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 Forum Index —› Galerie —› München: Vorbildlicher Wiederaufbau oder die Stadt mit zwei Gesichtern?
 


Autor Mitteilung
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 21:52 - 29.08.2003

man mag mich ignorant schimpfen, aber mir geht es genauso.
mir ist völlig egal, wer wann wie und warum in einem gebäude gewohnt hat oder es hat bauen lassen. entweder es gefällt mir oder nicht. wer politische gesinnung zur bewertung von gebäuden einsetzt, der verzichtet schon von vorneherein auf jedwede "wissenschaftlichkeit".

chriz,
nochmals dank für die vielen bilder.
wenn man sie so ansieht, könnte man denken, münchen wäre eine heile welt. leider wissen wir alle, dass es nicht so ist. trotzdem gibt's nachwievor genugend schöne ecken und jede menge tolle einzelgebäude. dein lieblingsgebäude ist wirklich eine wahre pracht!

mir fällt aber auch wieder auf, dass gebäude ohne ordentlichen dachabschluss irgendwie immer abgesägt aussehen.

zu den beiden letzten schreck-beispielen fällt einem wirklich gar nichts mehr ein. mein einziger trost ist, dass ich sicher weiß, dass das historische gebäude bestimmt in 100 jahren auch noch steht - die 60-er-jahre-kiste bestimmt nicht.
Sebastian
Stammgast

Beiträge: 57


 

Gesendet: 19:19 - 08.09.2003

Auch in München muss man einige Abstriche machen :

Bei vielen "wiederaufgebauten" Gebäuden Münchens handelt es sich "nur" noch um Fassaden ,die erst abgerissen und dann neu aufgebaut wurden. Das historische "Innenleben"
ging auch hier in der Nachkriegszeit
verloren(meistens wegen wirtschaftlichen Interessen)
Überspitzt könnte man das auch "Maskierung "nennen.(Tatsächlich gibt hierfür den Ausdruck "vorblenden"(!)in der Fachsprache.)
H. C. Stössinger
Senior-Mitglied

Beiträge: 422


 

Gesendet: 19:43 - 08.09.2003

Ich denke, das wissen die meisten bestimmt. Ich denke, dass eine Vorblendung oder Maskierung immer noch besser ist für das Ambiente des erlebbaren Stadtraums, als diese ideologische Verblendung durch Stahlbeton als Fassade. Den meisten modernen Bauten stände eine Maskierung ganz gut.
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 20:12 - 08.09.2003

wohl wahr...
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 20:13 - 08.09.2003

Das würde ich auch sagen. Als Fußgänger, der die innerstädtische Atmosphäre am meisten mitbekommt, ist man schließlich eher mit den Fassaden, als mit dem Innenleben konfrontiert.
In Paris, wo ich gerade erst war, sah ich immerwieder Baustellen, an denen gerade Entkernungen stattfanden. Es ist wohl damit zu rechnen, dass der neue "Inhalt" auch nicht dem Original entsprechen wird.
Sebastian
Stammgast

Beiträge: 57


 

Gesendet: 18:40 - 11.09.2003

Ich muss mich wahrscheinlich klarer
ausdrücken : Mein Einwurf zielte darauf ,dass man München nicht unbedingt als "vorbildlich wiederaufgebaut" bezeichnen kann ,
da ein Gros der Gebäude eben nur noch
aus historischen Fassaden besteht.Denn
Wiederaufbau heisst für mich ,ein zestörtes Gebäude zu "regenerieren", nicht völlig neu aufzubauen.
Das soll nicht heißen, dass ich dieses
Verfahren grundsätzlich mißbillige, ganz im Gegenteil , im Fall von unseren,
durch belanglose architektur banalisierten ,Stadtmitten ist das
ausdrücklich zu begrüßen.

ABER : ein Gebäude definiert sich nicht ausschließlich durch seine Fassade, sondern auch durch die Raum-
aufteilung ,den Grundriss,charakteristische Raumdetails,etc... .
Ein Beispiel: Im Lübeck des 19.
Jahrhunderts waren einige Kaufmannsfamilien zu beachtlichem Reichtum gekommen ,hatten gar ganze Handelsimperien im Ostseeraum errichtet(siehe "Buddenbrooks").Diesen neuen Reichtum wollte man zeigen ,indem seinen mittelalterlichen, backsteinernen Giebelhäusern Fassaden
im Stil der Zeit vorblendete,was auf jeden Fall günstiger war als sich ein komplett neues Domizil zu errichten.
Wenn ein heutiger Besucher so ein Gebäude zum ersten Mal sieht denkt er:
Aha, ein Haus des 19. Jahrhunderts.Wenn er sich das Haus aber genauer anschaut , vom Hinterhof aus z.B., dann wird er feststellen,
dass es in wahrheit im 13.,14. Jh.
gebaut wurde.
Und das ist des Pudels Kern : Das ,was hinter der Fassade steckt,liefert erst den Historischen
Kontext und ist somit gleichberechtigter Teil der Geschichte des Hauses.

