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Autor Mitteilung
Brandeis
Baroness

Beiträge: 23


 

Gesendet: 00:10 - 05.02.2007


Endlich habe ich ein bisschen Zeit, weiterzuschreiben. Leibe Azwang, als erstes muss ich mich bei dir bedanken, für die ermutigenden Worte mit Bezug auf meine Deutschkenntnisse. Ich glaube, du hast in deinem letzten, sehr spannenden und interessanten Bericht über Schloss Konopiste uns viele Informationen gegeben. Ich werde aber im Folgenden versuchen, ein paar von meinen Eindrücken zu vermitteln.

Ich habe Konopiste zusammen mit tschechischen Freunden am 7 Mai 2006 besucht. Beim Anblick von Nordosten erinnert Konopiste heute an die Burgen vom Typ des französischen Kastells. Deine Beschreibung vom Parkplatz und den “Einrichtungen” im Hof (und auch im Park) stimmen ganz genau. Allerdings störte mich der “Rummel” auf dem Parkplatz weniger, weil letzterer vom Schloss selbst abgeschirmt ist. Ich war damals vor dem bevorstehendenden Besuch so aufgeregt, dass ich bei unserer Ankunft dies wirklich nicht so wahrgenommen habe. Erst bei unserer Abfahrt fiel es mir auf. Wir haben gelacht und uns köstlich über die Geschmacklosigkeiten des Kitschkrams amüsiert, der dort angeboten wird. Haben aber die Würste trotzdem genossen.

Ich habe nur an einer der drei Besucherrunden teilgenommen und die Privatgemächer von Franz-Ferdinand und seiner Familie im 3. Stock des Schlosses besichtigt. Wir hatten einige Zeit vor der Besichtigung warten müssen und sind im Park und Garten spazieren gegangen. Der Park ist schön, fand aber den Rosengarten etwas farblos und enttäuschend. Meine Freundin sagte mir, dass es Anfang Mai noch etwas zu früh sei, um den weltberühmten Garten in seiner vollen Pracht zu erleben. Ich fand den Kreuzweg interessant. Wenn ich mich nicht täusche, gibt es ähnliches auf dem Laurenzensberg (Petrin) im Prag. Angeblich ließ ursprünglich die Gräfin O’Kelly (geb. Vrtbova) den Kreuzweg in Konopiste zur Ehrung des Andenkens von sieben beim Schloss erschossenen Teilnehmern des Leibeigenenaufstands des Jahres 1775 errichten. Franz-Ferdinand ergänzte ihn nach einer Fahrt nach Lourdes im Jahre 1905. Gnädigste Azwang, kennst du dich aus, was Gräfin O’Kelly (geb. Vrtbova) und den Leibeigenenaufstand des Jahres 1775 angelangt? Ich weiß nur, dass Konopiste im 18 Jahrhundert der Familie von Vrtba gehörte.

Wir haben dann im Hof auf unseren Fremdenführer gewartet, einen Studenten namens Lukas. Interessanterweise scheinen die Gruppen klein gehalten zu sein, was ich gut finde (wiederum musste man dann etwas länger warten). Unsere Gruppe bestand aus nur sechs Personen, uns und einem unglaublich ignoranten Ehepaar aus Amerika, das absolute keine Ahnung hatte, um was es ging. Stellt euch vor, die haben nicht gewusst, wer Franz-Ferdinand überhaupt war und nie von Sarajevo gehört!! Gleich am Anfang haben sie die unglaublichsten Fragen gestellt. Meine Freundin ist wütend geworden (was machen die überhaupt hier, hat sie verzweifelt gefragt). Höhepunkt des ganzen war, als der Fremdenführer erzählte, dass Maximilian und Ernst von Hohenberg verhaftet und ins KZ gebracht wurden. „Ach”, hat die amerikanische Frau gesagt, “sie waren Juden, nicht wahr?” Zu diesem Zeitpunkt waren wir im Zimmer von ihrem Erzieher. Der Fremdenführer antwortete, beide seien katholisch gewesen und ihr Erzieher sogar ein katholischer Priester war. Er hat uns dessen Gewänder gezeigt, die noch im Kleiderschrank hängen. Die Amerikaner waren verblüfft. Es war anscheinend der Erzieher, der den Kindern die traurige Nachricht vom der Tod der Eltern überbrachte (das hatte ich vorher nicht gewusst).

