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 Forum Index —› Plauderecke —› Die Flucht...
 


Autor Mitteilung
anna
Großherzogin

Beiträge: 205


Gesendet: 13:17 - 05.03.2007

hallo ihr lieben,
verzeit mir,wenn ich eine solch ernsthafte thematik unter der kategorie "plauderecke" eröffne,was jedoch der wichtigkeit der eigentlichen problematik keinen abbruch tun soll...wie die mehrheit erfuhr ich ebenfalls aus den medien von dem viel diskutierten zweiteiler "die flucht" und verfolgte gestern abend gespannt den ersten teil dieses streifens sowie die gesprächsrunde bei sabine christiansen,die sich mit einem dunklen schatten deutscher geschichte befasste,der uns alle betrifft...
in den kriegswirren des sommers 1944,begehrt lena gräfin von mahlenberg gegen sinnlose befehle der wehrmacht auf und setzt sich für die rechte der zwangsarbeiter ein.dabei entwickelt sie eine besondere beziehung zu dem französischen gefangenen francois.als die ostfront immer näher rückt,beginnt ein gewaltiger flüchtlingsstrom-auch lena bricht mit einem flüchtlingstreck im tiefsten winter gen westen auf...
die flucht von millionen steht im mittelpunkt,die ihre heimat,wie z.B. ostpreußen ect. verlassen mussten,um der roten arm zu entkommen..anhand von einzelschicksalen werden die schrecklichen geschehnisse der kriegszeit verdeutlich und führen dem zuschauer die auswirkungen der naziherrschaft vor augen.."die flucht" ist ein ergreifender film,der mich sehr berührte und mich ein teil dessen nachempfinden ließ,was es für die menschen bedeutet haben muss ihre heimat bzw. ihre wurzeln zu verlieren...trotzdem möchte ich vorsicht walten lassen und keine voreiligen schlüsse ziehen,denn meine emotionen sind nicht vergleichbar mit dem,was betroffenen fühlten..
es liegt mir fern in alte wunden salz zu streuen,dennoch wäre es toll,wenn ihr mir eine kurze rükmeldung geben würdet...

anna
Großherzogin

Beiträge: 205


 

Gesendet: 13:20 - 05.03.2007

P.S.
bitte nicht auf die fehler achten!
Azwang
Herzogin

Beiträge: 117


 

Gesendet: 15:47 - 05.03.2007

Ein wichtiges Thema, liebe Anna. Diesen Zweiteiler habe ich nicht verfoglt, dafuer eine anschliessende Politdiskussion im ORF 2 mit Ronald Barazon als Moderator. Unter den Gaesten die ORF-Journalistin und jahrelange "Ostblock"korrespondentin Barbara Coudenhove-Kalergie und Max von Thun. Du schreibst von einer Gespraechsrunde, die offensichtlich an einem deutschen Sender lief. Ich waere sehr an Deinen Eindruecken von dieser Diskussion interessiert, falls es nicht allzuviel Muehe macht.

Uebrigens finde ich das Thema gar nicht so abwegig. Elisabeth mit ihrer Ungarnpolitik und Abneigung gegen Boehnen heizte den wachsenden Nationalismus in der oesterreichischen Monarchie indirekt an, deren Auswirkungen eben auch Flucht und Vertreibung im und nach WK II waren.
anna
Großherzogin

Beiträge: 205


 

Gesendet: 19:38 - 05.03.2007

liebe azwang,
ich habe mich sehr über deine schnelle und aufschlussreiche antwort gefreut!

