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Autor Mitteilung
Rösch
Senior-Mitglied

Beiträge: 343


Gesendet: 02:53 - 28.07.2003

Ein sehr guter Text, wie ich finde.
Der ein oder anderen dürfte ihn bereits kennen.





Wolfgang Schäche: Für ein Recht auf Rekonstruktion

Warum der Wiederaufbau eines Stadtschlosses nichts mit Unmoral zu tun hat
oder: Überlegungen zur Rekonstruktion zerstörter Gebäude im Allgemeinen







Die Rekonstruktion nicht mehr existenter oder nur fragmentarisch realisierter Bauwerke begleitet die Architektur durch ihre Geschichte: vom Weiterbau des nur als Torso vom späten Mittelalter auf das 19. Jahrhundert überkommenen Kölner Doms über den 1902/03 nach dem Einsturz wieder errichteten Campanile von San Marco in Venedig bis zur äußerlichen Wiederherstellung großer Teile der Münchner Innenstadt nach dem Zweiten Weltkrieg.
Diese Rekonstruktionen sind inzwischen selbst zu Denkmälern aufgestiegen und nie ernsthaft in Frage gestellt geworden. Erst die letzten Jahrzehnte haben eine fast unüberbrückbare Kluft zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen an die Gestaltung des öffentlichen Raumes und der fachinternen architekturtheoretischen Diskussion aufgerissen

Bedeutet Kopieren Selbstmord?

Experten lehnen den Nachbau ausgelöschter Gebäudeexistenzen meist ab. Sie argumentieren mit einem - von einer vermeintlich "reinen Lehre" - gekennzeichneten Ausschließlichkeitsanspruch, der von der Objektivierbarkeit der eigenen Beweisführung überzeugt scheint. Gegenpositionen werden als lästig empfunden und ignoriert oder als reaktionär denunziert. So warnte Renzo Piano einmal vor dem Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin mit den Worten: "Die Vergangenheit zu kopieren wäre für mich Selbstmord."
Und die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in Deutschland formulierte zur Debatte um Gebäuderekonstruktionen in Ostdeutschland bereits Anfang der neunziger Jahre eine Stellungsnahme: Man habe zwar Verständnis für den Wunsch, zerstörte Werke der Baukunst wiederzugewinnen, doch dieser Wunsch sei nicht erfüllbar, weil die überlieferte materielle Gestalt als Geschichtszeugnis unwiederholbar ist wie die Geschichte selbst.
Und der inzwischen verstorbene Architekturhistoriker Hanno-Walter Kruft brachte 1993 in einem Aufsatz "Rekonstrukion als Restauration" die unter Experten verbreitete Abneigung gegen Wiederaufbauten auf den Punkt. "Eine Rekonstruktion ist nicht primär ein urbanistisches, ästhetisches, technisches oder finanzielles Problem, sondern ein historisch-moralisches. Wenn ein Monument durch Zerstörung ausgelöscht ist, wird eine Rekonstruktion zur Geschichtsattrappe. Entscheidungen (zum Wiederaufbau) sind Ausdruck der Restauration und spiegeln einen orientierungslosen, historisch retrospektiven gesellschaftlichen Zustand ... Die Sprengung (des Berliner Stadtschlosses) sollte als sichtbarer Akt das Ende des preußischen Militarismus signalisieren. Aus ähnlichen Gründen wurde das Potsdamer Stadtschloss abgerissen. Man kann diese Handlungen verwerflich und barbarisch finden und die Verluste beklagen, aber man darf sie nicht rückgängig machen wollen, auch wenn man es technisch könnte. Wenn man es dennoch tut, so dokumentiert man seine Entschlossenheit zur Geschichtsmanipulation und begibt sich auf die gleiche Ebene wie die Barbaren, deren Schandtaten man kompensieren will."
Bemerkenswert ist, dass die zur inhaltlichen Ableitung des moralischen Anspruches herangezogenen Argumente zwar in sich geschlossen und logisch sind, ihre Prämissen jedoch nicht mehr reflektiert werden. Gerade sie aber erweisen sich als fragwürdig.
Da ist zum einen der Geschichtsbegriff: Den meisten Gegnern (aber auch Befürwortern) von Rekonstruktionen liegt die abenteuerliche Vorstellung von Geschichte zu Grunde, sie per se mit Vergangenheit gleichzusetzen. Die Hinterlassenschaften vergangener Zeiten werden vor diesem Hintergrund zu Zeugen, Dokumenten, Quellen geschichtlicher Vorgänge erklärt, die allein über ihre physische Existenz erfahrbar werden. Die Originalität eines Bauwerkes gewährleistet bereits "Wahrheit". Ein solcher Geschichtsbegriff aber entzieht sich jedem Gegenwartsbezug und führt in die argumentatorische Sackgasse.