Franz-Ferdinand hat Konopiste vollständig renoviert und auf den damals modernsten Stand gebracht. In dieser Hinsicht ist mir der Fahrstuhl aufgefallen (ich glaube, er ist noch funktionsfähig, aber wir haben die Treppe benützt) und auch die Badezimmer. Ich habe zwar Sophies Schreibtisch gesehen, aber ob ihr Tagebuch noch da lag, ist mir nicht aufgefallen (ich kann aber meine Freundin fragen). Auf dem Schreibtisch von Franz-Ferdinand lag ein Stammbaum mit Photos statt Namen, und da habe ich den Fremdenführer auf die Probe gestellt (weil ich natürlich alle Bilder erkannt habe). Aber er hat den “Test” gut bestanden, und war auch in der Lage, ein bisschen von Wallenstein zu erzählen, als ich ihn auf ein Portrait von letzterem aufmerksam gemacht habe, das im Gang hängt. Die vielen Familienportraits (vor allem das Portrait von Franz-Ferdinand und seiner Tochter Sophie von Frantisek Dvorak hat mir gefallen) und Photos dokumentieren das glückliche Familienleben. Etwas, das ich sehr bewegend fand.

Folgendes mag sich ein wenig komisch anhören. Von Photografien usw. hatte ich immer den Eindruck, Franz-Ferdinand und Sophie Chotek seien groß und relativ stark gebaut. Als ich aber ihre Kleider sah, gewann ich den Eindruck, dass sie nicht sonderlich groß sein konnten und dass Sophie sogar einen eher feinen Körperbau hatte. Obwohl es sein kann, dass die ausgestellte Uniform Franz-Ferdinands aus sein jungen Jahren stammt. Wie ich in einem früheren Bericht erzählt habe, hatte ich ein recht merkwürdiges Gefühl beim Betrachten von Sophies Kleid, Hut und der Pistolenkugel, mit der sie getötet wurde. Letztere sieht doch in der Glasvitrine so harmlos aus. Diese Gegenstände sind ganz am Ende des Rundgang zu sehen, der eine gute Stunde dauert. Wie Azwang sagte, die Wände der Gänge und auch manche Zimmer sind proppevoll mit Jagdtrophäen. Trotz den oben erwähnten “Mängeln”, hat Konopiste ein sehr tiefen Eindruck hinterlassen. Ich finde es WUNDERBAR, und kann es nur weiterempfehlen. Ich selbst werde es wieder besuchen und die anderen Rundgänge machen. Obwohl ich fand, es gibt dort so viel zu sehen und zu bewundern, dass mehr als ein Rundgang pro Tag kaum möglich ist. Ich glaube, es ist einfach schwierig, alles zu verarbeiten. Noch ein Hinweis. Am Ende des Rundgangs war uns sehr kalt (nebenbei: Lukas trug einen dicken Pullover). Die Klimaanlage scheint sehr niedrig eingestellt zu sein. Einer meiner Freunde hat Lukas danach gefragt. Er hat von +12 Grad gesprochen. Da bin ich aber unsicher, da 12 Grad sehr niedrig zu sein scheint. Auf alle Fälle, ein Pullover oder Fleece wäre nicht von Nachteil.

Ich hoffe, werte Sophie, meine Eindrücke waren von Interesse. Ich habe es absichtlich vermieden, eine detaillierte Beschreibung jedes einzelnen Zimmers zu geben. Das kann man in jedem Reiseführer nachlesen. Daher bin eher bei persönlichen Eindrücken geblieben.

Liebe Azwang, deine Frage, ob der Faschismus (Austrofaschismus und Nationalsozialismus) hätte eingedämmt werden können, hätten Österreich-Ungarn, wenn auch wohl nur als eine Föderation, den 1. Weltkrieg überlebt, ist schwierig. Ich werde Morgen weiter schreiben...bis dahin alles Gute!

Ergebenst und
Hochachtungsvoll
Brandeis

Sophie
Moderator

Beiträge: 1033


 

Gesendet: 15:30 - 05.02.2007

Vielen Dank, liebe Brandeis, für Deine Mühe.
Brandeis
Baroness

Beiträge: 23


 

Gesendet: 20:11 - 05.02.2007

Danke Sophie!