gestern abend strahlte ard die diskussionsrunde der moderatorin sabine christiansen aus.im mittelpunkt stand die flucht von millionen menschen,die ihre heimat verlassen mussten und vor der gefürchteten roten armee flohen.politiker,adelige,historiker und ausländische vertreter äußerten ihre eindrücke über den film und schilderten z.B. erlebnisse jener tagen,an denen sie alles aufgaben...abgesehen von den persönlichen geschichten der vertriebenen fand ich einige zitate und aussagen von nachfahren der durch nationalsozialistische verbrechen gefolterten sehr beeindruckend und war überrascht zu erfahren,dass das öffentliche interesse deutschlands an der aufarbeitung der schrecklichen ereignisse unter der herrschaft von adolf hitler teilweise als schuldabwälzung interpretiert wurde.jedoch kann ich menschen verstehen,die deutschen bürgern nicht vergeben können,denn niemand verhinderte den aufstieg des bösens..,wobei man hier abzüge machen muss,weil viele arme teile der bevölkerung hungrig waren und einfach nur froh waren,dass sie etwas zu essen hatten,obwohl sie keineswegs dafür mitmenschen in gefahr bringen wollten.es fällt mir sehr schwer,die richtigen worte zu finden,die meine eindrücke exakt wiedergeben würden,denn ich möchte niemanden durch unüberlegte passagen verletzen und denke,dass meine erzählungen zu komplex wären und den erlaubten rahmen sprängen würden...-weshalb ich zum ausgangspunkt zurückkehre.
kurz:man beschäftigte sich mit den opfern beider parteien und versuchte alle verluste unter einen hut zu bringen,allerdings schien mir der besagte film eine zu große grundlage gewesen zu sein.das individuelle schicksal wurde umfassend thematisiert,aber leider nicht die massenschicksale..

falls dich diese nachricht noch rechtzeitig erreichen sollte:heute abend (5.märz) wird der zweite teil ausgestrahlt...ard/prime time

liebe grüße-
anna
Azwang
Herzogin

Beiträge: 117


 

Gesendet: 10:50 - 07.03.2007

Liebe Anna!

Vorgestern wurde der 2. Teil auch im ORF2 ausgestrahlt und ich sah eine
Weile zu, obgleich nach der Information ueber den Filminhalt schon mit der
Einstellung, diese TV-Verfilmung wird mir nur wenig bringen und so war es
auch. Nach etwa 20 min schaltete ich ab. Liebe Anna, bitte sei nicht
boese, wenn ich das schreibe. Du weisst bereits, dass ich das Thema
ungemein wichtig finde und es ist mir klar, dass ein breiteres Bewusstsein
ueber diese Problematik, ein tieferes Interesse daran, mit einer solchen
Produktion sehr gut geschaffen werden kann. Aber ich bin eben nicht der
Typ fuer Fernsehromantik (eine Graefin und ein Zwangsarbeiter...).
Um so mehr haette mich die Diskussion im ARD interessiert.

Jene im ORF war ebenfalls die erste, in der, meiner Meinung nach sogar
sehr gelungen, die Geschehnisse aus der Sicht beider Parteien, also der
Vertreiber und der Vertriebenen beleuchtet wurden. In Oesterreich war es
die allererste konstruktive Diskussion, die ich je verfolgt habe. Eine
Ausnahme allerdings waren die Beitraege des Vetreters der Sudetendeutschen
Landsmannschaften in Oberoesterreich, der z.B. immer noch darauf beharrt,
dass die Zahl der Toten Deutschen unter den Vetriebenen in der
Tschechoslowakei 300.000 erreichte, wogegen internationale
Historiker-Kommissionen die Zahl der ums Leben gekommenen Opfer
mit max. 40.000 angeben. Natuerlich - jedes vergeudete menschliche
Leben ist ein Leben zu viel, aber gerade diese Sturheit nutzt niemandem.
Er erdreistete sich sogar zu der Behauptung, Oesterreich habe alle Opfer
des Nationalsozialismus entschaedigt und deshalb muss es jetzt auch
eine Entschaedigung fuer die Vetriebenen geben. Mir drehte es den Magen um!
(Freilich, ich fuehle mich da persoenlich angegriffen. Wer meine Beitraege
hier im Forum verfolgt, weiss, dass mein Gatte Jude ist.) Zumindest
Deutschland hat diese Sache anstaendiger behandelt als Oesterreich.

Zum Thema Vertreibung gibt es auch ein gutes Buch, dessen Autor beiden Seiten
"nichts schenkt": Peter Glotz, Die Vertreibung. Boehmen als Lehrstueck,
Ullstein, Muenchen, 2003.

Aufgefallen ist mir in den Filmbeitraegen, die waehrend der Diskussion
zu einezelnen Gebieten (Ostpreussen, Siebenbuergen, Tschechoslowakei...)
eingespielt wurden, was ich bisher aus muendlicher Ueberlieferung der
Zeitzeugen auf beiden Seiten kannte: Die Vertreiber waren selten die
eigenen Nachbarn anderer Nationalitaet, sondern Fremde.

