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Autor Mitteilung
Rösch
Senior-Mitglied

Beiträge: 343


Gesendet: 02:58 - 09.03.2004

Die Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin und die Frauenkirche Dresden, zwei gegensätzliche Beispiele für den Umgang mit Kriegsruinen, welche Alternative erscheint Euch geglückter, welche wird der Erinnerung eher gerecht? Die sichtbare Wunde als Mahnung gegen Krieg und Zerstörung oder der Wiederaufbau als Zeichen für deren Überwindung? Oder erfüllen beide Wege diese Absichten gleichermassen?
patriot3
Stammgast

Beiträge: 51


 

Gesendet: 15:25 - 10.03.2004

Ich bin auf jeden Fall immer für rekonstuktion.

Beispiel Gedächtniskirche in Berlin

Ich glaube nicht viele Touristen die Gedächtniskirche anschauen. Oder wenn dann nur weil sie am Banhof aussteigen und dort vorbei kommen.

Vorschlag: originalgetreue Rekonstuktion der Kirche und der Gebäude in ihrer Umgebung.
Vor dem Eingang der Kirche ein Denkmal das an die Zerstörung erinnert.
Und in der Kirche ein Modell der zerstörten Kirche.

Ich glaube das würde "Preussens Gloria" mehr bringen.
Dies zeigt auch das sich in 60 Jahren viel verändert hat.

Als Abschreckung bringt die Kirche eigentlich auch nichts. Denn in Kriegen werden keine großflächigen Zerstörungen mehr gemacht sondern bestimmte Gebäude gezielt angegriffen.
Kai_2
Senior-Mitglied

Beiträge: 288


 

Gesendet: 15:53 - 10.03.2004

die gedächtniskirche hat meiner meinung nach nur sehr wenig mit "preußens gloria" zu tun (abgesehen vom inneren). die kirche wurde im stile der rheinischen romanik errichtet und das hat imo so gut wie gar nichts mit den eher kühlen, strengen preußischen gebäuden zu tun.
aber das romanische forum muss einst sehr schön gewesen sein - für einen wiederaufbau wäre ich sofort!
schade, dass man das bauhaus in dessau nicht als ruine erhalten hat...
patriot3
Stammgast

Beiträge: 51


 

Gesendet: 16:10 - 10.03.2004

Preußens Gloria wurde Berlin genannt
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 16:31 - 10.03.2004

"Und in der Kirche ein Modell der zerstörten Kirche."

Das wär doch Mal was ganz neues! Sonst ist es ja immer andersherum: In den Ruinen steht ein Modell der kompletten Kirche!
Eine Reko (Kirche UND Umgebung) wäre natürlich schön, aber ich könnte auch damit leben, wenn nur diese Eiermann (so hieß der doch?) Bauten wegkämen!

Ich fände schön, wenn man am Petriplatz den intakten Kirchturm wiederaufbauen würde, der nicht an die Zerstörung, sondern an die Kirche erinnert, anstatt nur den Grundriss in den Rasen einzulassen, wo ihn jeder übersieht.
Das gleiche wünsche ich mir für die Dorotheenstädtische Kirche: Wenn die Ami-Botschaft an den Pariser gezogen ist, sollte man den Platz davor (ehem. 1/2 Kirche, 1/2 Wohnhäuser; heute 1/2Parkplatz, 1/2"Mülldeponie") in einen Park umwandeln und auch dort den Turm der Kirche wiederhinstellen, einfach, damit man nicht mit abstrakter Kunst der Zerstörung gedenken braucht, sondern mit einer Turm-Reko dem Original!
Hans-Dominik Schwabl
Mitglied

Beiträge: 120


 

Gesendet: 18:51 - 10.03.2004

Die ganze Gegend der Gedächtniskirche ist ohnehin eine Katastrophe, da stört auch die Eiermann-Kirche nicht mehr. Ihr Innenraum ist durchaus stimmungsvoll, nur von außen ist sie viel zu ungegliedert. Wirklich sinnlos ist aber der zweite Turm neben der Turmruine. Eine Rekonstruktion der alten Kirche scheint mir nicht sinnvoll zu sein. Vielleicht gibt es in 20 Jahren, wenn die modernistische Anti-Architektur endlich zu Ende sein wird, einen Architekten, der es schafft, dem Eiermann-Bau eine bessere Außengestalt zu geben, und Kirche und alten Turm zu einer sinnvollen Verbindung zusammenzuschließen.
patriot3
Stammgast

Beiträge: 51


 

Gesendet: 20:28 - 10.03.2004

Beim Eiermann-Bau ist eh nichts mehr zuretten.
Einfach abreißen und die kirche rekonstruieren.
oder wie lang soll sie noch so aussehen ???
jeder weis dass im zweiten weltkrieg viele gebäude zerstört wurden also soll man retten was zu retten ist
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 20:33 - 10.03.2004

Soll man der Zerstörung so gedenken wie in Dresden, indem man das schwarze schwarz lässt und der Rest in hellem Sandstein (oder woraus die Gedächtniskirche auch besteht) erstrahlt. Aber der "Wasserklops" mus bleiben!
Kai_2
Senior-Mitglied

Beiträge: 288


 

Gesendet: 16:28 - 11.03.2004

ich stimme h.d.schwabl zu - der innenraum ist klasse, zumindest das licht. das mobiliar ist häßlich
Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


 

Gesendet: 05:53 - 21.08.2004

"...Verfechter einer puristischen Auffassung von Denkmalpflege sehen mit der Wiederkehr verschwundener Gebäude "Masken und Gespenster" aus den Gräbern auferstehen, die das Lebensrecht noch vorhandener "echter" Denkmale bestreiten. Anhänger eines politisierten Kunstbegriffs wollen in der Geschichte eine moralische Instanz erkennen, deren Einwirkungen auf Gebäude als "Lehre" zu verstehen und vor jeglicher Retusche der Nachlebenden zu schützen seien.

