen Stil. Doch nach dem Einmarsch der Sowjettruppen 1940 wurde er nach Sibirien deportiert, nach einem Fluchtversuch zum Tod verurteilt und dann zur "Bewährung" als "Freiwilliger" an die finnische Front geschickt. Dort desertierte er mit einem Kameraden und wurde von den finnischen Grenztruppen aufgegriffen. Der Olympiaturner Heikki Savolainen erkannte ihn.

Palusalu arbeitete in einem Lazarett, ging nach Estlands Okkupation durch Nazi-Deutschland in die Heimat zurück, wurde nach der Rückkehr der Sowjettruppen 1944 erneut verhaftet, aber schon zwei Jahre später entlassen. Er durfte als Ringertrainer arbeiten.

Als die sowjetischen Behörden 1947 zum dritten Jahrestag der "Befreiung Tallinns" ein Denkmal für die Gefallenen errichten ließen, nahm Roos Palusalu als Modell, wie seine Tochter sagt. Ob dies eine Spitze des Bildhauers gegen das Regime war, wie manche Esten behaupten, ist unbestätigt. Doch das Kulturkomitee, das den Entwurf der Statue besichtigte, habe den Abgebildeten sofort erkannt und verlangt, dass er unkenntlich gemacht werde, sagt Helle Palusalu. So wurden die Gesichtszüge verändert, der Rest blieb. "Zum Beispiel die Hände sind völlig die seinen", meint die Tochter.

Wenn hohe Parteifunktionäre an Gedenktagen das überlebensgroße Denkmal besuchten, habe ihr Vater oft gespottet: "Wenn die wüssten, wem sie Blumen bringen…" Dass sein Bildnis nun im Mittelpunkt eines Streits steht, peinigt sie, obwohl sie den Kult um "Aljoscha" nie mochte. Sie ist froh, dass man die Statue nicht zerstörte. "Ich hab mal gesagt, sie können sie mir hier ins Haus stellen."
Gotti
Board-Champion

Beiträge: 4498


 

Gesendet: 20:42 - 16.05.2007

Da sieht man einmal mehr, wie sich der ganze Heldenmythos und Wahn selbst ad absurdum führt.

Und noch was zum Thema Held und Heldenepos:

" Zeige mir den Helden und ich zeige Dir die Tragödie."
everstream
Boardkönig

Beiträge: 1818


 

Gesendet: 20:55 - 16.05.2007

@Cohagen:
Hier werden mindestens drei Menschen genannt, die als Modell für das Denkmal gedient haben können.

http://www.eurotopics.net/de/presseschau/archiv/aehnliche/archiv_article/ARTICLE17022

Außerdem ist es volkommen egal wem das Denkmal nachempfunden wurde. Das Ziel war ein Denkmal zu erschaffen, das nicht an einen konkreten Menschen sondern an die gefallenen Soldaten erinnern sollte.

Und in dem von dir zitierten Artikel steht auch:
Zitat:
So wurden die Gesichtszüge verändert, der Rest blieb. "Zum Beispiel die Hände sind völlig die seinen", meint die Tochter.


also sind nur die Hände ähnlich, das Gesicht ist anders. Der Körper ist bei vielen Menschen ähnlich.

Helle Palusalu sagt auch:
Zitat:
Doch Helle Palusalu weiß es besser: "Mein Vater hat mir davon schon in den sechziger Jahren erzählt"


sowohl ihren Vater als auch den Bildhauer gibt es seit langem nicht mehr, keiner von den beiden kann etwas beweisen, also kann Aino Saan, eine der Töchter von Enn Roos auch Recht haben mit ihrer Aussage:
Zitat:
Es handelt sich um einen estnischen Soldaten der Roten Armee, nicht aber um einen bestimmten."


Aber wie gesagt das Denkmal ist zum Gedenken an die gefallenen da und nicht nur einem Menschen gewidmet.

Hier gibt es auch viel Information und verschiedene Sichtweisen:

http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Estland/ehrenmal.html

Zitat:
Inzwischen haben sich Finnland und Polen eindeutig mit dem estnischen Geschichtsrevisionismus solidarisiert. Der polnische Kulturminister Kazimierz Ujazdowski erklärte sogar, daß seine Regierung bis zum 15. Mai ein Gesetz verabschieden werde, mit dem es leichter fallen werde, »Symbole der kommunistischen Diktatur« aus Polens öffentlichem Raum zu verbannen. Hierzu zählte Ujazdowski auch die Ehrenmale der sowjetischen Soldaten, die Polen aus der brutalen Besatzung durch Nazideutschland befreiten.