In Kürze : München als "vorbildlich
wiedderaufgebaut" zu bezeichnen ,obwohl dort genauso der Abrisswahn grassierte , ist einfach ungerecht!
H. C. Stössinger
Senior-Mitglied

Beiträge: 422


 

Gesendet: 18:52 - 11.09.2003

Das ist ja alles richtig. Kriegszerstörungen und neue Anforderungen ließen uns eben oft nur die Fassade - natürlich eine Kulisse. Aber: solange der Mensch baut, solange bedient er sich dieser Vorblendungen - es ist also nichts Neues.
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 20:29 - 11.09.2003

Selbstverstänlich ist auch das was hinter der Fassade steckt wichtig. Ich habe dabei auch nicht unbedingt an den Wiederaufbau gedacht. Aber für die Atmosphäre, die in einer Straße herrscht, sind doch wohl hauptsächlich die Fassaden der Häuser verantwortlich, oder? Wenn man die Häuser historisch anlysiert, spielt der Rest natürlcih auch eine Rolle.
Claus
Mitglied

Beiträge: 164


 

Gesendet: 19:29 - 01.10.2003

Hier stelle ich mal die Antwort der Stadt München vor,welche auf meine Beschwerde bezüglich der Architektur in der Stadtmitte reagieren musste.Die Unterschrift des Sachbearbeiters habe ich gelöscht,da ich sonst vielleicht gegen irgendwelche Rechte verstosse.Es ist mal interessant zu sehen,wie auf Beschwerden geantwortet wird.In meinem Fall haben sie sich sogar richtig Mühe gegeben:

Sehr geehrter Herr ....,

von Herrn Oberbürgermeister haben wir den Auftrag erhalten, Ihre e-mail vom 28.04.2003 zu beantworten, in der Sie sich insbesondere zu den Veränderungen in den historisch geprägten Teilen der Stadt äußern und ein Gestaltungssatzung für die historische Mitte anregen.

Der historisch geprägte Teil von München unterliegt derzeit einen hohen Veränderungsdruck, der mit einem tiefgreifenden Strukturwandel unserer Stadt und der Gesellschaft zu tun hat. Viele Verwaltungen suchen sich außerhalb der Innenstadt neue Standorte. Der technische Fortschritt der Computerelektronik, die Konzentrationsbestrebungen der Wirtschaft, die Pro-bleme des Kapitalmarktes, und auch die Wiedervereinigung Deutschlands und die Europapoli-tik zeigen hier ihre Auswirkungen. Große Veränderungen und daraus resultierende Baumaß-nahmen sind die Folgen.

Allerdings muss München froh sein, so im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, da ohne diese Erneuerungsbestrebungen, München sehr schnell den Anschluss an die Entwicklung verpas-sen würde. Das hätte Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wohlstand sämtli-cher Bürger.
Dieses mit einem Strukturwandel verbundenene Wachstum der Stadt kann nicht den ge-wohnten Bahnen folgen. Das was neu entsteht, entspricht geänderten Wert und Lebensvor-stellungen. So zu bauen wie gestern wäre ein Fehler, da sich die Ausgangsbedingungen, das Umfeld, die Funktionen und die Ziele die angestrebt werden gegenüber früher geändert ha-ben. So bauen z.B. heute oft nicht mehr Bürger, die sich mit ihrer Stadt identifizieren um selbst in der Stadt zu agieren und zu repräsentieren, sondern meistens bauen Kapitalgesellschaften möglichst flexible, vermietbare Flächen, um Konsumentenwünschen zu entsprechen. Die Ob-jekte entsprechen oft nicht unseren persönlichen Vorstellungen und Wünschen, sie sind je-doch das Ergebnis eines Prozesses, in den alle hier aktiven Kräfte eingeflossen sind.
Bei fast allen von Ihnen genannten Objekten wurde der Architekt über teilweise internationale Wettbewerbe gefunden. Alle Objekte sind wiederholt vom Heimatpfleger, Bay. Landesamt für Denkmalpflege und der Stadtgestaltungskommission beraten und vom Stadtrat akzeptiert worden. Die Ergebnisse sind unter große Anstrengungen aller am Bau beteiligte entstanden, mit Bezirksausschüssen und Stadtrat diskutiert, von ihnen akzeptiert worden und so als Aus-druck unserer Zeit zu verstehen. Es zeigt sich, dass die Auffassungen darüber, was für die Altstadt verträglich und für die Zukunft das Richtige ist, sehr unterschiedlich sein können.