Keiner dieser Auffassungen ist es bisher gelungen, sich dauerhaft durchzusetzen oder gar "populär" zu werden. Von den Küsten bis zu den Alpen ist eine unübersehbare Vielzahl kriegszerstörter Gebäude ins Leben zurückgeholt worden - zum Teil in so perfekter Nachgestaltung, dass die Kopie das Original zu übertreffen scheint, wie im Fall des Knochenhaueramtshauses in Hildesheim. Oder als geschmäcklerische Neuinterpretation wie am Prinzipalmarkt von Münster. Oder unter sorgfältiger Präparierung von Schrunden und "Malen" wie jüngst am Reichstag in Berlin. Doch nirgends wollte nach der Fertigstellung noch jemand wissen, welche sehr spezielle "Aussage" die Fachleute mit der Eigenart ihrer Herangehensweise bezweckt hatten.

Exemplarisch für die Eckpositionen der Debatte sind die Beispiele aus Frankfurt am Main. Sie beginnen mit dem Versuch des Publizisten Walter Dirks, die Zerstörung des Goethehauses durch eine Fliegerbombe als Rache der Geschichte an einem "Ungeist" zu deuten, der angeblich von Goethe selbst ausgegangen sei. Wie schwer sich diese Sicht vermitteln ließ, zeigte allein die Tatsache, das sie der Autor gegen so prominente Befürworter der Rekonstruktion wie Thomas Mann, Hermann Hesse, Albert Schweitzer und William Faulkner verfechten musste - und unterlag.

Das zweite Beispiel aus Frankfurt, der Wiederaufbau der Paulskirche, zeigt einen anderen Schwachpunkt der Debatte: Rekonstruktionen werden nicht dadurch "ehrlicher", dass sie bruchstückhaft ausgeführt werden. Rudolf Schwarz, der große Nachkriegsarchitekt, hat sein Projekt einer "abgespeckten Paulskirche" in vielen eindrucksvollen Essays verteidigt. Für ihn war die "Majestät der Ruine", die ihn an das Kolosseum in Rom erinnerte, ein so erschütterndes Manifest wider den Krieg, dass er sie in der wiederaufgebauten Kirche fortleben lassen wollte. Aber die Animation ist missglückt. Die Abflachung des einst steil aufgetürmten Kegeldachs und die Nacktheit des Innenraums allein machen aus dem Rundbau noch kein Kolosseum. Dies weckt bei Geschichtskundigen allenfalls Erinnerungen an eine Notbehelfszeit, in der die Stadt Leipzig mit Ostzonennägeln aushelfen musste, damit die Frankfurter das Dach abdichten konnten. Getilgt aus dem Bau ist dafür jede Spur des vermutlich wichtigeren geschichtlichen Datums: der Paulskirchenversammlung. Die "Ehrlichkeit" hat aus der Kirche ein Falsifikat gemacht.

Das dritte Frankfurter Beispiel ist die Alte Oper. Mit 14,6 Millionen Mark Spenden und mit Enthusiasmus der Bevölkerung wurde 35 Jahre nach Kriegsende gegen zähe Widerstände verantwortlicher Politiker ihre Rekonstruktion durchgesetzt. Doch sie steht ebenfalls für Halbherzigkeit und Misslingen. Zwar wurde der festliche Bau von Richard Lucae in seiner architektonischen Prachtentfaltung für den Stadtraum zurückgewonnen. Verloren aber ist seine innere Großzügigkeit. Die Wiederaufbauarchitekten Braun & Schlockermann zerstörten die Treppenanlage und zogen niedrige Betondecken ein. Der Saal wurde als ungegliederte Holzschüssel gestaltet, die jede Assoziation an das Werk Lucaes unterdrückt.

Was angerichtet worden ist, mag vielen Frankfurtern erst bewusst geworden sein, als die beiden Konkurrenzprojekte - Schinkels Schauspielhaus in Berlin und Sempers Oper in Dresden - wiedereröffnet wurden. War in Frankfurt die Parole ausgegeben worden: Was weg ist, kann nicht neu geschaffen werden, so hatte man im anderen Teil Deutschlands den Nachweis erbracht, dass sich die historische Innenausstattung in einer Opulenz und Detailtreue zurückgewinnen lässt, die heute noch betört, selbst wenn dem Bauwerk - wie in Berlin - ein anderer "historischer" Saal als der originale implantiert wird. Bedient wurde in Frankfurt der Akademismus, in Dresden und Berlin die Publikumsfreude..."

Aus "Wer will schon "ehrliche" Gebäude?" von Dankwart Guratzsch, Die Welt
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 09:34 - 21.08.2004

Schön, dass das Mal jemand laut sagt bzw. schreibt!

Das habe ich auch dem Behnisch-Typen geschrieben: Die Philosophie, mit der all diese Architekten ihre missratenen Gebäude, seien es nun Glaskisten oder krit. Rekos, zu rechtertigen versuchen, interessiert den Ottonormal-Verbraucher nicht. Der sieht was er sieht!

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