Liebe Azwang, deine Frage, ob der Faschismus (Austrofaschismus und Nationalsozialismus) hätte eingedämmt werden können, hätten Österreich-Ungarn, wenn auch wohl nur als eine Föderation, den 1. Weltkrieg überlebt, ist schwierig zu beantworten. Vielleicht sollte man die Frage anders formulieren. Und zwar ob Österreich-Ungarn überlebt hätte, wenn der 1. Weltkrieg gar nicht stattgefunden hätte. Franz-Ferdinand war eine entschiedener Kriegsgegner. Nicht etwa, weil er Pazifist gewesen ist, sondern weil er erkannte, dass Österreich-Ungarn zu schwach war, um einen großen Krieg erfolgreich führen zu können. Zudem benötigte das Habsburger Reich dringend Reformen.

Es scheint mir wie ein unglaublicher Schicksalsschlag, dass ausgerechnet der Mensch ermordet wurde und durch dessen Ermordung der Krieg ja erst ausgelöst wurde, der Österreich-Ungarn vom Krieg fernhalten wollte. Dies führt zu der Frage, ob, falls Franz-Ferdinand gekrönt worden wäre, als Kaiser Franz II im November 1916, die verschiedenen Volksgruppen (vor allem Magyaren und Deutsche) seine Reformen akkeptiert hätten. Nationalismus gehörte damals zum Zeitgeist. Angefangen von der Vereinigung Italiens im 19 Jh., über Norwegen (1905), bis hin zu Finnland, Irland, den baltischen Staaten und den ganzen ehemaligen Teilen von Österreich-Ungarn nach dem 1. Weltkrieg. Doch ich glaube, es wäre nicht einfach gewesen, Österreich-Ungarn zusammenzuhalten, sogar ohne Krieg.

Ich fürchte, der Faschismus war ein soziales Phänomen der 20iger und 30iger Jahre des l. Jh. Er hatte sich sowieso in Italien (das vom 1. Weltkrieg wirtschaftlich und geografisch durch seinen "Seitenwechsel im Jahre 1916 "profitiert" hat) und Spanien etabliert, also ich glaube "Österreich-Ungarn" (wenn es noch existiert hätte)und Deutschland wäre nicht verschont gebleiben. In dieser Hinsicht sollte man auch den Börsencrash an der Wall Street 1929 nicht vergessen.

Gräfin Diana Sternberg ist mir nicht unbekannt. Ich bin selber nie auf Schloss Castolovice gewesen, aber zwei meiner Prager Freundinnen gehen jedes Jahr zum "Tag der offenen Tür". Die Gräfin gewährt dann der Öffentlichkeit Einblick in ihre privaten Gemächer. Meine Freundinnen haben mittlerweile die Gräfin persönlich kennen gelernt und ein Exemplar ihres Buches (bin nicht sicher ob das Buch von ihr oder ihrer Mutter stammt) mit persönlicher Widmung bekommen. Ich bin sehr gespalten, wenn es um die Frage der Rückgabe von enteigneten Gütern geht. Denke aber in erster Linie an den Denkmalschutz. Ich meine, kein Privatmensch, egal wie reich, könnte ein Schloss wie Konopiste in Schuss halten. In der Frage nach sudetendeutschem Eigentum muss ich gleich zugeben, dass ich da viel zu sehr befangen bin, um eine Meinung zu äußern. In dieser Hinsicht möchte ich nur anmerken, dass seit Jahren die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) versucht, ein Denkmal für jene Sudetendeutsche zu errichten, die im Kampf gegen den Faschismus ihr Leben geopfert haben und den überlebenden sudetendeutschen Antifaschistinnen und Antifaschisten (leider eine sehr kleine Minderheit, aber immerhin), die trotz ihres Widerstands vertrieben wurden und ihre Heimat verloren. So viel ich weiß, wird diese Tatsache jetzt endlich anerkannt. Auch wird ein kleines Museum eröffnet und ein Denkmal enthüllt (in Reichenberg/Liberec denke ich, aber bin nicht sicher).

Es ist unangenehm, wie die Geschichte sich wiederholt. Wie du sagtest, werte Azwang, hat das Haus Habsburg in Tschschien das überwiegend protestantische Land rücksichtslos re-katholisiert, den heimischen, nicht katholischen Adel und das Bürgertum vertrieben, mit den enteigneten Gütern fremde Geschlechter, Gewinner des Dreißigjährigen Kriegs belehnt, die Stände ihrer althergebrachten Rechte und der Beteiligung an der Regierung beraubt, die Macht zentralisiert und die höhere Bildung germanisiert. Wobei natürlich Wallenstein eine zentrale Rolle gespielt hat, doch Enteignungen und Vertreibungen waren keine neue Erfindung.

