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Computer-Kids überfordern die Bahn
Maritta Tkalec

Das Eintauchen in Computerspiele verschafft Erfahrungen, von denen man ohne die fantastischen Werke aus der Welt der Soft- und Hardware nur träumen kann: zum Beispiel durch das Jerusalem des zwölften Jahrhunderts zu schleichen, mitten durch dichte Menschenmengen. Aber auch die Deutsche Bahn schafft es, ihre Reisenden in andere Welten zu versetzen - gern auch in die katastrophal überfüllte U-Bahn von Bombay. Wie ihr das gelingt? Durch Nichtstun.

75 000 Besucher waren am Sonnabend zur Computerspielmesse Games Convention in Leipzig gepilgert, allein aus Berlin viele Tausend. Die Messebetreiber erlebten begeistert den besucherstärksten Tag in der zehnjährigen Geschichte des neuen Messegeländes. Schon am Morgen waren die Regionalzüge aus Berlin, Dresden und anderswo rappelvoll. Aber wer konnte damit rechnen, dass die jungen Leute auch wieder heimfahren würden und zwar alle zugleich, nachdem die Messe schloss? Es ist ja erst seit einem Jahr bekannt, dass die Games Convention stattfinden und viele junge Leute anziehen würde. Von der mobilisierenden Kraft der Fußball-WM hatten die für Sonderzugeinsätze Zuständigen der Bahn irgendwoher gehört. Aber wie sollten sie von den Computer-Kids wissen?

Die machten dann am Sonnabend in Leipzig Bekanntschaft mit energischen Polizisten, die sie aus völlig überfüllten Regionalzügen zogen. Und wer, sagen wir in Bitterfeld, zusteigen wollte, konnte seine Dritte-Welt-Erfahrung beim Kampf um einen Platz im Zug zur Geltung bringen. Aber drinnen war es wunderbar: viel Körperkontakt, Altersdurchschnitt wie in Bombay oder Lagos bei 17 Jahren. Kein Alkohol, keine Zigaretten, aber auch kein Sauerstoff. Junge Augen in der Enge versuchten, die eben ergatterten Computer-Magazine zu lesen. Und menschliche Verzweiflung: "Ist hier irgendwo 'n Klo?" schreit einer aus der Menge. "Kaputt. Mach Dir 'nen Knoten rein", lautet die realistische Antwort. Bei der Einfahrt in den schicken Berliner Hauptbahnhof trampelt die ganze Gesellschaft begeistert mit den Füßen. Danke, Deutsche Bahn, ein großer Abend.

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