Ja, Du hast vollkommen recht Anna: Vereinfacht gesagt, ohne den Nationalsozialismus gebe es die Vertreibung nicht so wie es ohne Holokaust den Staat Israel nicht gebe und warum so viele Leute den Nationalsozialisten aufgesessen sind, darueber wurden schon viele historisch-psychologische Werke verfasst.

Persoenlich glaube ich, dass noch ein paar Jahre vergehen muessen, um ueber diese Thematik wirklich produktiv sprechen zu koennen. Erst wenn die Zeitzeugen dahingegangen sind.
anna
Großherzogin

Beiträge: 205


 

Gesendet: 19:19 - 07.03.2007

liebe azwang,
ich stimme dir vollkommen zu,dass es bei dem zweiteiler "die flucht" in erster linie um große gefühle zwischen einer adeligen und einem zwangsarbeiter ging,dennoch reizte mich gerade diese konstellation,da beeindruckend geschildert wurde,was es bedeutete einen menschen zu lieben,der nach der allgemeinen meinung nicht den üblichen ansprüchen entsprach und in der gesellschaft nichts wert war.diesen punkt empfand ich als sehr tiefgehend,weil es die damalige realität wiederspiegelte und ein kapitel ist,dass meistens wenig beleuchtet wird.ebenfalls bin ich der überzeugung,dass der film spannende diskussionen entfachte und eine gute grundlage bildet,um jegliches bewusstsein für derartige ereignisse nicht zu verlieren.der film war sehr emotional und zeigte ein stück weit die seele der bevölkerung,was mir imponierte.natürlich sind gesprächsrunden in der regel für den geist anregender,trotzdem bot dieser streifen eine menge..-aber jedem das seine!
vielen dank für den büchertipp,welchen ich mir zu herzen nehmen werde.
es ist wirklich eine unverschämtheit in einem atemzug zu erwähnen,dass die gefolterten der naziherrschaft entschädigt worden sind und man deshalb das selbe recht für die vertriebenen einfordert.obwohl ich verstehen kann,dass vertriebene einen anspruch auf entschädigung erheben.sie mussten immerhin auch vieles erdulden und wurden um ihre geliebte heimat beraubt,jedoch wären sie nie um ihre heimat beraubt worden,wäre adolf hitler nicht an die macht gekommen und so muss man sich die frage stellen,was hätte man als einzelner verhindern können.in den augen einiger forumsmitglieder mag dies dreist wirken,allerdings sollte es legitim sein,auch solche fragen stellen zu dürfen...
der krieg kostete millionen menschen das leben und (fast) keine nationalität wurde verschont,weshalb ich es unmöglich finde als nachfahre forderungen von dem betreffenden land durch medien erzwingen zu wollen.geld macht die eigene mutter nicht wieder lebendig oder bringt den geliebten sohn zurück.ein leben kann man nicht mit finanziellen mittel aufwägen..-es ist lediglich eine geste......
meiner meinung nach wäre es falsch,würde man warten bis alle zeugen dieser epoche das zeitliche gesegnet hätten und erst dann eine diskussion ins leben rufen.ältere generationen können uns,die lehre aus dem vermittel,was damals unfassbares passierte.an wen sollten wir unsere fragen richten?gibt es überhaupt den richtigen zeitpunkt?ich denke nicht..
herzliche grüße-
anna
Azwang
Herzogin

Beiträge: 117


 

Gesendet: 08:55 - 22.03.2007

Liebe Anna!

Ja, eine finanzielle Entschaedigung bleibt immer nur eine
symbolische Geste, Du hast es treffend und tief empfindend
formuliert. Ausserdem finde ich es sehr wohl legitim zu fragen,
was jeder Einzelne haette bewirken koennen. Ich finde legitim
zu fragen, was haette jeder Einzelne Deutsche und Oesterreicher
tun koennen, um die Machtergreifung Hitlers zu verhindern
genauso wie z.B. gemeinsam mit Hanna Arendt zu fragen, was haette
jeder einzelne Jude dazu beitragen koennen, nicht wie ein Vieh
abgeschlachtet zu werden und diese Frage ist freilich noch
wesentlich kontroversieller, als die erste. Es sind sehr,
sehr schwierige, mit viel Emotionen und subjektiven Urteilen
belastete Fragen, doch muessen wir gleichzeitig uns fragen,
was wir dazu beitragen, dass sich Aehnliches nicht wiederholt.

