Ich möchte gar nicht parteipolitisch werden, ansonsten - wenn die Medien allzuleicht ein primitives 08/15-Glaskästchen zum "Zukunftssymbol" erklären, kann man sich nicht wundern, daß auch viele Bürgermeister, Fraktionschefs usw. sich "verrückt machen" lassen. Ich glaube nicht, daß sie böswillig handeln - und ich kann auch verstehen, daß die bei der Fülle der Themen der Kommunalpolitik nicht immer die Zeit haben, sich mit der Architektur so eingehend zu beschäftigen, um die Leere mancher gängigen Sprüche zu erkennen.

Umso mehr müsste "irgend jemand" die Mühe investieren, das Bild zurechtzurücken...

Da es hier zu politisch werden könnte nur zwei Sätze.

Politiker ruhen sich in der Tat in ihren Positionen aus - und Rot-Grün liebt nun mal diesen Beton-Acker "Neu-Altona" und bezeichnet Fassadenornamentik, Türmchen und Säulen als bürgerlichen Kitsch!

Es herrscht immer noch dieses pseudofuturistische Bild des 20. Jahrhunderts vor: aalglatt und glänzend, weiträumige (verwahrloste) Grünanlagen; erst wenn dieses Bild endlich aus den Köpfen der Menschen wieder verschwindet, werden wir schönere Städte sehen!

"Politiker ruhen sich in der Tat in ihren Positionen aus - und Rot-Grün liebt nun mal diesen Beton-Acker "Neu-Altona" und bezeichnet Fassadenornamentik, Türmchen und Säulen als bürgerlichen Kitsch!"

Um nicht in parteipolitische Klischees zu verfallen - in Düsseldorf setzt sich niemand so energisch für die der historischen Umgebung angepassten Fassaden der Innenstadt (vor allem im "Bankenviertel", in der Karlstadt, in der Kö-Gegend) wie die Ratsfrau M.Enke von den Grünen - während ein Ratsherr von der CDU immer wieder für Vollglas ist! (Ich habe es hier öfters besprochen). Wenn es in Hamburg gerade umgekehrt ist, schreiben Sie doch an die dortigen Grünen, loben das Düsseldorfer Beispiel und fragen die Hamburger Grünen, was die dazu meinen...

Du hast natürlich recht, Bewacher. Es ist verführerisch, sich bei Klischees zu bedienen.

Ein Kernpunkt grüner Politik ist die Schaffung von menschenwürdigeren Umfeldern und Lebensbedingungen. Dabei konzentrieren sie sich aber zu sehr auf den Löwenzahn vor der Haustür und weniger auf Fassadenschmuck, den ja keiner mehr bezahlen kann (*jammer*) und niemand mehr braucht (anachronistisch!) Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.

Es ist aber das Triumphirat Politiker-Bauherr-Architekt, das schuldig ist. Neu-Altona haben Oberbaudirektion Hamburg und Neue Heimat ausgeheckt. Mit dem Ruf nach Freiheit in der Kunst setzen uns Architekten alles vor die Nase, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Und die Ämter nicken es ab - ob es den Bürgern gefällt oder nicht. Der Einspruch der Bürger kann zwar im Vorfeld ein Bau-Projekt stoppen, nur erfährt man immer erst viel zu spät von einem Neubauprojekt bzw ist die Gleichgültigkeit der Bürger zu groß. Die in Beton gegossene Nachkriegsblüte hat zu diesem Desinteresse geführt. Ich denke, erst wenn man den Bürgern wirklich ernsthafte Alternativen in Architektur und Städtebau anbietet, werden sie auch wieder bereit sein, sich mehr zu engagieren. Und da darf man nicht allein auf die Bauherren vertrauen, da sind die Politiker gefragt, sie müssen ihre Wähler endlich mal fragen, was ankommt, und was nicht - und dies dann auch umsetzen.

Und es ist auch die allgemeine Simmung im Land. Jeder denkt nur noch an sich selbst. Eine Aufbruchstimmung wie damals in den Gründerjahren bräuchte das Land ganz dringend. Dass man wieder mehr bereit ist, für seine Stadt auch etwas zu tun. In diesem Zusammenhang fällt mir der Hamburger Unternehmer Achim Becker ein. Er baut z.B. keine gläserne und abweisende Trutzburg, sondern schenkt mit seinem schmucken Neubau in Hamm den Hamburgern außerdem ein Glockenspiel.

Zwei Neubauprojekte in Hamburg:


Ohne Bürgerbeteiligung: Bürohaus am Fischmarkt

[Link zum eingefügten Bild]



Mit Bürgerbeteiligung: Büro- und Geschäftshaus in Hamm

[Link zum eingefügten Bild]

Vielleicht weckt ja das zweite Bild das eine oder andere triefende Gemüt.

"Der Einspruch der Bürger kann zwar im Vorfeld ein Bau-Projekt stoppen, nur erfährt man immer erst viel zu spät von einem Neubauprojekt bzw ist die Gleichgültigkeit der Bürger zu groß."