Denn Geschichte für sich genommen ist sinnlos.

Nur aus der Konfrontation dessen, was wir unter Geschichte begreifen, mit der Gegenwart, so der deutsche Historiker Johannes Fried, lernt der Mensch: "Denn die Vergangenheit ist vergangen, Geschichte aber lebt. Sie ist als Gedächtnis immer Gegenwart, kann nichts anderes sein."
Vor dieser Einsicht relativiert sich dann auch die Vorstellung von einem (authentischen) Bauwerk als historischer Quelle der Vergangenheit: "Quelle", schreibt Johannes Fried, "ist ohnehin eine in die Irre führende Metapher. Sie assoziiert sprudelndes Leben, Unmittelbarkeit, lautere Wahrheit. Die Gegenstände, die mit diesem Namen belegt werden, haben aber von sich aus kein Leben... Hunderte von Historikern haben sich mit ihnen befasst, jedes überlieferte Detail umgedreht und ausgepresst. So traktiert, müssen die 'Quellen' längst erschöpft sein. Warum sind sie es nicht? Die Antwort ist einfach: Weil Historiker sie immer wieder künstlich beleben oder genauer: weil es keine Quellen, sondern Artefakte sind, tote Dinge, die erst Wert gewinnen, wenn ihnen subjektive Aufmerksamkeit geschenkt wird." Das auf diese Weise Konstruierte aber muss mit der nicht mehr real nachvollziehbaren Vergangenheit nicht deckungsgleich sein.
Da ist zum anderen der Authentizitätsbegriff. Die über Jahrhunderte aggressiv aufgeladene christliche Religionsvorstellung von der Einmaligkeit des irdischen Lebens und der Vergänglichkeit des Physischen wird unmittelbar auf die Architektur übertragen. So wie der Tod am Ende des Lebens steht und unwiderruflich erscheint, gilt die physische Auslöschung eines Gebäudes als irreversibel.
Eine Wiedergeburt erweist sich deshalb für Gebäude wie für Menschen als unvorstellbare Infragestellung der göttlichen Ordnung. Damit wird jeder Wiederaufbau eines einmal ausgelöschten Gebäudes zur Glaubensfrage und jeder rationellen Argumentation entzogen. Nur über das Authentische, die konkrete stoffliche Bindung also, wird in dieser Logik Vergangenheit durch Geschichte erlebbar. Die Errinnerung über reproduzierte Abbilderl, selbst die der bloßen ästhetisch-physischen Vergegenwärtigung, ist für dieses Denken Sünde.
Und da ist drittens die Abbildtheorie. Immer noch wird die für vorbürgerliche Epochen durchaus zutreffende Spiegelung gesellschaftlicher Realität in baulichen Zusammenhängen als Anspruch an die heutige Architektur gestellt. Sie soll sich, wie die historisch begriffene Architektur, kraft ihrer Gestalt untrennbar mit speziellen Zeitabschnitten verbinden lassen.
Daraus folgt die Forderung, dass gegenwärtiges Bauen sich ausschließlich als Ausdruck der Zeit zu erkennen geben muss. Da aber das pluralistische Prinzip demokratischen Selbstverständnisses die auf gesellschaftlichem Konsens beruhenden Konventionen, die Architektur zum Abbild der Gesellschaft machten, abgelöst hat, kann das Bauen schon längst nicht mehr über seine Erscheinungsformen substanzielle Aussagen über die herrschende Ordnung machen.