Selbstverstaendlich hast Du recht, die aeltere Generation oder
ueberhaupt die Zeitzeugen bestimmter Geschehnisse vermitteln uns
durch ihre Erinnerung an Erlebtes Wichtiges. Die auf muendlichen
oder auch schriftlichen Aussagen von Zeitzeugen beruhende "oral history"
ist eine bedeutende Ergaenzung der "offiziellen" Geschichtsschreibung,
fuer das interessierte Laienpublikum oft wesentlich spannender,
weil durch das persoenliche Element lebendiger. Allerdings ist die
Wahrnehmung und Interpretierung der Ereignisse immer sehr subjektiv,
von der eigenen Weltanschauung, Emotionalitaet und nicht zuletzt
vom Erinnerungsvermoegen abhaengig. Daher denke ich, dass auch bei
ausreichender Quellenlage der richtige Zeitpunkt die Geschichte zu
deuten erst dann gekommen ist, wenn ein moeglichst objektiver Urteil
gefaellt werden kann und diese Moeglichkeit tritt meist erst
mit einem groesseren zeitlichen Abstand ein.
anna
Großherzogin

Beiträge: 205


 

Gesendet: 20:05 - 22.03.2007

liebe azwang,
über deine aufschlussreiche antwort habe ich mich sehr gefreut.
sicherlich muss nach einem solchen krieg zeit verstreichen,um ein objektives urteil gewährleisten zu können,denn betroffene neigen-wie du bereits geschildert hast- zu sehr emotional bedingten aussagen,weshalb man vorsichtig im umgang mit derartigen berichten sein sollte.jedoch ist es mir persönlich wichtig,dass menschen,die diese zeit miterleben mussten ihr schweigen-insofern sie dies können-brechen und die allgmeinheit vor einer wiederholung warnen und versuchen ein bewusstsein für die verbrechen des nazi-regimes zu schaffen.erstens wäre die geschichte so viel lebendiger und könnte somit mehrere personen ansprechen,was die botschaft besser verbreiten würde.zweitens könnte es betroffenen helfen erlebtes zu verarbeiten.zwischen der informationsflut,die uns von medien jeglicher art aufgedrängt wird,sollte man sich klar machen,dass zwar die schrecklichen verbrechen des dritten reiches thematisiert werden,allerdings die frage,ob man es hätte verhindern können,nur indirekt gestellt wird.ich möchte keine menschen veruteilen,weil es mir nicht zu steht,denn ich lebte nicht in dieser epoche und möchte das handeln von menschen in grenzsituationen nicht bewerten,deshalb finde ich es umso schwieriger sich eine meinung zu bilden.jeder,der eine solch legitime frage stellt,muss mit heftigster kritik rechnen...warum ist das bloß so?
wobei ich am rande anmerken möchte,dass adolf hitler bereits im jahre 1933,als zur zeit seiner machtergreifung,der presse vermittelt hat,dass lediglich nachrichten gedruckt werden dürfen,die das volk im "positiven" sinne beeinflussen.d.h. die presse half das volk zu manipulieren.ich möchte nicht zu sehr auf die politische lage eingehen,aber wir sollten überlegen,ob dies den derzeitigen begebenheiten entspricht.aber,darüber muss sich jeder ein eigenständiges urteil bilden...
ich hoffe sehr,dass alle menschen aus den schrecken der naziherrschaft eine lehre gezogen haben und sich dementsprechend verhalten.
dennoch ist dies leider gottes nicht der fall,da man sich darum streitet,ob man nun nationalsozialistische parteien verbieten darf oder nicht,denn jeder hat ein recht auf meinungsäußerung...

liebe grüße,
anna
Azwang
Herzogin

Beiträge: 117


 

Gesendet: 11:48 - 23.03.2007

Liebe Anna!

Du hast mich voellig richtig verstanden. Es faellt mir nicht immer
leicht meine Gedanken - noch dazu in einer - mittlerweile zwar nicht
mehr fremden, aber doch nicht meiner Muttersprache - exakt zu uebermitteln.

