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Autor Mitteilung
B. Szillis-Kappelhoff
Moderator

Beiträge: 756


Gesendet: 12:07 - 29.09.2007

Memelland, in der kurischen Landschaft Lamotina am Fluss Minge gelegen.
(vgl. Familienname Lamottke)


Etymologisch deutet der Name auf einen Handelsplatz. Das kurische Diminutiv -ul, -uls, -ullis weist auf eine eher geringe Bedeutung.

vgl. dazu
* preußisch-litauisch "prekius" = bieten, feilschen, Wert, Preis einer Ware


Landeskunde:
Vorgeschichtliche Funde um Prökuls herum sind belegt:
* im Luzener Forst (bearbeiteter Bernstein)
* bei Paßalteiken der Rago Kalnis, ein Burgwall nahe der Grenze zu Litauen
* 1 km westlich davon eine Schanze
* bei Sakuten eine prußische Burg
* bei Schutellen ein künstlicher Berg mit vielen Feldsteinen auf der Kuppe (wurde später von der Eisenbahnlinie durchschnitten)
* östlich von Stankeiten auf dem rechten Ufer der in die Minge mündenden Wewirze der Pabut Kalnis (Aufweckberg), ein Hauptwall mit Feldsteinmauer und Kohlen
* bei Szernen
* bei Wilkieten 1685 gefundene römische Münzen

Prökuls wird stets als "Kirch- und Marktort" bezeichnet. Da wo die Reichsstraße Nr. 1 die Minge überquert, liegt der Mingekrug, der 1511 als Krug "zur Minnige" beurkundet ist. Nach dem ersten Besitzer Georg Kuschel wurde der Platz jedoch auch Gerge-Kuschellen oder Molinnen genannt. Die Kruggerechtigkeit war mit dem Fährrecht verbunden, das 1850 erlosch, als eine Brücke gebaut wurde.

Das Memelland hatte während der Ordenszeit zwei der Landbevölkerung dienende Kirchen, nämlich die St. Nikolai-Kirche (spätere Landkirche oder Jako­buskirche) in Memel und eine Kapelle in Prökuls. Über das Gründungsjahr der Kirche ist nichts bekannt, nur dass der erste bekannte Prökulser Geistliche Caspar Radunius 1587 starb. Nach dem Abbruch dieser Kapelle wurde 1628 die jetzige evangelische Pfarrkirche gebaut, die 1885 nach einem gründlichen Umbau einen Turm mit Satteldach und einen spitzen achteckigen Reiter erhielt.

Im Kirchspiel Prökuls gab es Schulen in Aglohnen, Birszeninken, Deegeln, Dittauen, Drawöhnen, Gellszinnen, Lankuppen, Rooken, Sakuten, Schilleningken und Slutten.

1609 konnte ein französischer Söldnerhauptmann mit 100 Reitern und 300 Mann Gefolge ins Hauptamt Memel einfallen, die Gegend von Prökuls plündern, Bauern erschießen und verschleppen, ohne dass ihm jemand wehren konnte.
Die Bevölkerung war im wesentlichen kurisch-prußisch. Während der Wiederbesiedlung nach der Großen Pest wurden im Memelland litauische und szemaitische Neusiedler aufgenommen, lediglich in Prökuls setzte man drei Deutsche an. 1725 waren es bereits 21 Deutsche.

Zwischen 1720 und 1735 wurden in und um Prökuls drei Gefäße mit römischen Münzen ausgegraben.

Am 20.6.1757 fielen Kosaken in Nimmersatt und Karkelbeck ein und schleppten Menschen und Vieh mit sich fort. Das Amtsvorwerk Prökuls verlor 120 Kühe, 40 Stück Jungvieh und 600 Schafe. Pfarrer Wessel aus Prökuls wurde mit vielen Stichen und Hieben ums Leben gebracht. "Als die Russen im Herbst aus Proviantmangel den Rück­zug antraten, nahmen sie das inzwischen geerntete Getreide mit, so dass die Bauern weder Vieh noch Brot hatten. Aber die Russen nahmen nicht nur - sie brachten auch, und zwar Flecktyphus und Syphilis. Mehr als 8000 Menschen wurden zwischen Ruß und Nimmersatt hingerafft. Wenn das Kirchspiel Prökuls 1757 noch 218 Taufen, 1758 aber nur 44 hatte, so sagt das alles. Die Dörfer waren so ruiniert, dass ihnen teilweise aus königlichen Magazinen Brotgetreide ausgeteilt werden musste. Jahrelang gab es keinen Schulunterricht, weil die Schulen verwüstet waren. Die Schulmeister mussten betteln gehen... 1759 gab es schon wieder 212 Taufen in Prökuls."

1811 erhielt Prökuls, das größte Dorf des Memellandes, ein Justizamt. Hier war Ernst Wiechert (Verfasser von "Heinrich von Plauen" und "Litauische Geschichten") Amtsrichter.

Der Bau der Chaussee Memel-Tilsit vollzog sich wegen Geldmangels nur schleppend. 1844 war die Chaussee bei Neuhof, 1845 bei Dumpen und 1846 bei Prökuls fertiggestellt. 1844 verlor das Kirchspiel Prökuls zehn Dörfer an die neubegründete Kirchengemeinde Saugen im Kreise Heydekrug, wodurch Sprengel- und Kreisgrenzen nicht mehr übereinstimmten. 1844 erhielt Prökuls eine Apotheke. Um 1856 herum fand man in der Gegend um Prökuls Bernstein. "Dass es auch auf dem Festland Bernsteinvorkommen gab, wusste man vom Bernsteinbruch bei Schmelz. 1856 konnte der Prökulser Gutsbesitzer für 2000 Taler auf seinem Grund gegrabenen Bernstein ver­kaufen." 1829 wurde in Prökuls der landwirtschaftliche Verein gegründet. "Prökulser Schweine" wurde zum Qualitätsbegriff.
1846 fand die erste Schau der landwirtschaftlichen Vereine in Prökuls statt. 1862 wurde der erste Remontenmarkt gehalten (Remonte: Jungpferde für den militärischen Gebrauch).


Quelle:
* Kurschat, Heinrich A.: Das Buch vom Memelland, Siebert Oldenburg 1968 (insb. S. 330 ff)

Weitere Informationen:
* http://memelland-adm.de/landkreismemel.html

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