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Sonntag, 7. Oktober, 13.30-14.00 Uhr, Bayern2Radio

Land und Leute

Ein König reist incognito

Ludwig II. und Joseph Kainz auf Tells Spuren

Zuerst kannte der König den jungen Hofschauspieler nur von Photographien,
dann ließ er ihn in einer seiner Separatvorstellungen agieren und hat ihn endlich nach Schloss Linderhof eingeladen – tagelang dabehalten, einen Narren an ihm gefressen, das "Du" angeboten.
Ein König und sein Narr - wo Ludwig eigentlich einen Freund suchte.
Als der Spagat zwischen Hoch und Tief, Nähe und Distanz zu schwierig zu werden begann, wichen beide in ein Rollenspiel aus.
Im Juni 1881 reisten sie unter den Namen Marquis de Saverny und Josef Didier (Figuren Victor Hugos) mit einem ziemlichen Gefolge in die Schweiz,
an den Vierwaldstätter See, wo sie dem Nationalhelden Tell - nach Schillers Drama - in der weihevollen Stimmung vermeintlicher Originalschauplätze huldigen wollten.
Bald mischten sich Rollenspiel, Versteckspiel, Schauspiel.
Landschaft und Einwohner dienten als Kulisse und Statisten einer gewaltigen Separatvorstellung mit einem Mimen, für einen Zuschauer (und wer das war, durfte niemand erkennen).
Mime Kainz war bald völlig überfordert.
Stundenlanges Deklamieren.
In der Hochsommerhitze musste er den steilen Marsch "durch der Surennen furchtbares Gebirg" bewältigen,
danach im Mondschein zum Rütli aufsteigen.
Als es an den Rütlischwur kam, war der Mime schon eingeschlafen. Ungeheuerlich. Das war der Bruch. -

Henrike Leonhardt durchblättert Erinnerungen und Briefe, erzählt von dieser absurden Reise, von der auch zwei Lichtbilder Zeugnis geben - aufgenommen in Luzern vor dem Nimmerwiedersehen.

Auf einem: stehend der ältere König/Marquis, sitzend der Mime/Didier - ein kaum glaublicher Regelverstoß.

Auf dem zweiten: Ludwig sitzt, Kainz steht. Dass Kainz/Didier dabei seine Hand auf des Marquis', des Königs Schulter legt,
vertraulich wie ein Freund oder Narr, ging zu weit - die Hand wurde wegretuschiert.