MfG everstream
Cohagen
Boardkaiser

Beiträge: 3375


 

Gesendet: 21:20 - 16.05.2007

Ich gebs auf.
Wenn du älter bist, wirst auch du hoffentlich mal merken, dass Patriotismus und Vernunft zwei Dinge sind, die nicht zueinander passen.
rolf
Boardmeister

Beiträge: 968


 

Gesendet: 23:21 - 16.05.2007

hallo everstream, ich gebe dir recht: es ist völlig gleichgültig, wer dem denkmal modell gesessen hat. dies alles zum thema zu machen, ist absurd. es geht in der tat um ein ehrendenkmal für die gefallenen russischen soldaten.

vielleicht wird dir auch aufgefallen sein, dass die verpflanzung des denkmals auf einen friedhof in der presse nicht überall beifall fand. um so mehr, als die europäischen staaten bemerkten, dass auf diese weise ein empfindlicher punkt bei den russen getroffen wurde.

ich weiss, dass die berliner recht spannungsfrei mit dem ehrendenkmal für russische soldaten in ihrer stadt umgehen. das hat etwas mit dem respekt zu tun.

in diesem sinne hätte ich es besser gefunden, estland wäre behutsamer mit der angelegenheit umgegangen. allerdings sind dort die eindrücke russischer besetzung noch viel präsenter als hierzulande. ich kann mich nur wiederholen: estland versucht, sich von den schatten zu befreien, die ihr land viel zu lange im griff hatten. es gehört nun einmal zum recht der völker, über ihr schicksal selbst zu bestimmen.

es ist im übrigen richtig, dass polen von der nazidiktatur von der russischen armee befreit wurde (übrigens auch ungarn).

ich frage dich aber: um welchen preis?

es hiesse, die geschichte zu ignorieren, wenn man vom tisch wischen wollte, mit welchem terror die russen nach 1945 in den von ihnen besetzten ländern regierten.

auch die offizielle DDR-politik sprach stets von den befreiern - und deswegen von den russischen "brüdern". dass dies aber nur die eine seite der recht trüben medaille war, wurde stets unter den tisch gewischt.

aber nicht von den menschen in der DDR, die nichts gegen die russen hatten - aber endlich ein selbstbestimmtes leben führen wollten.

deswegen sind die russen aus der DDR schliesslich abgezogen. sie hatten dort in wahrheit nichts zu suchen.

und die menschen wussten das!

gruss rolf
DemiSec
Power-User

Beiträge: 161


 

Gesendet: 02:49 - 17.05.2007

Hm, also
Deutsche Soldatengräber werden durch Spenden in aller Welt gepflegt und gehegt, in Deutschland werden russische usw Gräber von Steuergernden finanziert.

Und, kein Land der welt wird befreit, Deutschland wurde nicht befreit, der Irak wurde nicht befreit, Vietnam, Polen, usw (man schaue die Weltgeschichte durch)..sie werden besetzt, erobert.
Zu gunsten von Staatsfremden Interessen, sonnst nichts weiter.

Nicht aus Menschenfreundlichkeit, Humanität, Ehre oder Idealismus...nur aus Machhunger, Geld und/oder Einfluss, oder aber diese ist in Gefahr zu verschwinden.

Und wenn sie die Abreissen oder umbetten wollen, ist es ihr gutes Recht. Könnten wir hier auch mal mit anfangen (Gründe s.o, dies sollte nicht aus öffentlicher Hand gefördert werden)
Nubira
Moderator

Beiträge: 15134


 

Gesendet: 08:46 - 17.05.2007

Ich werde diesen Thread nicht schließen, aber ich bin der Meinung, dass hier inzwischen genug unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema abgegeben wurden.

Auch solche Diskussionen gehören in unser Forum, denn hier gehen Menschen aus ganz unterschiedlichen Generationen vorurteilfrei miteinander um und können voneinander lernen.
Niemand muss sich der Meinung eines anderen anschließen, aber am Ende sind vielleicht alle ein wenig klüger.

Ich danke Euch allen für die sehr sachlichen Beiträge, denn das ist bei diesem Thema nicht unbedingt selbstverständlich.

Nubira
Daniel
Power-User

Beiträge: 239


 

Gesendet: 15:32 - 17.05.2007

@ nubira: Ich fände es auch sehr schade, wenn der thread geschlossen werden würde, denn die grosse qualität dieses forum ist für mich ist, dass hier nicht aussschließlich computerthemen besprochen werden, und das ist auch der grund, warum ich immer wieder regelmäßig reinschaue, auch wenn ich im moment keine pc probleme habe.
erstens habe ich die beiträge sehr interessiert gelesen und habe einiges gelernt, was ich bisher nicht wusste und zweitens freue ich mich - durch die beiträge - die menschen hinter den atavaren besser kennen zu lernen. wer sich nicht dafür interessiert, braucht den thread nicht zu öffnen und solange es bei diesem einen thread bleibt, dominiert es auch nicht den forum index sondern erscheint lediglich als ein beitrag von vielen.
gruß dan
Peng
Boardkönig

Beiträge: 1327


 

Gesendet: 00:11 - 19.05.2007

Zum Thema Putin ist vielleicht noch erwähnenswert, daß Garri Kasparow auf dem Weg zu einer genehmigten Demonstration anläßlich des Russland-EU-Gipfels in Samara verhaftet worden ist. "Ohne daß er etwas Böses getan hätte", wie es in Kafkas "Prozeß" über seinen Protagonisten heißt. Ich möchte jetzt nicht von "Schutzhaft" sprechen, noch ist Russland nicht verloren!

Aber über den Wahrheitsgehalt von Verlautbarungen eines Regimes, daß unbescholtene Bürger wegen mit Freiheitsentzug von der Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung abhält, würde ich mir schon mal Gedanken machen!

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