Oh weh, ich bin von meinem eigentlichen Thema sehr weit abgekommen, Entschuldigung. Ich glaube, ich habe mehr als genug geschrieben und hoffe, Eure Geduld, werte Forumsmitglieder, nicht zu arg strapaziert zu haben.

Danke für den Hinweis auf das Wallenstein Buch. Nur ein Problem gibt es: meine Tschechischkenntnisse sind gleich Null. Das bisserl von der Sprache, das ich besitze, habe ich in erster Linie von meinem verstorbenen Schweigervater gelernt, aber auch durch meine Aufenthalte in Böhmen. Dort war ich ausschließlich mit Einheimischen zusammen. Gibt es das Buch in einer deutschen/englischen/französischen Übersetzung?

Ergebenst und
Hochachtungsvoll
Brandeis

Azwang
Herzogin

Beiträge: 117


 

Gesendet: 13:46 - 08.02.2007

Liebe Brandeis!

Gluecklicherweise schneinen Deine tscheschischen Bekannten
differenziert denkende Menschen zu sein, kurz gesagt solche,
die weiter sehen, als auf die eigene Nasenspitze. Allgemein aber
ist es meiner Meinung nach doch so, dass die Habsburgerzeit
in der tschechischen Gesellschaft mehrheitlich als negativ
empfunden wird. Erfreulich ist zumindest das Bemuehen von
einer Reihe juengerer Historiker, die alle noch im totalitaeren System ihre Studien absolvierten und dadurch
im gewissen Sinne indoktriniert sind, sich mit dieser langen
Periode der tschechischen Geschichte auseinander zu setzen
und sie gerechter zu bewerten, wobei nicht nur die Rolle der Dynastie sondern auch die des Adels neu ueberdacht
wird.

Zum Aufstand der Leibeigenen 1775 weiss ich nur so viel, dass
sich einige Bauern Zugang zum Schloss verschaffen wollten, um ueber die
Abschaffung oder Minderung der Robotverpflichtungen zu verhandeln.
Der Schlosshauptmann gab den Jaegern den Befehl zu schiessen. Sieben
der Aufstaendischen wurden toedlich getroffen. Marie Anna Graefin
O'Kelly, geborene Grafin Klenau (die Herren von Klenau - urkundlich
Ende 13. Jhd. erwaehnt, nannten sich nach einer Burg im Boehmerwald,
ausgestorben Mitte des 19. Jhd.) verwaltete damals Konopischt und
andere Gueter fuer ihren noch minderjaehrigen Sohn Franz Joseph
(1759-1830) aus der Ehe mit Franz Wenzel Graf Wrtba (+1762).
Die Graefin bereute den gewaltsamen Tod der Untertanen, reduzierte
die Abgaben und Robotverpflichtungen und liess als Suehnezeichen
den Kreuzweg errichten, den Du gesehen hast und der Dich richtigerweise
an den auf dem Laurenziberg in Prag erinnerte. Bauernaufstaende
flackerten in Boehmen Ende des 18. Jahrhunderts oefters auf und
wurden meistens brutal niedergeschlagen, also sind die Vorkommnisse auf Konopischt leider nichts Ungewoehnliches gewesen. Zumindest tat der Graefin der gewaltsame Tod ihrer Leibeigenen leid, wenn auch aus heutiger Sicht besser gewesen waere, haette sie das Geld
den Hinterbliebenen zukommen lassen.

(Zu ihrem Sohn Franz Joseph, dem letzten seines Geschlechts, noch eine
kleine Geschichte: Eines Tages stuerzte der alte Graf Wrtba auf dem
Trottoir in Wien und blieb verletzt liegen. Alle Passanten mieden ihn
achtlos in der Annahme, er sei betrunken oder er taeusche eine Verletzung vor, um dann seinen Retter auszurauben. Endlich hob ihn ein Herr auf, liess in in sein Palais bringen und gesundpflegen. Es war Johann Carl
Prinz Lobkowicz (1799-1878) aus der Krimicer Linie. Graf Wrtba
setzte ihn aus Dankbarkeit als seinen Universalerben ein.)