In Hinsicht auf die Lenkung der Baugestaltung ist für München festzustellen: Nach der Syste-matik der Baugesetzgebung ist die Baugestaltung frei und wird durch die Bauherren und Ar-chitekten im Rahmen der planungsrechtlichen Gegebenheiten bestimmt. Die Stadt kann die Bauherren lediglich gestalterisch beraten. Der Stadtrat hat dazu eine unabhängige Kommissi-on, die sog. Stadtgestaltungskommission, bestellt. Ablehnen kann die Bauaufsichtbehörde aufgrund der rechtlichen Situation einen Bauantrag nur bei einer Verunstaltung, die so krass sein muss, dass sie für einen durchschnittlich gebildeten Betrachter verletzend ist, d.h. es muss eine grobe Störung vorliegen, ehe die Stadt als Bauaufsichtsbehörde tätig werden kann. Bei den von Ihnen angesprochenen Bauten ist dies nicht der Fall.
Die Kritik, die Sie äußern, ist immer wieder zu lesen oder zu hören. Sie entspricht der Kritik, die zu allen Zeiten neuen baugestalterischen Entwicklungen entgegen gesetzt wurde

Zur Frage einer Gestaltungssatzung für die historische Mitte ist festzustellen, dass es dazu zwar rechtliche Möglichkeiten gibt, andererseits die Münchner Altstadt so heterogen ist, dass es sehr schwer ist, hier Regelungen zu finden, die für einen größeren Bereich anwendbar sind und einer Normenkontrolle durch die Gerichte standhalten würden. Das besondere Problem dürfte jedoch sein, dass es zum Erlassen einer Gestaltungssatzung eines politischen Konsen-ses bedarf. Aufgrund der widersprüchlichen Interessen der Grundstückseigentümer, der Wirt-schaft, der Politik und der Bevölkerung ist derzeit kein ausreichender Konsens für Regelungen zu erwarten, die moderne Entwicklungen und Gestaltung dirigieren oder ausschließen. Dies geht bereits aus den Diskussionen über modernes Bauen in der Altstadt hervor, die in der Stadtgestaltungskommission geführt worden sind.

Die Architekten und Bauherrn entscheiden sich gerade bei repräsentativen Vorhaben, immer wieder für Bauten in Stahl und Glas. Es entstehen auch Bauten in massiver Bauweise in sehr großen Umfang und auch in hoher Qualität, vor allem im Wohnungsbau. Die progressiveren und aufwändigen Stahl- und Glasbauten sind jedoch auffälliger und werden daher bewusster wahrgenommen und mehr diskutiert.

Die Demokratie geht in ihrer Rechtsystematik von der Baufreiheit aus. Dies führt zu Ergebnis-sen, die den gestellten Aufgaben und dem heute verbreiteten Lebensgefühl eher entsprechen, als traditionelle Lösungen. Die Erfahrung zeigt, dass in dirigistisch gelenkten Staaten, wie im 3. Reich, oder wie in den Staaten hinter dem eisernen Vorhang, wo die Entwicklung der Ar-chitektur stagniert hat und traditionelle Lösungen gefördert wurden, die Bedürfnisse der Men-schen meist nicht befriedigt werden konnten.

Im demokratischen System besteht dagegen die Möglichkeit, durch Äußerungen zu den Pla-nungsverfahren und über die Beteiligung in politischen Gremien, wie Bezirksauschuss und Stadtrat, Kritik zu üben und über Presse und Rundfunk die öffentliche Meinung zu beeinflus-sen und zu verändern.

Wir können davon ausgehen, dass die Akzeptanz der Neubauten durch die Öffentlichkeit von den Bauherren aufmerksam beobachtet wird und die öffentliche Meinung die Entwicklung be-einflusst. Die Stadt bemüht sich lebhaft darum, die öffentliche Diskussion in Baufragen anzu-regen. Gerade in den letzten Jahren hat dies zu erweiterten Aktivitäten in den Medien geführt.
Ihr Schreiben wird von uns als ein Beitrag zur öffentlichen Diskussion und Meinungsbildung begrüßt.

Mit freundlichen Grüßen







Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


 

Gesendet: 21:07 - 01.10.2003

"Die Demokratie geht in ihrer Rechtsystematik von der Baufreiheit aus. Dies führt zu Ergebnissen, die den gestellten Aufgaben und dem heute verbreiteten Lebensgefühl eher entsprechen (kennt der Mann unser Lebensgefühl ), als traditionelle Lösungen. Die Erfahrung zeigt, dass in dirigistisch gelenkten Staaten, wie im 3. Reich, oder wie in den Staaten hinter dem eisernen Vorhang, wo die Entwicklung der Architektur stagniert hat(hat sie das bei uns etwa nicht ) und traditionelle Lösungen gefördert wurden, die Bedürfnisse der Menschen (kennt der Mann die Bedürfnisse der Menschen )meist nicht befriedigt werden konnten."

Was für ein Unsinn!
Das sind die automatisierten, zum Schein politisch korrekten Phrasen, denen jeder belegbarer Wahrheitsanspruch abgeht, aber wohl nach wie vor fest in den Köpfen sitzt. Die angebliche historische Belastung traditioneller Architektur, wann wird man endlich aufhören diese unhaltbare Argumentation immer wieder aufzuwärmen.

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