Architectura Pro Homine - Forum für Klassische und Traditionelle Baukunst - www.aph-forum.de.vu

    

 · Home · Impressum & Datenschutz · Suche

Seiten mit Postings: 1

zum Seitenende

 Forum Index —› Diskussion —› Gedanken VON Architekten ÜBER Architektur
 


Autor Mitteilung
Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


Gesendet: 03:37 - 11.04.2004

Erstes Beispiel:

Auszug aus der Architekturphilosophie des Büros Léon Wohlhage Wernik:

"Der mehrdeutige Raum

Für den Außenraum wie für den Innenraum gilt gleichermaßen: erst seine Unbestimmtheit, seine Mehrdeutigkeit macht ihn brauchbar. Durch seine ikonografische „Unbesetztheit“ kann ihm jeder einzelne ein Thema geben, durch eigene Projektionen Bedeutung verleihen und ihn sich über die reine Nutzung hinaus aneignen.

Mehr denn je bestehen zeitgenössische Gebäude lediglich aus einer Hülle und dem Leerraum. Ihre Inhalte wechseln, ihre Nutzer bleiben dem Architekten unbekannt. Die Städte sind als Additionen von rentablen Mietflächen zu lesen.

Die Forderung an die Architektur lautet, mit dem Gebäude nicht mehr als eine „neutrale Individualität“ zu generieren. Sie darf nicht in Widerspruch geraten zu einem künftig noch auszuphantasierendem Inhalt. Die Gebäude sind semantisch entkleidet, ihre Fassaden bildlos und ihre Innenräume leer."

-------------------------------------

Ist die ikonographische Unbesetztheit, Neutralität und Reduzierung von Architektur auf Hülle und Leerraum nicht im Grunde mit dem Ende der Architektur gleichzusetzen?
Was bleibt übrig? Was ist "Neutrale Individualität"? Ist sie ehrlicherweise überhaupt möglich ohne einen Bruch mit dem Prinzip der Entkleidung? Und genügt die Anwendung dieses Prinzips, um Vielfalt und besonders Nachhaltigkeit zu schaffen? Ich denke, besonders letzteres wird GERADE durch Architektur garantiert, die sich durch Bildhaftigkeit, gestalterische Individualität und einen "nutzungsunabhängigen" bzw. darüber hinausgehenden Wert auszeichnet.

Wie die Grundsätze des Büros in der Praxis umgesetzt werden kann man hier begutachten:
http://www.leonwohlhagewernik.de/index_ger.html

Vielleicht können wir hier weitere Architekten-Statements sammeln und eine Diskussion daraus entwickeln.
Bewacher
Mitglied

Beiträge: 215


 

Gesendet: 10:28 - 11.04.2004

Von der Website desselben Architekten, "Texte zur Planung":
http://www.leonwohlhagewernik.de/cms/index/43/

"(...)
Modell Bauteam

Seit langem ist in der Autoindustrie die integrierte Zusammenarbeit von Designern, Konstrukteuren, Finanzexperten, und Marketingfachleuten an der Tagesordnung.

Das Bauen dagegen läuft immer noch traditionell ab, ohne eine frühzeitige Integration aller Beteiligten.
(...)


Soweit ich weiß, die Autoindustrie versucht mit der Gestaltung die Masse der Nutzer anzusprechen - ohne des Nasenrumpfen, sowas wäre nicht "elitär" genug. Wenn die Architekten selber meinen, die Investoren der Immobilien sollten es ähnlich tun...

Bei Gelegenheit: Die letzte "Immobilien Zeitung" veröffentlicht in der Print-Ausgabe einige Visualisierungen des Faktory Outlet Centers am Ingolstädter Bahnhof. Schön! - Schade, daß ich keine Bilder im Web finden konnte... Es heisst auch im Text, die Architektur wäre anspruchsvoll - mit Details, Ornamenten, leichten Jugendstil-Anleihen ist sie eine gaaaaanz andere als die des zitierten Herrns...
Prokovjev
Stammgast

Beiträge: 73


 

Gesendet: 14:02 - 11.04.2004

Zitat:
Die Forderung an die Architektur lautet, mit dem Gebäude nicht mehr als eine „neutrale Individualität“ zu generieren. Sie darf nicht in Widerspruch geraten zu einem künftig noch auszuphantasierendem Inhalt. Die Gebäude sind semantisch entkleidet, ihre Fassaden bildlos und ihre Innenräume leer