Damit man über die wichtigsten Planungen as-soon-as-possible erfährt, habe ich extra den Rhein-Ruhr-Thread angelegt - und unter "Stadtplanung in FFM" versuche ich auch, die Infos über die Frankfurter Planungen weiterzuleiten. (Könnte noch jemand mitmachen? )

Die Gleichgültigkeit der Bürger - können wir irgend etwas dagegen tun? So ganz schlimm ist es wohl doch nicht - als man im Jahre 1999 Anregungen zur Gestaltung der Gegend des Essener Berliner Platzes einreichen durfte, war ein großes Veranstaltungszelt voll. Zugegeben - ich habe auch Planungswerkstätte erlebt, wo einige Architekten fast "unter sich" waren...

ja, wer ist schuld an städtebaulichen fehlern?
einen teil der antowrt bekommt man, wenn man sich anschaut, wer in d. eigentlich am schlimmsten baut?
baut die frische familie ihr eigenhaus schlimm? wohl kaum. baut der kleine selbststänfige sein geschäftshaus schlimm? eher selten.

fast alle wirklich schlimmen gebäude in deutschland haben vier quellen:
- öffentliche hand
- banken
- versicherungen
- (restliche) großinvestorten (z.b. fondsgesellschaften)

die hauptschuldigen an der baulichen misere in deutschland sind diejenige, die in diesen vier bereichen das sagen haben.
damit ist die frage beantwortet.

ps: die argumentation mit parteien ist recht schwierig. es gibt schon die tendenz im linken lager, all das zu verhindern, was irgendwie bürgerlich oder repräsentativ sein könnte. es gibt aber eben so im (nur noch der bezeichnung nach) konservativen lager die tendenz, besonders "modern" erscheinen zu wollen, im notfall auch durch die unmöglichsten projekte.

Beim politischen Wahlgang verzeichnen wir eine gewisse Wahlmüdigkeit: "Ich gehe nicht hin, wem soll man denn Wählen?" ... "Die machen ja doch alle was sie wollen!" ... "Letztendlich machen doch alle das Gleiche - verändert wird sich ja doch nichts!" ... usw.

Eine schlimme Stimmung - aber vollkommen verständlich.

Beim Stadtbild das Selbe: "Die bauen ja doch was sie wollen." Man kann wählen zwischen Betonkiste und Glaskiste. Es gibt keine Alternativen, keine Gegenentwürfe anderer Baustile - und somit keine Motivation gegen Bauherren ins Feld zu ziehen.

Nur selten sträubt sich mal eine energische Bürgerinitiative wie kürzlich in Hamburg.

[Link zum eingefügten Bild]

(Der vollständige Artikel ist irgendwie weg!)

"die hauptschuldigen an der baulichen misere in deutschland sind diejenige, die in diesen vier bereichen das sagen haben.
damit ist die frage beantwortet."

Dann muß man halt nach Möglichkeiten und Wegen suchen, sie zu beeinflussen...

"Beim Stadtbild das Selbe: "Die bauen ja doch was sie wollen." Man kann wählen zwischen Betonkiste und Glaskiste. Es gibt keine Alternativen, keine Gegenentwürfe anderer Baustile - und somit keine Motivation gegen Bauherren ins Feld zu ziehen."

Nicht gegen Bauherren! - einfach die Investoren zu ansehnlichen Entwürfen zu bewegen. Argumente sammeln und zuleiten - zum Beispiel das mit den Kosten der Fassadenornamente - gestern habe ich -> hier extra von einem Artikel zitiert, wie viel eine Vollglas-Kiste in Köln kostet! Irgendwo habe ich mal von einer Kostensteigerung um ca. 20-25% bei manchen ausgefallenen dekonstruktivistischen Entwürfen gelesen...
Die reich verzierten historischen Gebäude wurden ja auch oft von Investoren gebaut, die daran verdienen wollten!

Mal so eine Frage: Welche Erfahrungen habt Ihr mit den Gestaltungsbeiräten, die in immer mehr Städten eingerichtet werden? Gleich stellt sich die Frage, ob die dort anwesenden Architekten nicht den "modernistischen" Geist durchsetzen würden - wenn ich z.B. eine Vorschlagsliste aus Mülheim/Ruhr richtig interpretiere, sollten sich dort einfach 6 Architekten 7mal im Jahr treffen... ( -> "'Kleinkriege' oder das Eingabewesen..." )

"ja, wer ist schuld an städtebaulichen fehlern?
einen teil der antowrt bekommt man, wenn man sich anschaut, wer in d. eigentlich am schlimmsten baut?
baut die frische familie ihr eigenhaus schlimm? wohl kaum. baut der kleine selbststänfige sein geschäftshaus schlimm? eher selten."

War das ernst gemeint?

Dazu ein paar Bilder aus Niedersachsen:


http://www.startbilder.de/einzelbild.php?id=197924&quality=50&identifier=4aa9c415c2&maxpixel


http://www.startbilder.de/einzelbild.php?id=198008&quality=80&maxpixel=800&identifier=1b5b3674ec



http://www.startbilder.de/einzelbild.php?id=197852&quality=80&maxpixel=800&identifier=0e84cde61e


http://www.startbilder.de/einzelbild.php?id=197851&quality=80&maxpixel=800&identifier=543c2e7159


http://www.startbilder.de/einzelbild.php?id=197850&quality=80&maxpixel=800&identifier=754aec27db


http://www.startbilder.de/einzelbild.php?id=197854&quality=80&maxpixel=800&identifier=e69f832ff0


http://www.startbilder.de/einzelbild.php?id=197857&quality=80&maxpixel=800&identifier=2810c433d2


http://www.startbilder.de/einzelbild.php?id=197853&quality=80&maxpixel=800&identifier=15151e6bd2