Keine rationalen Argumente

Architektur ist in ihrem Bedeutungscharakter beliebig geworden und nur noch individuell in ihrer Mitteilung wirksam. Damit aber greift die Forderung nach zeitgemäßer Architektur ins Leere, ebenso wie die Verdächtigung von Rekonstruktionen als Beschwörung vergangener Gesellschaftsformen.
So gibt es kein rationales Argument, welches den Nachbau physich nicht mehr existenter Bauwerke per se ausschließt. Die Entscheidung ist allein der sorgfältigen Abwägung aller mit dem Gebäude verbundenen Bedeutungsebenen sowie der Einbeziehung des ökonomischen, technischen, ästhetischen sowie des Zweckmäßigkeits- und Nutzungsaspektes verpflichtet, nicht aber fragwürdigen Geschichts- und Architekturtheorien.
Jede Reproduktion erweist sich hierbei als eine komplexe kulturpolitische Aufgabenstellung, die sich nicht auf die denkmalpflegerische Perspektive reduzieren lässt. Es kann nicht darum gehen, etwas zu pflegen, was physisch nicht mehr existent ist.
Eine Gesellschaft hat vielmehr das Recht bei dem erklärten Versuch, sich auf die Zukunft zu entwerfen, in Abwägung aller relevanten Argumentationsebenen selbst verantwortlich darüber zu befinden, welche Dimensionen sie der "Geschichte" und der Erinnerung einräumen will. Und das schließt die bauliche Vergegenständlichung von zerstörter Geschichte selbstverständlich mit ein.


(aus Berliner Zeitung vom 5./6.2.00 - Der Autor lehrt Architekturgeschichte an der Technischen Fachhochschule Berlin. Der Artikel erschien innerhalb der Dikussionsreihe "Zukunft Schloßplatz")

Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


 

Gesendet: 05:57 - 21.08.2004

Wer will schon "ehrliche" Gebäude?

Von den fragwürdigen Mühen der architektonischen Rekonstruktion: Vier Beispiele aus der Stadt Frankfurt/Main


Von Dankwart Guratzsch

Am Freitag tagt die Schlossplatz-Kommission in Berlin zum fünften Mal. Ende des Jahres soll das Gremium Vorschläge zur künftigen Nutzung und Gestalt des Schlossareals vorlegen. Bei eine Anhörung im Kulturausschuss des Bundestages sagte der Vorsitzende der Kommission, Hannes Swoboda, am Mittwoch, es zeichne sich ab, dass eine vollständige Wiedererrichtung des Schlosses "technisch nicht machbar" sein werde - zumal bei Innenausbau stoße man auf Probleme. Zugleich aber spreche sich eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder für eine Gestaltung des Schlossplatzes aus, die sich "möglichst weitgehend am historischen Stadtschloss orientiert" - insbesondere mit Blick auf die Fassade. "Die Befürworter für des Wiederaufbau des Schlosses", sagte der Österreicher Swoboda, hätten in der Kommission, "a bisserl die Überhand". In einer Serie der WELT werden die zentralen Fragen einer Neubebauung an diesem städtebaulich wichtigsten Ort der Hauptstadt erörtert.



Die Rekonstruktion zerstörter oder verschwundener Gebäude ist seit dem Beschluss zum Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche zum Grundsatzstreit zwischen Planern, Architekten, Denkmalpflegern und Investoren geworden. In der Konfrontation lebt ein alter Konflikt wieder auf. Was heute die Debatte um das Berliner und Potsdamer Stadtschloss oder den Dresdner Neumarkt befeuert, berührte bereits das Selbstverständnis der Akteure des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. An der Unversöhnlichkeit der Grundpositionen hat sich nichts geändert. Das Bild des "heilen" und die Symbolik des gebrochenen Bauwerks lassen sich nicht zur Deckung bringen.

Verfechter einer puristischen Auffassung von Denkmalpflege sehen mit der Wiederkehr verschwundener Gebäude "Masken und Gespenster" aus den Gräbern auferstehen, die das Lebensrecht noch vorhandener "echter" Denkmale bestreiten. Anhänger eines politisierten Kunstbegriffs wollen in der Geschichte eine moralische Instanz erkennen, deren Einwirkungen auf Gebäude als "Lehre" zu verstehen und vor jeglicher Retusche der Nachlebenden zu schützen seien.

Keiner dieser Auffassungen ist es bisher gelungen, sich dauerhaft durchzusetzen oder gar "populär" zu werden. Von den Küsten bis zu den Alpen ist eine unübersehbare Vielzahl kriegszerstörter Gebäude ins Leben zurückgeholt worden - zum Teil in so perfekter Nachgestaltung, dass die Kopie das Original zu übertreffen scheint, wie im Fall des Knochenhaueramtshauses in Hildesheim. Oder als geschmäcklerische Neuinterpretation wie am Prinzipalmarkt von Münster. Oder unter sorgfältiger Präparierung von Schrunden und "Malen" wie jüngst am Reichstag in Berlin. Doch nirgends wollte nach der Fertigstellung noch jemand wissen, welche sehr spezielle "Aussage" die Fachleute mit der Eigenart ihrer Herangehensweise bezweckt hatten.