Uebrigens war Konopischt fuer sehr kurze Zeit im Besitz von Albrecht
von Waldstein, der es als Konfiskationsgut kaufte und sofort wieder verkaufte. Meiner Meinung nach sind die besten Biographien zu Waldstein eben auf
Tschechisch erschienen. Von Zdenek Kalista wurde bisher nur seine
Monographie ueber Bernard Bolzano ins Deutsche uebersetzt. Da Kalista
waehrend der totalitaeren Zeit mehrere Jahre inhaftiert und nach seiner
Entlassung seinen Beruf nicht ausueben durfte, sind viele seiner Schriften
noch unbekannt bzw. erscheinen erst gerade. Auch die antropologisch-
-medizinische Untersuchung der sterblichen Ueberreste von Waldstein
von MUDr. Emanuel Vlcek wurde nur auf Tschechisch publiziert.
Also empfehle ich zumindest Golo Mann: Wallenstein, Frankfurt am Main,
1971, neulich auch 2006 in Hamburg erschienen.

Deine Aussage, liebe Brandeis, dass Waldstein eine zentrale Rolle
spielte, habe ich nicht ganz verstanden. Er nahm ja nur an einem
kurzen Abschnitt dieser jahrhundertelangen Prozesse teil und
war schliesslich kein habsburgischer Ideologe. Freilich verhalf
er Haus Habsburg den Krieg zu gewinnen, aber letztlich ging er
genauso unter wie viele andere boehmische katholische Geschlechter,
die an der Seite des Kaisers standen und trotzdem zusehen mussten,
wie ihre Rechte und damit Macht und Einfluss beschraenkt werden.
Am Ende mussten sie erkennen, sich ins eigene Fleisch geschnitten
zu haben, wenn auch sie nicht wie Waldstein mit eigenem Leben
zahlen mussten. Ich moechte nicht den Eindruck erwecken, ich
stehe an der Seite der Protestanten gegen die Katholiken,
ich bin Agnostikerin, die einst sogar ziemlich schroffe
Atheistin gewesen ist, und moechte auf keinen Fall das
religioese Empfinden der Mitleser und Mitleserinnen beleidigen.


Castolovice ist ein wirklich sehenswertes Schloss. Graefin Diana
gewaehrt nicht den Einblick in ihre Privatgemaecher, sondern in
eine Pension, die sie im Schloss eingerichtet hat und die
ausschliesslich an britische Touristen, die organisiert anreisen,
vermietet wird. Diana Sternberg, die ihren Maedchennamen lediglich
in Tschechien verwenden, ansonsten heisst sie nach ihrem laengst
verstorbenen Ehemann Phipps, beschaeftigte sich waehrend ihrer Zeit
in London als Innenarchitektin und brachte auch ein Buch ueber
guenstiges Einrichten heraus. Mir liegt ihr Stil - veredeltes
Landhausstil in etwa - ganz und gar nicht, denn ich liebe Biedermeier
(uebrigens z.Z. eine interessante Ausstellung in der Wiener Albertina)
und vor allem die Moderne (Wiener Werkstaette, Bauhas). Trotzdem finde
ich ihre Bemuehungen ganz gut, der Stil, den man fuer die Einrichtung
der eigenen vier Waende waehlt ist schliesslich eine sehr individuelle
Angelegenheit - eben bis auf die Plastiksessel im Schlosshof.
Das Buch, das Du meinst, hat ihre Mutter Cecilia Sternberg, geborene
Reventlow-Criminil, geschrieben. Auf Deutsch heisst es Es stand ein
Schloss in Boehmen, im englischen Original The Journey.

Ich denke nicht, dass irgendetwas und schon gar nicht eine Person
haette den 1. Weltkreig verhindern koennen. Franz Joseph war schliesslich
auch kein Kriegsherr, hatte aber den fallschen Verbuendeten und war
zu sehr Kavallier, um die Seiten zu wechseln. Aber auch ich empfinde
als tragisch, dass gerade Franz Ferdinand am Anfang dieses Kriegs
steht. Ja, die Geschichte wiederholt sich. So wie 1618 ein lokaler
Konflikt zum 30.-jaehrigen Krieg fuerte, so aehnlich war es 1914.

