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Autor Mitteilung
Christian
Mitglied

Beiträge: 114


Gesendet: 19:09 - 08.08.2004

Hansestadt Rostock

Um das heutige Stadtbild Rostock nachvollziehen zu können ist es notwendig einen kurzen Blick auf die Phase des Zweiten Weltkrieges und den Wiederaufbau Rostocks zu werfen.


Zerstörungen und Wiederaufbau

Der erste Angriff auf die Stadt erfolgte sehr früh. Bereits im September 1941 führten britische Bomben kleinere Schäden herbei. Im darauf folgenden Jahr wurden bei ersten Flächenbombardements weite Teile der Innenstadt sensibel getroffen. In den Folgejahren erfolgte keinerlei statistische Erfassung der Kriegsschäden. Schätzungen gehen von einem Totalwohnungsraumverlust von circa 25 Prozent für die Gesamtstadt aus, 50 Prozent der ehemals ummauerten Altstadt waren völlig zerstört.

Endlose Planungen nach dem Krieg führten aufgrund ökonomischer Mängel zu keinerlei Bauaktivität in Rostock (außer notdürftigen Instandsetzungen) bis etwa 1949. Unter diesen Planungen war alles, was man sich vorstellen konnte und in anderen Städten Deutschlands auch durchgesetzt wurde: von der durchgrünten aufgelockerten Stadt bis hin zu den traditionalistischen Konzepten, die sich stark an den alten Strukturen zu orientieren hatten: "alles Neue, insbesondere in der geschützten Umgebung der Baudenkmale, (sei) im traditionsgebundenen, ausgesprochen hansisch-norddeutschen Stadtbildes" zu errichten.

Nach dem Flächennutzungsplan von 1952 und dem Aufbauplan von 1951, welche die "Sechzehn Grundsätze des Städtebaus" (Stadt ist primär bestimmt durch Plätze, Hauptstraßen, Magistralen und sonstige städtebauliche Dominanten) inkludierte erfolgten erste Baumaßnahmen des Wohnungsbaus 1951 in einem flächenhaft total zerstörten Bereich in der Nähe der Langen Straße. Dabei handelte es sich in der Regel um drei- bis viergeschossige Putzhäuser mit Satteldach, die vereinzelt mit Ornamenten versehen wurden.

Trotz des vorliegenden Bebauungsplans für die Hauptstraße der Altstadt, der Langen Straße, der vorsah die nicht zerstörte Bausubstanz in die Neubebauung zu integrieren, legte Walter Ulbricht 1953 den Grundstein für die Errichtung einer Magistrale, die die Rostocker Altstadt seitdem in zwei Hälften teilt. Bemerkenswert ist, dass diese sich auffällig detailreich darstellt und man es durchaus (rein architektonisch) als ein heroisches Ensemble (neo-)hanseatischer Baukunst betrachten kann. Strukturell ist sie eher eine mittlere Katastrophe, da sie an ihren Enden jeweils im urbanen Nichts mündet und nur wenige Durchgänge zur Stadt dahinter bereithält.

In den Folgejahren waren nur einigen wenigen Baudenkmälern, selbst den Kirchen nur bescheidene Denkmalschutzmaßnahmen zugedacht. Zudem führte die völlig illusorische Forderung, dass bis 1962 alle Kriegsspuren aus den Zentren der Städte der DDR zu entfernen seien zu massiven Abrissen.


Stadtbild

Insgesamt kann man festhalten, dass der Wiederaufbau Rostocks ein Ergebnis der Fünfziger und seit der Wiedervereinigung auch ein Ergebnis der Neunziger Jahre darstellt. Überall in der Innenstadt bemerkt man den konservativen Willen, der sich in den (frühen) Wiederaufbauplänen widerspiegelt. Selbst die 600m lange Magistrale der Langen Straße gliedert sich architektonisch auf wundersame Weise in die noch vorhandenen historischen Straßenzüge ein. Bei meinem letzten Besuch in Rostock hatte ich die ganze Zeit das Gefühl mich in einer historischen, gut wieder aufgebauten aber dennoch "unfertigen" Stadt zu befinden, die Vieles erhalten und auch Dauerhaftes geschaffen hat. Besonders störend wirken sich allerdings bereits realisierte oder in Ausführung befindliche Bauprojekte der letzten Jahre auf das Gesamterscheinungsbild der Innenstadt aus. Sämtliche Anklänge zu einem hanseatischen Stil in Backstein zurückzufinden und eine die Stadt prägende Sensibilität aufrechtzuerhalten müssen als gescheitert betrachtet werden.

Quelle: Beyme, Klaus von u.a. (Hg.): Neue Städte aus Ruinen. Deutsche Städte der Nachkriegszeit. München: Prestel 1992.


Blick auf die zerstörte Rostocker Altstadt

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Quelle: www.bildindex.de


Neuer Markt, im Hintergrund St. Nikolai
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St. Nikolai
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Neuer Markt, Giebelhaus
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Neuer Markt, Barockrathaus, im Hintergrund die gotischen Zinnen des alten Rostocker Rathauses
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Neuer Markt, Blick in die Kröpeliner Str.
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Kröpeliner Str.

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Ensemble der Langen Straße
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St. Nikolai von der Langen Straße aus gesehen
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Altstadtgassen
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Rostocker Ständehaus
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Christian
Mitglied

Beiträge: 114


 

Gesendet: 19:14 - 08.08.2004

Die Kirche, die auf den Bildern zu sehen ist, ist natürlich nicht St. Nikolai, sondern St. Marien, sorry.
Rösch
Senior-Mitglied

Beiträge: 343


 

Gesendet: 19:19 - 08.08.2004

@Christian
Danke, fürs erste sehr eindrucksvoll.