Exemplarisch für die Eckpositionen der Debatte sind die Beispiele aus Frankfurt am Main. Sie beginnen mit dem Versuch des Publizisten Walter Dirks, die Zerstörung des Goethehauses durch eine Fliegerbombe als Rache der Geschichte an einem "Ungeist" zu deuten, der angeblich von Goethe selbst ausgegangen sei. Wie schwer sich diese Sicht vermitteln ließ, zeigte allein die Tatsache, das sie der Autor gegen so prominente Befürworter der Rekonstruktion wie Thomas Mann, Hermann Hesse, Albert Schweitzer und William Faulkner verfechten musste - und unterlag.

Das zweite Beispiel aus Frankfurt, der Wiederaufbau der Paulskirche, zeigt einen anderen Schwachpunkt der Debatte: Rekonstruktionen werden nicht dadurch "ehrlicher", dass sie bruchstückhaft ausgeführt werden. Rudolf Schwarz, der große Nachkriegsarchitekt, hat sein Projekt einer "abgespeckten Paulskirche" in vielen eindrucksvollen Essays verteidigt. Für ihn war die "Majestät der Ruine", die ihn an das Kolosseum in Rom erinnerte, ein so erschütterndes Manifest wider den Krieg, dass er sie in der wiederaufgebauten Kirche fortleben lassen wollte. Aber die Animation ist missglückt. Die Abflachung des einst steil aufgetürmten Kegeldachs und die Nacktheit des Innenraums allein machen aus dem Rundbau noch kein Kolosseum. Dies weckt bei Geschichtskundigen allenfalls Erinnerungen an eine Notbehelfszeit, in der die Stadt Leipzig mit Ostzonennägeln aushelfen musste, damit die Frankfurter das Dach abdichten konnten. Getilgt aus dem Bau ist dafür jede Spur des vermutlich wichtigeren geschichtlichen Datums: der Paulskirchenversammlung. Die "Ehrlichkeit" hat aus der Kirche ein Falsifikat gemacht.

Das dritte Frankfurter Beispiel ist die Alte Oper. Mit 14,6 Millionen Mark Spenden und mit Enthusiasmus der Bevölkerung wurde 35 Jahre nach Kriegsende gegen zähe Widerstände verantwortlicher Politiker ihre Rekonstruktion durchgesetzt. Doch sie steht ebenfalls für Halbherzigkeit und Misslingen. Zwar wurde der festliche Bau von Richard Lucae in seiner architektonischen Prachtentfaltung für den Stadtraum zurückgewonnen. Verloren aber ist seine innere Großzügigkeit. Die Wiederaufbauarchitekten Braun & Schlockermann zerstörten die Treppenanlage und zogen niedrige Betondecken ein. Der Saal wurde als ungegliederte Holzschüssel gestaltet, die jede Assoziation an das Werk Lucaes unterdrückt.

Was angerichtet worden ist, mag vielen Frankfurtern erst bewusst geworden sein, als die beiden Konkurrenzprojekte - Schinkels Schauspielhaus in Berlin und Sempers Oper in Dresden - wiedereröffnet wurden. War in Frankfurt die Parole ausgegeben worden: Was weg ist, kann nicht neu geschaffen werden, so hatte man im anderen Teil Deutschlands den Nachweis erbracht, dass sich die historische Innenausstattung in einer Opulenz und Detailtreue zurückgewinnen lässt, die heute noch betört, selbst wenn dem Bauwerk - wie in Berlin - ein anderer "historischer" Saal als der originale implantiert wird. Bedient wurde in Frankfurt der Akademismus, in Dresden und Berlin die Publikumsfreude.

Und doch bedeutete der Frankfurter Opernneubau einen Durchbruch, hatte man hier doch zwanzig Jahre zuvor den alten Tempelbau des Schauspielhauses noch seiner Fassaden beraubt, um ihn hinter Blech- und Glaswänden wie Abraum der Geschichte zu "entsorgen".

