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 Forum Index —› Architektur allgemein —› Rekonstruktion des Knochenhaueramtshaus Hildesheim
 


Autor Mitteilung
Anonymous


Gesendet: 19:27 - 24.03.2003

Dieses wunderschöne Fachwerkhaus wurde erst Ende der 80er Jahre rekonstruiert und ist ein wunderbares Beispiel dafür, daß man theoritisch jedes Gebäude wiedererstehen lassen kann. In diesem Zusammenhang seien auch die Würzburger Residenz und die Dresdner Frauenkirche erwähnt (Weit umfangreichere Rekonstruktionen, aber dieses ist das beste Beispiel für ein mittelalterliches Stadthaus).

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Knochenhaueramtshaus


Zunächst fällt der merkwürdige Name dieses Gebäudes auf. Knochenhaueramt nannte sich die Fleischergilde im 16. Jahrhundert. Das Knochenhaueramtshaus ist also das Gildehaus der Fleischer. Es war ursprünglich eins von drei Häusern der Fleischergilde in Hildesheim. Dabei sollte das Ansehen der Fleischer durch die Höhe des Giebels dokumentiert werden.
Mit 26 m Höhe sollte er sogar den Amtssitz der Stadtväter überragen. Auch die reich gestalteten Fassaden dienten dem Repräsentationsbedürfnis der Fleischer. So kam es zu diesem einzigartigen Bau, der als das schönste Holzhaus der Welt gilt. Es steht am Marktplatz von Hildesheim und wurde im Jahr 1529 gebaut - eine künstlerische Meisterleistung der Spätgotik. Im Zweiten Weltkrieg am 22. März 1945 zerstört, wurde es erst ab 1986 wieder aufgebaut. Um den Originalzustand zu erreichen, verwendete man teilweise die alten Materialien, die im weiten Umkreis beim Abbruch entsprechender Häuser gesammelt wurden. Auch handwerklich wurde im traditionellen Stil gearbeitet: 400 Kubikmeter Eichenholz wurden in über 4.300 Verbindungen mit ca. 7.500 Holznägeln zusammengefügt.

Grundlage für die Rekonstruktion waren Fotos die glücklicherweise vorhanden waren. Sie konnten mit Hilfe der Fotogrammetrie als Planungsunterlagen verwendet werden. Auch gab es noch Unterlagen und Ansichten aus verschiedenen Zeiten.

Besondere Schwierigkeiten machte die Statik des Giebels. Denn sein ganzes Gewicht lastet auf den Auskragungen, die insgesamt bis zu 2,40 m vorspringen. Hier war traditionelle Technik nur schwer mit den statischen Vorgaben von heute zu vereinbaren.

Beim Dach konnte man auf 150 Jahre alte Ziegel zurückgreifen. Die Pfannen waren von Hand gemacht und waren daher verschieden groß. Auch die Schnitzereien an der Fassade konnte man nach alten Vorlagen rekonstruieren. Daß es zur Zeit des Baus derb zuging, ist hier deutlich zu erkennen. Am rechten Portalpfosten ist ein nackter Hintern zu sehen, auf den auch noch eine Hand zeigt. Zusammen mit einem Gesicht, nur wenig tiefer, das dem Betrachter die Zunge herausstreckt, kann man sich ein Götz-von-Berlichingen-Zitat zusammenreimen. Ob man die Künstler damals zu schlecht bezahlt hatte? Oder hat man ihnen zu sehr ins Handwerk gepfuscht?

Aus neuerer Zeit stammen die Bilder auf den Windbrettern oberhalb der Fenster. Sie wurden ab 1853 von Georg Bergmann gemalt. Das Kartonmodell ist auch hier originalgetreu und läßt wie bei den Schnitzereien trotz der Verkleinerung noch die Details erahnen.

Und das Gebäude stand da an gleicher Stelle früher:
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Oliver
Senior-Mitglied

Beiträge: 491


 

Gesendet: 19:49 - 24.03.2003

Sieht schön aus.
Das Knochenhaueramtshaus!
Viel besser als dieser trostlose
Kasten !

Jörn
Mitglied

Beiträge: 158


 

Gesendet: 18:07 - 07.08.2003

Einfach weltklasee! Hoffen wir das immer mehr Leute auf den geschmack kommen!
Die vorher nachher Bilder machen es mal wieder besnders deutlich wie, wichtig Rekonstrucktionen für eine Innenstadt sind und wie schön und stimmig es wirkt!
H. C. Stössinger
Senior-Mitglied

Beiträge: 422


 

Gesendet: 12:13 - 08.08.2003

Toll! Scon mal im www.bildindex.de ein bisschen gestöbert, und gesehen was Hildesheim noch so alles verloren hat? --- Uiuiuiui.....