Ich weiss ueber die Bemuehungen des VVN und auch ueber die
Schwierigkeiten, auf die sie in der tschechischen Gesellschaft
mit ihren Aktivitaeten gestossen sind. Immerhin gibt es einen
wichtigen Umdenkprozess. Die Widerstandskaempfer - und es gab
solche unter den Sudetendeutschen - sollten auf jeden Fall
fuer die Vertreibung entschaedigt werden, auch jene Juden,
die aus der Emigration oder aus einem KZ zurueckkehrten
und trotzdem vertrieben wurden, falls sie sich z.B. bei
der letzten Volkszaehlung 1933 als Deutsche eintragen liessen.
Ihnen gebuehrt eine Entschaedigung aus moralischer Sicht.
Den Nazis aber und auch den Mitlaeufern meiner Meinung nach
nicht, wenn auch ich die Vertreibung als ungerecht betrachte.
Ich denke, sie hat stattfinden muessen, obwohl ich die
Brutalitaet, mit der sie anfaenglich durchgefuehrt wurde,
nicht gutheissen kann, sonst gebe es in dem Land nie wieder
Frieden.

Anmerken moechte ich noch, dass mein Schwiegervater,
der Spanienkaempfer und Widerstaendler, der 8 Monate lang
in Haft war und gluecklicherweise nach London fluechten konnte,
in keinster Weise in irgendeiner Form fuer sein in Oesterreich
arisiertes Vermoegen entschaedigt wurde. Er starb 1982. Mein
Mann erhielt im Juni 2006 eine Zuschrift des Enschaedigungsfonds,
es stehen ihm 4000 Euro als Pauschale zu fuer seine Grossmutter
und Grossvater mueterlicherseits (vergast in Belgrad) sowie
fuer seinen Grossvater vaeterlicherseits (gestorben im Ghetto
von Lodz). Vier Tausend Euro fuer drei menschliche Leben!!!
Von weltlichen Guetern oder Verlust der Heimat spreche ich
erst gar nicht. Das Geld, das umgehend in ein universitaeres
Projekt in Afrika gespeist wird (damit will ich mich nicht
gut machen), ist eh no net eingelangt.

Auch ich habe jetzt mehr als genug geschrieben, vor allem
glaube ich, mit voellig 'forumfremden' Themen die Nerven der lieben Sophie sowie aller Mitglieder ungebuehrlich strapaziert zu haben. Entschuldigung noch fuer die spaete Reatktion, ich bin fast immer unterwegs, nicht aber immer in der Naehe eines Internetanschlusses.
Brandeis
Baroness

Beiträge: 23


 

Gesendet: 22:23 - 11.02.2007

Liebe Azwang!

wie schön, wieder von dir zu hören! Vielen, vielen Dank für deine Information zum Aufstand der Leibeigenen im 1775. Die kleine Anekdote zu Franz Joseph Graf Wrtba und Johann Carl Prinz Lobkowicz hat mir gut gefallen.

Ich habe Golo Manns Wallenstein, Frankfurt am Main, 1971 (die 1996er Ausgabe, gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier!). Ich habe sehr oft versucht, es zu lesen. Das letzte Mal während unseres Gardasee-Aufenthalts im Sommer letztes Jahres. Bin aber nie weitergekommen als bis Seite 172, da ich Manns Schreibstil äußerst schwierig finde. Irgendwann nimmt man dann doch ein anderes Buch in die Hand und lässt den “Wallenstein” liegen. Demnächst wird eine Albrecht von Waldstein Ausstellung in Prag eröffnet, und ich werde hinfahren, um sie zu besichtigen. Meine Freundin hat mir angeboten, dass wir gemeinsam sein Grab in Münchengrätz (Mnichovo Hradiště) besuchen können, da ich noch nie dort war. Schade, dass ich die tschechische Sprache nicht beherrsche, sonst würde ich natürlich gerne auch die Arbeiten von Zdenek Kalista lesen. Und natürlich auch MUDr. Emanuel Vlceks anthropologisch-medizinische Untersuchung zu den sterblichen Überresten von Waldstein. Ich habe vor, einen Tschechisch Sprachkurs zu besuchen. Da wir auf dem Land wohnen, bin ich auf die Angebote der Volkshochschule in der nächsten Stadt angewiesen. Dort aber gibt es nur einen Kurs für Fortgeschrittene und, soviel ich weiß, auch keine Pläne, einen Anfängerkurs anzubieten. Aber: kommt Zeit, kommt Rat! Die Rolle Wallenstein/Waldstein kam mir immer als sehr bedeutend vor. Wie du aber richtig sagtest, vielleicht überschätze ich seinen Einfluss doch ein wenig.