Das vierte, nicht minder zwiespältige Beispiel ist die Operation am Herzen der Stadt, dem Römerberg. Auf einer fast 40 Jahre unbebauten Brache vor dem Kaiserdom, auf der bis zu den Bombenangriffen das dichteste Frankfurter Altbauquartier stand, wurden ein Fachwerkensemble, ein modernes Museum und eine postmoderne Häuserzeile errichtet. Der Dreiklang tönt auch nach 15 Jahren noch schrill. Mit den Dissonanzen der Umgebung - etwa vom groben Technischen Rathaus - mischt er sich zu einer Katzenmusik, die jede Hoffnung überdröhnt, dass dem ältesten Ort der einstigen Freien Reichsstadt noch einmal neuer urbaner Atem eingehaucht werden könnte. Allein durch die von Ernst Schirmacher mit Phantasie und Akribie rekonstruierten "Ostzeile" entsteht so etwas wie ein harmonischer Zusammenklang.

Die neue "Echtheit" ist eine Erfindung, die sich dem Forschergeist und der Experimentierfreude des 20. Jahrhunderts verdankt. So dialektisch - und so zeitnah - ist das Projekt der Rekonstruktion.

Ein Artikel der Welt, 22.06.2001
Booni
Mitglied

Beiträge: 190


 

Gesendet: 16:09 - 21.08.2004

Hier habe ich auch noch einen interessanten Text gefunden, den ich nicht unterschreiben würde...

... war mal wieder so'n modernist am Werk:

http://www.nextroom.at/article.php?article_id=1651
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 17:04 - 21.08.2004

Stimmt Booni, dieser Text ist schwachsinn. Aber eines stimmt und da müssen wir uns die Frage stellen... Es stehen wirklich viele Schlößer und Herrenhäuser leer, die keinen Nutzer finden. Können wir denn weitere Herrenhäuser oder Schlößer rekonstruieren obwohl es keine Nutzer für die bestehenden gibt ? Vielleicht aber würde das neue Schloß eben genau den Geschmack eines bestimmten Menschen treffen, der momentan sich im Unklaren darüber ist ob er in ein Schloß investieren soll. Dies ist die Ungewisse die man jedoch riskieren sollte. Zu der anderen versteckten Aussage im Text, die sich anhört als wolle man mit moralischem Druck den Menschen sagen, dass es ihnen doch an nichts fehlt, entgegne ich, dass es nur menschlich ist, immer mehr haben zu wollen. Das gehört nuneinmal zu jedem menschen dazu. Wer nicht immer mehr haben will, wurde garantiert von Moralaposteln manipuliert die einem eingeredet haben was ein guter Charackterzug und was ein schlechter Charackterzug sei. Naja, die Schweizer leben sowieso in einer moralischen Diktatur.
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 17:10 - 21.08.2004

Des weiteren obliegt dieser Schreiberling (Aus Boonis Artikel) dem Widerspruch seines eigenen Prinzips bezüglich der Bescheidenheit oder Gier, die er nicht deutlich ausgesprochen hat, die man jedoch zwischen den Zeilen lesen konnte. Zumindest ich. Wenn man immer mehr möchte, ist man seiner Definierung nach gierig und somit nicht bescheiden. Seiner Definierung nach ist dies etwas böses (Ich muss mal eben lachen). Dieser Schreiberling möchte mit seinem Text bewirken, dass Menschen so denken wie er und dass er Menschen mit seinem Geschriebenem in ihrer Denkweise umstimmen kann. Ansich ist dies immer legitim. Nichts anderes macht jeder Mensch auf der ganzen Welt, wenn er sich mit jemand anderem austauscht. Jedoch er möchte doch auch, dass immer mehr und mehr Menschen so denken wie er also könnte man sagen, dass auch dieser Schreiberling gierig ist womit er sich in seinem eigenem Pirnzip widerspricht.
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 22:24 - 21.08.2004

"Deutschland ist nicht nur das Land der Dichter und Denker, sondern auch ein Land der Burgen und Schlösser. Doch all die Herrlichkeiten zwischen Glücksburg im Norden und Neuschwanstein im Süden scheinen den Deutschen nicht auszureichen. (...) "

... wenn dieser Jürgen Tietz glaubt, Deutschland hätte noch so viele "Herrlichkeiten" zu bieten, sollte er sich mal mit den Stadtbildern der Vergangenheit beschäftigen. Ich denke es ist unstrittig, das Deutschland vor diesem unsäglichen (selbstverschuldeten) WW2 und der Wiederaufbaumentalität eines der schönsten Ländern der Welt war.