Ich fühle mich erinnert an Packungen unbeschriebener CDs....dazu Unternehmenssprecher: Wir liefern nur das Medium, was Sie als Nutzer letztendlich daraufspielen ist Ihre Sache.
Dort entzieht man sich einer potentiellen rechtlichen Haftbarkeit ( Softwarepiraterie )..hier spricht man offen von Addition rentabler Mietflächen. Eine Gewinnmaximierungsmaxime. Der Übergang zur Fließbandproduktion wird somit auch ideologisch nebulös.
Anderer Schluß daraus wäre allerdings auch sich vom Selbstbildnis als Künstler zu verabschieden und sich als Ingenieur zu erkennen zu geben
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 18:35 - 11.04.2004

Herr Wohlhage widerspricht sich. Er selbst entwirft Gebäude. Egal wie bildlos sie auch aussehen mögen, da diese existieren und wir sie sehen können, haben wir ein Bild davon vor Augen. Was wir sehen, das sehen wird. Dies kann niemand abstreiten. Auch kein Herr Wohlhage. Er glaubt also, dass sein Gebäude, welches er entworfen hat, gar nicht existiert. Warum hat er es dann eigentlich gebaut ? Genauso gut hätte er uns sagen können, wir sollen in die Luft sehen und uns selbst irgendwelche Gebäude vorstellen. Oder wir sollen die Augen schließen und uns Gebäude vorstellen. Das hat doch nichts mit Architektur zu tun. Architektur erzeugt immer ein Bild und es geht darum, um welches es sich letztlich handelt. Eines steht jedenfalls fest. Es gibt keine neutrale Individualität in der Architektur und vielleicht auch bei anderen Dingen nicht. Herr Wohlhage hat gedacht, dass nur weil man 2 Worte zusammensetzen kann -> neutrale + Individualität <- und es sich halbwegs so anhört als wäre man gebildet, könne er diesen aus der Nase gezogenen Begriff erklären. Fakt ist, dass in der Architektur dieser Begriff nicht existiert.

Jetzt tut er es durch diesen Herrn Wohlhage aber er existiert als etwas unwahres zu seinem Bezug, der im Widerspruch seien Vollendung findet. Jedes Gebäude. Egal wie steril oder durchsichtig es aussehen mag, ist ein Bild, weil wir es sehen können. Und seine Bilder wirken sehr kalt und lieblos. Er versucht den Menschen mit angeblich intelektuellen Sätzen, diese zu verwirren um als gebildet und erhaben angesehen zu werden, damit man sich denkt, dieser drückt sich wirklich gut aus, dann hat er auch bestimmt recht aber dies ist nicht so. Er konzentriert sich mehr darauf Wortverwirrungen anzustiften, den Menschen mit Sprache etwas vorzutäuschen und dabei ist das worum es geht, die Architektur, jene von der er ablenkt. Seine Fassaden sind wahrscheinlich die Worte, mit denen er diese erklärt. Davon werden diejenigen, die daran vorbeilaufen müssen und die es sehen auch nichts davon haben, wenn sich diese Worte nicht ein jedwedes mal in sie hineingebrannt haben.

Ich hoffe, ihr versteht was ich sagen wollte, denn daran zweifel ich nicht. Denn was ich geschrieben habe, dies hat er getan. Er ist einfach widersprüchlich.
Pilaster
Stammgast

Beiträge: 97


 

Gesendet: 10:04 - 12.04.2004

Was fuer Deutschland gilt geht, jedenfalls teilweise, auch im Ausland um. Architekten ueber Architekten? Die lieben einander doch, trotz der Konkurrenz!

Seht doch mal, was fuer traurige, unattraktive Kisten die begehrten DESIGN AWARDS

http://sfgate.com/cgi-bin/article.cgi?f=/c/a/2004/04/11/CMG6Q5KTAO7.DTL

der San Francisco Architekteninnung 2004 gewonnen haben! Abgesehen von zwei sehr teuren (und wirklich wunderbar gelungenen) Rekonstruktionen/Rehabilitierungen--das Haupthaus am SF Hafen und ein Unigebaeude in Berkeley--sehen wir da in erster Linie hoechst ungrazioes wirkende, fuer mich abstossende Bauten mit schiessschartenaehnlichen Fenstern und "eigenwillig" versetzten aber im Grunde langweiligen Fassaden. Hier ist also auch noch die verkehrte Gattung am Werke.