Zu Castolovice: Nie habe ich von einer Pension im Schloss für britische Touristen gehört. Entweder habe ich meine Freundinnen GANZ falsch verstanden, oder die beiden haben die Gräfin missverstanden. Ich werde aber danach fragen. Danke für den Hinweis. Übrigens teile ich deinen Geschmack für die Moderne (Wiener Werkstätte, Bauhaus). Auch Jugendstil gefällt mir recht gut.

Was Franz-Ferdinand und den Ersten Weltkrieg anbelangt: Meines Wissens nach, hat Kaiser Franz-Joseph den Ersten Weltkrieg bewusst provoziert. Laut Zeitzeugen war er sich durchaus im Klarem, dass das Ultimatum an Serbien zu einem allgemeinen europäischen Krieg führen könnte. Es scheint so, dass sogar Kaiser Wilhelm II und dessen Kanzler Bethmann-Hollweg im Juli 1914 ein Telegram nach Wien geschickt haben. Franz-Josef wurde darin aufgefordert, das österreichische Ultimatum noch einmal zu überdenken. Obwohl die “Nicky-Willi”-Telegramme weithin bekannt sind, konnte ich als einzigen Hinweis zu o.g. Telegramm nur einen Eintrag in Virginia Cowles Buch “Der Kaiser” finden.

In einem Interview vom 3.11.1916, was Dr. Heinrich Kanner mit dem seit 1912 amtierenden k. u. k. Finanzminister und Minister für Bosnien, Leon von Bilinski, führte, behauptete Bilinski, er habe am 19. Juli 1914 die Situation mit dem Kaiser diskutiert. Franz-Joseph war fest davon überzeugt, ein Krieg auf dem Balkan sei die einzige Möglichkeit, Südslaven und Russland zu drängen, ihre terroristischen Aktivitäten gegen Österreich-Ungarn einzustellen. Weiter sagte Bilinski, Franz Joseph wollte bereits 1913 in Montenegro und dann auch in Serbien einmarschieren (Ultimatum vom 18.10.1913). Grund dafür war die Präsenz serbischer Truppen in Scutari. Des weiteren betonte Bilinski, Franz-Ferdinand sei ein vehementer Kriegsgegner gewesen. Seine Gemahlin, Herzogin Sophie, die einen großen Einfluss auf den Thronfolger ausübte, war eine noch entschiedenere Kriegsgegnerin, da sie sich ernsthafte Sorgen wegen seiner (Franz-Ferdinand) persönlichen Sicherheit machte.

Die Transkription dieses Interviews tauchte erst 1971 im Hoover Institute on War, Revolution and Peace, in Stanford/USA auf, in einer dreibändigen Sammlung der gesammelten Notizen von Dr. Kanner. Laut den Untersuchungen von Professor Robert A Kann von der Princeton University, sind die Dokumente authentisch. Somit entsprechen Bilinskis Aussagen der Wahrheit. Aus diesem Grund denke ich, wenn überhaupt jemand den 1. Weltkrieg hätte verhindern können, wäre es Franz-Ferdinand gewesen. Auch ein anderes Szenario wäre denkbar gewesen: Franz-Ferdinand hätte mit Sicherheit versucht, Österreich-Ungarn aus einem Krieg herauszuhalten. War er sich doch vollkommen im Klaren darüber, dass Österreich-Ungarn dringend Reformen gebraucht hätte, bevor es in einen Krieg hätte ziehen können. Ob dies einen großen Unterschied gemacht hätte, was das Weiterbestehen des Habsburger Reiches anbelangt, kann ich nicht sagen. Denn der Nationalismus hatte bereits starke Züge angenommen.

Nebenbei bemerkt: Ich lese zum zweiten Mal - nach fast 20jähriger Pause – Joseph Roths Roman “Radetzkymarsch”. Passt natürlich außerordentlich gut zu diesem Thema. Mir ist aufgefallen, Roth erwähnt darin den Namen “Sternberg”. Nicht gerade in einem sehr schmeichelhaften Zusammenhang. Vielleicht sollten wir einen weiteren “Thread” zum Thema Habsburg in der Literatur beginnen. Oder vielmehr Habsburg und die Literatur, was Kaiserin Elisabeths Liebe für Shakespeare, Ibsen und vor allem für ihren Helden Heinrich Heine (wenn er es nur gewusst hätte!!) mit einschließen würde.