Wenn eine Stadt nicht zur Ami-Skyline verkommen möchte, sollte sie sich schon erinnern, was die Baugeschichte der Stadt an Identität geschenkt hat.
rinascente
registriert

Beiträge: 1


 

Gesendet: 19:09 - 08.08.2003

Diese Wiedererstehung schöpft ihre Qualität aus der Verwendung erprobter und sich geziehmender Baustoffe, die handwerklich verarbeitet wurden.
Die wiedererstehende "Stari most" in Mostar wird auch wieder aus dem regionalen Steinmaterial mit einer Art Kalk / Trass mörtel wiedererrichtet und wird dadurch wieder zu einem Zeugnis unvergänglicher Baukultur, wie sie es, errichtete man sie aus Beton /Zement mit Steinverkleidung niemals werden würde. Bauschäden hervorgerufen durch das neutzeitliche und dafür nicht geeignete Materal stellten sich ein.
Wie das das zur Gestalt gewordene Knochenhaueramtshaus zeigt, gibt es Richtigkeiten in der Materialität die zwar modifiziert, aber nicht umgangen werden können
(Wem zum Weinen zumute ist sollte ein wenig in den "Kriegsschicksalen deutscher Städte"blättern; Hildesheim hat viel verloren)
In den letzten 40-50 jahren wurde viel vertan und versäumt und es liegt an uns sich der Qualitäten zu besinnen!
Die Geschichte ist auf unserer Seite, denn sie bemißt die Zeit nicht in Jahrzehnten, sondern in Jahrhunderten
Mögen wir aus vertanenem und versäumten erkennend dem Lichte zuschreiten!
JinStuttgart
registriert

Beiträge: 21


 

Gesendet: 23:24 - 08.08.2003

Wißt ihr eigentlich, warum die Fachwerkbalken derart resistent sind und über die Jahrhunderte halten?

Sie wurden früher mit Ochsenblut getränkt. Das sieht man den entsprechenden Balken auch an, sie sind leicht rostbraun verfärbt.

Heute wird man adäquaten Ersatz gefunden haben.
F. Schinkel
Mitglied

Beiträge: 119


 

Gesendet: 09:24 - 10.08.2003

Ein weiteres holzschützendes Mittel war früher das Bleiweiß.
Dieses Mittel schützte das Holz vor Insekten- und Pilzbefall! Seit einigen Jahrzehnten ist Bleiweiß, wegen der sehr hohen Giftigkeit während des Verarbeitens (streichen), nur noch in Ausnahmefällen und auch nur für Baudenkmäler zulässig!
Für den Otto Normalverbraucher ist das Mittel verboten worden und auch nicht mehr erhältlich.
Oliver
Senior-Mitglied

Beiträge: 491


 

Gesendet: 01:08 - 31.03.2004

Hallo Leute !
Habe mal heute einen Abstecher Richtung
Hildesheim gemacht und natürlich auch
das "neue" Knochenhaueramtshaus
begutachtet. Die Stadt selbst ist leider
eine trostlose Betonwüste, bis auf
den Marktplatz mit dem Rathaus, dem
Knochenhaueramtshauses und noch einigen
anderen Gebäuden.
Sehr nett eigentlich !
Im übrigen, ist die Reko in natura
noch viel schöner als das Foto hier
ganz oben.

Die rechte Fassadenseite ist übrigens
leicht dem zeitlichen Geschmack
angepasst. Von weitem sieht es genau
so aus wie im Mittelalter, doch tritt
man dort näher heran, so erkennt
man Fratzen und Bilder, die so gar
nicht ins Mittelalter passen. Es
sind welche aus unserer Zeit.
Sehr schön !
Ach so, innen drin ist eine Gaststätte,
welche sehr wahrscheinlich keine
Reko ist, wo aber sehr viele helle
dicke Holzbohlen zum Einsatz kamen.
Mir gefällt es !
Bewacher
Mitglied

Beiträge: 215


 

Gesendet: 17:23 - 01.04.2004

"Die Stadt selbst ist leider
eine trostlose Betonwüste, bis auf
den Marktplatz mit dem Rathaus, dem
Knochenhaueramtshauses und noch einigen anderen Gebäuden."


Das halte ich für übertrieben - ich war zweimal dort und habe sehr viele nette Ecken entdeckt... Auch wenn nicht zwingend zwischen dem Bahnhof und dem Marktplatz, sondern etwas weiter versteckt (z.B. in der Gegend um den Dom).

Ein Linktipp:
http://www.hildesheim.de/touristinfo/sehenswuerdigkeiten/hi_sehensw.html

"Die rechte Fassadenseite ist übrigens leicht dem zeitlichen Geschmack angepasst. Von weitem sieht es genau so aus wie im Mittelalter, doch tritt man dort näher heran, so erkennt man Fratzen und Bilder, die so gar nicht ins Mittelalter passen. Es sind welche aus unserer Zeit.
Sehr schön !"


Eben! Wenn man sich bemüht, kann man auch mit der modernen Kunst auf den Fassaden ansehnliche Ergebnisse schaffen - was ohne Fassadenkunst so gut wie nie gelingt.

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