Ja, fuer die Zeitzeugen ist es oft schwierig, ja schmerzlich, das Erlebte
zu schildern. Jene, die Opfer waren, leiden oft so sehr unter dem,
was sie durchmachten, dass sie nicht faehig sind, davon zu berichten.
Dazu kommt noch eine traurige Komponente insbesondere bei
KZ-Ueberlebenden bzw. bei Exilanten, die enorm darunter leiden,
dass gerade sie am Leben blieben. Ich habe mich jetzt entschieden meine
immer eher allgemein gehaltenen Aussagen mehr zu personalisieren,
es kostet zwar auch unter dem Deckmantel der Anonymitaet etwas
Ueberwindung, fuehrt aber bestimmt zum besseren Verstaendnis.

Meine juedischen Schwiegereltern, denen es gelungen ist, nach London
zu fluechten (die Schwiegermutter entkam 1938 aus Wien, der
Schwiegervater war einer der wenigen oesterreichischen Spanienkaempfer,
die aus dem Internierungslager in Gurs, Suedfrakreich, nach England
einreisen durfte und nicht repatriiert wurde - dies haette den sicheren
Todesurteil bedeutet), schaemten sich regelrecht dafuer, dass sie am
Leben blieben, fuehlten sich schuldig am Tod ihrer Eltern, einiger
Geschwister,Swaeger und Schwaegerinnen, Neffen und Nichten, die in Auschwitz, Lodz, Nisko, Belgrad, Theresienstadt vergast, erschossen wurden oder an Erschoepfung starben.

Der Schwiegervater berichtete gern ueber seine Erlebnisse aus
dem spanischen Buergerkrieg, mit viel Humor schilderte er seine
illegale Taetigkeit waehrend der Zeit des Austrofaschismus, die
zu einer Gefaengnisstrafe fuhrte, ueber das Londoner Exil und seine
Inhaftierung als oesterreichischer Staatsbuerger auf der Isle of Man
schwieg er aber beharrlich. Erst viele Jahre spaeter ist es uns
gelungen, meine damals fast 90-jaehrige Schwiegermutter zu
Tonbandaufnahmen zu ueberreden. Die haben wir dann dem
Dokumentationsarchiv des oesterreichischen Widerstandes
(gemeint ist der Widerstand 1938-1945) uebergeben, das sich
seit laengerem mit "erzaehlter Geschichte" befasst, also mit
Aufzeichnung der Interviews von Zeitzeugen zu den Themen Widerstand
und Verfolgung, Exil, Holocaust, NS-Medizinverbrechen.

Eine Tante meines Mannes, die von Jaenner-Mai 1945 in Theresienstadt
inhaftiert war und eine andere, angeheiratete Tante, die Auschwitz und
Buchenwald ueberlebte, dort ihren Mann und Sohn verlor, wollten nie
ueber ihre Erlebnisse berichten, obwohl sie mein Mann oft genug darum
bat. Sie starben noch vor meiner Heirat, also lernte ich sie nie
kennen. Ich denke aber, sie konnten ueber das Schreckliche einfach
nicht sprechen. Es was unausprechlich.

Andererseits habe ich Leute
kennengelernt, die das Erlebte oft in sehr einfachen, aber um so
eindringlichen Worten niederschrieben, die immer bereit waren zu einem
Gespraech, zum Beantworten von Fragen. Allerdings ging es ueberwiegend
um Maenner, die schon 1938 noch als Jugendliche in die KZ's kamen, also
vorerst nicht in die Vernichtungs- sondern in die Arbeitslager, z.B.
nach Dachau. Sie wirkten so, als haetten sie sich dank ihrer Jugend
und auch dem besonderen Schutz ihrer aelteren Mithaeftlinge,
mit der grenzgaengigen Situation bis zum gewissen Grade arrangiert. Nach meiner Wahrnehmung jedenfalls schien mir, dass sie ueberraschenderweise weit weniger traumatisiert waren und ihnen auch die Integration in das Nachkriegsleben besser gelang als vielen zurueckkehrenden Fluechtlingen.