Artikelschreibern wie ihm haben wir es zu verdanken, dass wahrscheinlich erst unsere Enkel wieder in einem eingermassen ästethischen Umfeld leben dürfen... Wir müssen anscheinend noch warten und uns staubtrockene Architektur-Theorien über den "Mut zur Hässlichkeit" anhören...
Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


 

Gesendet: 09:41 - 24.08.2004

Aus "Nehmt Schlüter!"
Kolumne von Konrad Adam/Die Welt

...Der Widerstand gegen die Rekonstruktion des Berliner Schlosses und, damit verbunden, gegen eine Wiedergutmachung für seinen Baumeister Andreas Schlüter, hat längst pathologische Züge angenommen, die nach tiefenpsychologischer Deutung verlangen. Er ist Ausdruck der Erinnerungslosigkeit, die den Deutschen als neue Tugend anempfohlen und ausgerechnet von den Historikern, den "kritischen" zumindest, als Antwort auf die Lehren der Geschichte verstanden wird. Der ominöse Schlussstrich, vor dem in schrillen Tönen gewarnt wird: Hier, im Verhältnis zu Brandenburg, zu Preußen und zu Berlin, soll er nun endlich gezogen werden. Würden die Schlossgegner mit ihrer Hinhaltetaktik durchkommen, hätten sie geschafft, was Walter Ulbricht nur versucht hatte, als er das Schloss 1950 sprengen ließ. Der Abschied von der Geschichte, von diesem Teil der deutschen Geschichte, wäre besiegelt.


Zu solchen Absichten bekennt man sich natürlich nicht. Warum auch, wenn man hinter anderen Deckung nehmen kann. Seit dem erbittert geführten Streit um den Wiederaufbau des Goethehauses am Großen Hirschgraben in Frankfurt, seit mehr als 50 Jahren also, ist den Zeitgeistgerechten, denen das schlechte Neue lieber ist als das gute Alte, nicht mehr viel eingefallen. Man muss nicht unbedingt auf ihre Worte hören, die Betrachtung ihrer Werke genügt, um zu wissen, was von ihnen zu halten ist. Ein Mann wie Renzo Piano, der am Potsdamer Platz die Daimler-Chrysler-Gebäude errichtete, hat allen Grund, den Wettbewerb mit der älteren Architektur zu scheuen. Er weiß wohl selbst, dass er ihn nicht bestehen kann.


Noch überall, wo man sich über die Drohungen und Befangenheiten der Zeitgerechten hinwegsetzte und den Alten zu ihrem Recht verhalf, war das Ergebnis ein Geschenk an die Bürger. Ob man die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche nimmt, deren Ruine seinerzeit von den Sanierern beiseite geräumt werden sollte, die Dresdner Frauenkirche, um die sich die mit Abstand größte und stärkste Bürgerinitiative Deutschlands zusammengefunden hat, oder das Knochhaueramthaus in Hildesheim: immer standen die Einwohner und Benutzer gegen die Planer und Entwerfer. Und oft genug war schwer zu entscheiden, was am Ende überwog, die Freude über die Auferstehung der alten, wohl proportionierten Formen oder die Erleichterung über das Verschwinden der funktionalen Barbarei, die vorübergehend an ihre Stelle getreten war.

Als sich die Stadt Augsburg dazu durchgerungen hatte, den Goldenen Saal ihres Rathauses wiederherzustellen, wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, der eine einzige Bedingung enthielt. Alles war erlaubt, nur nicht die Rekonstruktion des ursprünglichen, frühbarocken Zustandes. Rückschauend erwecken die Entwürfe, die sich wohl oder übel an diese Auflage halten mussten, Gefühle wie bei der Betrachtung von Piranesis Gefängnisbildern, den Carceri: Nur da nicht leben müssen! Was sich die Wettbewerber damals hatten einfallen lassen, macht ohne jeden Kommentar verständlich, dass sich am Ende genau der Plan durchsetzte, der zunächst als einziger ausgeschlossen worden war. Heute sind die Augsburger und ihre Besucher glücklich, auf die schnell verderbliche Moderne verzichtet zu haben.


In Berlin sollte man daraus lernen. Man sollte sich an den Grafen Ferraris erinnern, den früheren Botschafter Italiens, der den Deutschen auf die Frage, welchen Schlossarchitekten er ihnen empfehlen würde, die Antwort gab: "Nehmt Schlüter. Einen Besseren werdet ihr so bald nicht finden."

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