Hast du eine Vorstellung/Ahnung ob und wieviel nach dem Krieg rekonstruiert oder in freier Anlehnung traditionell aufgebaut wurde? Der erste Eindruck blendet zumindest eventuelle modernistische Bausünden aus.
Christian
Mitglied

Beiträge: 114


 

Gesendet: 22:06 - 08.08.2004

@Rösch
Es gibt noch rund ein Dutzend erhaltender historischer Straßen, die älter sind als Historimus. Wenn einzelne Gebäude ersetzt wurden (aus welchen Gründen auch immer), dann geschah dies immer einfühlsam (bezogen auf die Innenstadt): Am neuen Markt wurden alle Häuser rekonstruiert, die auf den Photos zu sehen sind. Die Giebelhäuser links (nicht auf den Photos) sind schlichter aber passen sich hervorragend ein. Es gibt sogar Versuche in moderner Form hanseatische Elemente aufzunehmen (im Gegensatz zur Langen Str., die ja strukturell modern, architektonisch aber historisierend ist). Die Spannweite zwischen Anlehnung und Rekonstruktion ist groß. Vielerorts gibt es auch kleinteilige Giebelhäuser in backsteinernder Plattenbauweise, die aber wesentlich besser aussehen, als alles, was nach 1990 gebaut wurde. Stichwort: Kaufhof - Architektur. Schwarze Fenster und Front :-(
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 22:52 - 08.08.2004

Da sieht man wieder: Reko oder nicht, nicht allein das ALter, sondern die Wirkung zählt!
PeterBerlin
Bronzenes Premium-Mitglied

Beiträge: 584


 

Gesendet: 23:33 - 08.08.2004

Die Kröpeliner Strasse sieht einfach klasse aus. Besonders toll find ich auch die, die so etwas bergauf geht und frisch saniert aussieht. TOLL! Weiss jemand, wie die heisst?

Übrigens ist der Marktplatz von Rostock auch klasse.
PeterBerlin
Bronzenes Premium-Mitglied

Beiträge: 584


 

Gesendet: 23:37 - 08.08.2004

PS
es gibt in Mecklenburg und in Pommern überhaupt klasse Städte (ich mag diese Doppelnamen nicht.) In Mecklenburg Wismar, Schwerin, Rostock (alle drei Klasse), und in Pommern Stralsund. Stralsund ist traumhaft !!!!
Roy Batty
Mitglied

Beiträge: 133


 

Gesendet: 02:59 - 09.08.2004

@ PeterBerlin

Stralsund ist, wie ich finde, die schönste. Rostock beitet sehr vieles, manches kann einem aber auch weh tun. Die Lange Straße z.b. hätte wunderschön werden können; eine längliche Ausrichtung mit richtigen hanseatisch-norddeutschen Bautraditionen. Stattdessen ein etwas unglücklicher Flachdachriegel mit merkwürdig geratenen verzierungen, wenngleich großenteils mit Backstein(das genügt aber nicht!!). Dazwischen aber ein schöner backsteinverkleideter siebengeschossiger Wohnturm; garniert mit Giebel und einem Dachreiter auf dem hohen Dach(und dabei überhaupt nicht stilverrückt)...davon hätte man durchaus mehr haben können, in jenen ansonst düsteren Zeiten!

Mitte der Achtziger wieder ne chance; das Fünfgiebelhaus samt angrenzendes Viertel. Also von den Möglichkeiten und Materialien her...wirklich eindrucksvoll(was man mit vorgefertigten Platten so alles anstellen kann), aber auch wieder nicht wirklich passend in die Gegend. Von der Form her, also Mansardflachdach, wärs in einem Gründerviertel gut gekommen, aber nicht auf Altstadtboden. Aber die Richtung war schonmal gut; dowas kann man sich vormerken.
PeterBerlin
Bronzenes Premium-Mitglied

Beiträge: 584


 

Gesendet: 03:58 - 09.08.2004

@Roy
ja, stimmt, Stralsund ist absolut schön. Als ich da war, ich war hin und weg - die Stadt wirkt fast völlig unzerstört: eine heile Strasse nach der anderen, in eine deutschen Altstadt !!!! So traurig wie es ist, aber: Es ist eine Seltenheit....

Übrigens, unterschätz Wismar nicht. Tat ich selbst, weil der Name so nach garnix klingt, dachte ich auch: naja , wird wohl nicht so doll sein. Die Stadt ist der HAMMER. Fahr mal hin. Kann ich nur empfehlen. Mindestens so schön wie Stralsund. Wismar ist UNESCO Welterbe - zu Recht!

viele Grüße
Peter
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 04:12 - 09.08.2004

Kann ich Peter nur beipflichten. Wismar ist eine Wucht also los, auf nach Wismar !
Christian
Mitglied

Beiträge: 114


 

Gesendet: 11:07 - 09.08.2004

Also, ich finde die Innenstadt von Wismar schöner, als jene von Stralsund. Beeindruckender aufgrund der gigantischen erhaltenden Backsteinkirchen ist allerdings Stralsund.

Doch um zum Thema zurück zu kommen: Weder Wismar, noch Stralsund wurden zu mehr als 20 Prozent zerstört. Es ging mir mit dieser Rubrik darum ein Beispiel einer stark zerstörten Stadt aufzuzeigen, die trotz größter finanzieller Not und DDR ein gelungenes Beispiel für die städtebauliche Kontinuität ihrerselbst darstellt.

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