Da ich in einem totalitaeren Staat aufgewachsen bin, in dem ich
nur auf Grund meiner Herkunft schon als Kind als ein staatsfeindliches Element galt, bedeutet
mir freie Meinungsaeusserung sehr, sehr viel. Deshalb gerate ich
in einen Gewissenskonflikt, wenn es um den Verbot von rechtsextremen
Parteien, die das nationalsozialistische Gedankengut pflegen,bzw. um die Wiederbetaetigungsgesetze geht. Einerseits glaube ich
an humanitaere Erziehung, die solche Gesetze und Verbote ueberfluessig
macht, andererseits muss ich fast taeglich auf schmerzliche Weise
zur Kenntnis nehmen, dass diese Erziehung nicht greift. Noch
muessen Holocaustleugner vor einem Gericht verurteilt werden,
noch ist die Gesellschaft nicht so weit, um ihnen und ihren Theorien
nicht mit Entruestung, sondern mit Gegenargumenten den Wind aus dem
Segel zu nehmen.

Auch Dir Alles Liebe, Anna!
anna
Großherzogin

Beiträge: 205


 

Gesendet: 12:18 - 24.03.2007

liebe azwang,
in erster linie möchte ich dein gutes deutsch loben,an dem sich viele native speaker ein beispiel nehmen sollten,denn du beherrscht die sprache fast einwandfrei!!!!

für deine offenheit bezüglich der schrecklichen erlebnisse deiner verwandten möchte ich mich ganz herzlich bedanken,da es keine selbstverständlichkeit ist solche aussagen einer unbekannten person zu berichten,weshalb ich es sehr schätze,dass du dich überwinden konntest.

leider haben viele menschen probleme über das zu sprechen,was sie erlebten.allerdings ist dies auch ein schutz,weil man solche unschönen ereignisse gerne verdrängt,um den schmerz erträglicher zu gestalten..meine großmutter wollte sich nicht an jene tage erinnern,an denen die nazis an die macht kamen und das unfassbare begann seinen lauf zu nehmen.sicherlich hätte es ihr geholfen,wenn sie sich ihrer familie anvertraut hätte,jedoch fand sie einfach keine worte,die dem gerecht geworden wären,was sie empfand.
im gegensatz zu meinem großvater,der gerne erzählte und sich mitteilte,wenn es um die verbrechen des nazi-regimes ging.mein großvater lebte mit seiner familien in ostpreußen und verlor alles,was ihm lieb war.er sah andere flüchtlinge sterben und hatte große probleme,dass er diesen menschen nicht mit in den tod gefolgt war und als einer der wenigen überlebte..unter tränen berichtete er von seiner schönen heimat...
ein anderes familienmitglied,jüdischer herkunft,sah im KZ seine familie sterben und überlebte wie durch ein wunder.leider legte sich der fluch,auch nach beendigung der nationalsozialistischen dikatur,über ihn und er wanderte nach australien aus und nahm sich dort das leben,um endlich ruhe zu finden.
jeder,der die zeit des bösens miterleben musste,sollte für sich wählen,was das beste ist:für immer zu schweigen oder seine empfindungen in worte zu hüllen.

die freie meinungsäußerung ist eine der wichtigsten grundlagen einer demokratie,weshalb diese freiheit eigentlich nicht beschnitten werden sollte,wobei man bei hier abzüge machen muss,denn es handelt sich um die meinungsfreiheit von nationalsozialistischen parteien,die meiner meinung nach verboten werden muss,um das risiko einer wiederholung zu dämmen...
fremdenfeindlichkeit ist leider ein großes problem.ich wünsche mir so sehr,dass jeder mensch so akzeptiert wird wie er ist und es keine vorurteile mehr gibt!hoffentlich geht dieser wunsch eines tages in erfüllung-

alles liebe,
anna



Azwang
Herzogin

Beiträge: 117


 

Gesendet: 10:38 - 26.03.2007

Liebe Anna!

Zuerst danke fuer Dein Lob! Du hast es erfasst - ich beherrsche die Sprache eben nur FAST einwandfrei. Dummerweise geht es mir so mit jeder Sprache - wahrscheinlich habe ich in zu vielen Laendern und niergends lange genug gelebt.