Die Bilder lassen sich durch Mausklick vergroessern.
Bewacher
Mitglied

Beiträge: 215


 

Gesendet: 06:43 - 13.04.2004

"Anderer Schluß daraus wäre allerdings auch sich vom Selbstbildnis als Künstler zu verabschieden und sich als Ingenieur zu erkennen zu geben"

Natürlich sollte man es, zumal die Architekten ja de Facto Ingenieursdiplome bekommen und die Fakultäten oft an den Technischen Hochschulen - nicht an den Kunstakademien - angesiedelt sind! (*) Es gibt auch andere Ingenieure, die was gestalten müssen, z.B. die Softwareingenieure - die Masken der entwickelten Programme. Dies muß man (was ich aus eigener Berufserfahrung kenne) so tun, daß es den Kunden zusagt und nicht von einer "semantischen Entkleidung" quasseln, wo man weiß, daß die Kunden sich bunte Bitmaps auf den Buttons wünschen würden - so "unelitär" es auch vorkommen mag...

-----------------------
(*) Vor dem Informatikstudium habe ich an derselben TU noch Bauwesen beendet - wenige Jahre nachdem man die wachsenden Fakultäten für Bauwesen und Architektur überhaupt aufgeteilt hat. Früher war es eine gemeinsame Fakultät...
Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


 

Gesendet: 04:53 - 17.04.2004

Andreas G. Hempel, 1. UIA-Vizepräsident

Auszüge aus
"Architektur als Baukunst und werthaltige Ressource"


Kitik an historisierender Architektur:
"Allem historisierenden Nachempfinden ist ein detailversessener Hang zum Dekor, zum Schmuck der Oberfläche mit Emblemen der jeweiligen Epoche zu eigen. Da die Strukturen geistiger Wirklichkeiten, die der noch nicht materialisierten Innenwelt entsprechen, künstlerisch nicht zeitgemäß interpretiert, sondern nur historisierend nachempfunden werden, entsteht Spannungslosigkeit."



Wo bleibt denn die Spannung in einer Architektur, die nicht einmal mit der beschworenen zeitgemäßen Interpretation von Dekor, Oberflächenschmuck und Emblemen aufwarten kann, sondern JEGLICHE Auseinandersetzung mit diesen Elementen scheut? Stattdessen findet ein Rückzug auf die althergebrachte Position des Anklägers statt, der eine historisierende Tendenz, gleich welcher Art, verurteilt - ohne die es im übrigen Epochen und Baustile wie Renaissance und Klassizismus, die sowohl historisierendes Nachempfinden wie auch zeitgemäße Interpretation miteinander verbanden, nie gegeben hätte. Sind wir zu einer solchen Symbiose, die eine enorme neue Kreativität freisetzen könnte, heute nicht mehr fähig, oder - wie man den Äußerungen entnehmen muß - einfach nicht willens?


"Eine Architektur des genius loci ist nicht durch architektonische Verstatzstücke aus dem Folklore-Depot zu erhalten. Ganz im Gegenteil, es ist wie mit der Musik, die heute jeden Menschen überall berieselt - am ende findet man deren Abwesenheit - also Ruhe - am schönsten."

Ich weiß nicht welche Musik Herr Hempel hört. Vielleicht wäre mal etwas klassische Musik angebracht? Die berieselt nicht und kann sogar beruhigend wirken.
Die Gleichung "Abwesenheit von Ornamentik=Ruhe" ist ohnehin ebenso überholt wie unsinnig.



Quelle:http://www.bda-architekten.de/arch/bda/pdf/bs/rede/AGH_Architektur_als_Baukunst.PDF

Seiten mit Postings: 1

- Gedanken VON Architekten ÜBER Architektur -

zum Seitenanfang



 Forum Index —› Diskussion —› Gedanken VON Architekten ÜBER Architektur
 



Version 3.1 | Load: 0.002774 | S: 1_2