Ich empfinde es ausnehmend positiv, dass sich Dein Grossvater mitteilen koennte, dass er ueber seine geliebte Heimat und die furchtbaren Erlebnisse, die seine Flucht begleiteten, berichten konnte. Es wuerde mich sehr interessieren, falls es fuer Dich nicht zu persoenlich ist, ob er Ostpreussen je wiedergesehen hat. Hast Du etwa den Ort, an dem er lebte, besucht? Oft ist ja nicht viel davon geblieben, was man als Erinnerung mit sich trug und an die Nachkommen weitergab. Offensichtlich ging es ihm aehnlich wie meinen Schwiegereltern, die sich schuldig fuehlten, weil sie ueberlebten und das ist ein enorm belastendes Gefuehl. Es wirkt sich sogar bei den Nachkommen aus, zumindest kann ich es bei meinem Mann und seinen Freunden mit gleicher Familiengeschichte beobachten. Auch die Nachgeborenen, also die 2. Generation der Holocaustueberlebenden hat noch mit Schuldgefuehlen zu kaempfen und das um so mehr, je aelter diese Generation wird.

Hm, weiter als nach Australien kann man aus Mitteleuropa vor seiner Vergangenheit nicht fluechten. Leider schleppt man die Vergangenheit ueberall hin, sei es bis ans Ende der Welt, stets mit. Auch ich kenne, wenn auch nur aus Erzaehlungen, aehnliche Schicksale, wie es Dein Familienmitglied erlitt. Dass KZ-Ueberlebende oft erst Jahre spaeter Suizid begingen, ist ein trauriges, leider gar nicht seltenes Phaenomen. Viele fanden einfach nicht mehr in die "normale" Welt zurueck, in eine Welt, in der in vielen Faellen ihre Schergen nicht nur nicht bestraft, sondern erneut an die Macht oder zumindest in aufstrebende Positionen gelangten. Die meisten Selbstmorde unter den Juden in Oesterreich ereigneten sich am Tag des Anschlusses an das Deutsche Reich, bzw. wenige Tage spaeter. In den Ghettos und KZ's war der Freitod eher eine Ausnahme. Die Selbstmordwelle setzte ein paar Jahre nach der Befreiung wieder ein, weil man die Leute schlichtweg im Stich liess. Die als Verraeter an eigenem Volk abgestempleten Widerstandskaempfer, die ueberlebten, egal ob juedischer Herkunft oder nicht, waren etwas besser dran, denn sie wurden von ihren Organisationen aufgefangen.

Liebe Anna, ich vergas zuletzt auf ein
Thema aus Deinem vorletzten Beitrag einzugehen und moechte das jetzt nachholen: Naemlich das Thema, was ein Einzelner haette tun koennen, um Nationalsozialismus
zu verhindern. Du schriebst:
"jeder,der eine solch legitime frage stellt,muss mit heftigster kritik
rechnen...warum ist das bloß so?"

Persoenlich wurde ich beim Stellen solcher Fragen noch nie mit
Kritik bedacht, muss aber dazu anmerken, dass es sicherlich
an meiner Umgebung liegt. Die Familie aus der ich stamme sowie
die Familie meines Mannes waren heftige und aktive Nazigegner.
Aehnlich verhaelt es sich mit unseren Freunden, je nach Alter waren
sie haeufig selbst im Widerstand taetig oder aber sind die Nachkommen
von Widerstandskaempfern oder zumindest passiven Gegnern.
Freilich, es ist mir schon oefters passiert, dass ich z.B. in einem
laendlichen Gasthaus (Salzkammergut!!!) an "Alt-Nazis" gestossen bin.
"Meine politische Einstellung ist braun und ich bin stolz darauf!"
musste ich vom Nebentisch in einem Restaurant in St. Wolfgang hoeren.
Zu mehr als der theatralischen Geste des sofortigen Verlassens
des Lokals mit dem Kommentar "Neben dieser Leute kann ich nicht
speisen " war ich nicht faehig, zu feige zu einer Konfrontation.
Trotzdem will ich solche Fragen stellen, eben um mir einen Urteil
ueber Menschen in Grenzsituationen bilden zu koennen, um zu verstehen,
wenn auch nicht gutheissen.

Ich glaube nicht, dass Xenophobie und daraus resultierende Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus je verschwinden. Die Menschheit ist unbelehrbar. Trotzdem kann ich nicht aufhoeren dagegen aufzutreten, wenn auch oft genug nur ganz leise (siehe oben St. Wolfgang).

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