Liebe Azwang, wie ist deine Bemerkung “die Vertreibung hat stattfinden müssen…sonst gebe es in dem Land nie wieder Frieden” zu verstehen? Meinst du, dass wenn die Sudetendeutschen nicht vertrieben worden wären, beide Seiten, d.h. Tschechen und Deutsche, sich auf Dauer gegenseitig zerfleischt hätten? Paradoxerweise habe ich festgestellt, dass es heutzutage in der Tschechischen Republik noch viele Menschen mit “deutschen” Namen gibt. Gleichzeitig tragen viele Sudetendeutsche sog. “tschechische” Namen. Ist doch alles sehr verwirrend.

Obwohl ich schon von der “Entschädigung” für ehemalige Zwangsarbeiter gehört habe, kann ich nur sagen, dass ich zutiefst schockiert bin über die 4.000 Euro Pauschalabfindung. Meiner Meinung nach, ist das nichts anderes, als eine Beleidigung der Toten, die schon so viel an Unrecht und Bestialität zu ihren Lebzeiten erdulden mussten. Menschenleben kann man nicht mit Geld aufrechnen. Trotzdem erwartet man irgendeine Geste, ein Zeichen des Respekts und der Reue. Diese Abfindung erzielt das glatte Gegenteil. Abgesehen von der Tatsache, dass sie bestimmt in keinem Verhältnis zum Wert des verlorenen Besitzes steht.

Ich glaube, gnädigste Azwang, es ist besser, ich mache Schluss für heute. Sonst bekomme ich womöglich noch eine „rote Karte“ mit dem Hinweis, das Spielfeld zu verlassen. Haben wir uns doch mit unserer spannenden Diskussion relativ weit weg von den üblichen Themen dieses Forums bewegt.
Ergebenst und
Hochachtungsvoll
Brandeis
Azwang
Herzogin

Beiträge: 117


 

Gesendet: 01:20 - 13.02.2007

Liebe Brandeis!

Bin voellig einverstanden, Golo Mann ist nicht einfach zu lesen und Tschechisch zu lernen erst recht nicht! Dein Vorsatz ist sehr mutig und ich wuensche Dir auf jeden Fall eine baldige Loesung der damit verbunden Schwierigkeiten, viel Spass und Erfolg!

Ich war noch nie in Muenchengraetz. Das Schloss aber mit seiner Ausstattung soll sehr wertvoll sein. Du weisst vielleicht, dass Albrecht von Waldstein zuerst zwei Jahre lang in Stribro, einer Stadt unweit von Eger, beigesetzt war, bis seine Witwe die kaiserliche Erlaubnis zur Ueberfuehrung der Leiche nach Valdice bekam. Valdice war eine von Albrecht und seiner ersten Frau gegruendete Kartause. 1782 wurde das Kloster im Zuge der josephinischen Reformen aufgehoben. Die Familie Waldstein suchte um die Herausgabe der Saerge an, die dann nach Muenchengraetz ueberfuehrt wurden. Valdice wurde zu einer Strafanstalt umfunktioniert, die bis heute besteht.

Castolovice habe ich vor einigen Jahren besucht. Damals ging es um eine Pension und auch heute noch steht es auf der Webpage. Aber moeglicherweise werden jetzt am Tag der offenen Tuer auch die Privatraeume von Diana Sternberg gezeigt. Es gibt immer mehr Aktivitaeten im und um das Schloss herum.

Im Moment ist mir Roths Passage ueber Sternberg in "Radetzkymarsch" nicht gegenwaertig. Sternberg war und ist ein starkes Geschlecht mit den unterschiedlichsten Persoenlichkeiten. Ging es etwa um einen Grafen mit dem Spitznamen "Monschi"? Der soll nach dem Ende der Monarchie auf seine Visitenkarten drucken lassen: "Geadelt von Karl dem Grossen, entadelt von Karl Renner". Die Sternberg sind die einzige boehmische Adelsfamilie, die schon immer im Herrenstand war. "Herren" war die urspruengliche Bezeichnung des hoeheren Adels in Boehmen und Maehren. Grafen-, Fuersten- und sonstige "Reichs"titel wurden erst im 17. Jahrhundert gebraeuchlich und gesetztlich verankert. Fuehrte vorher ein Herr einen Reichstitel, so war es seine Privatangelegenheit.

Verzeih, aber dass Franz Joseph I. den Krieg bewusst provozierte, finde ich gar nicht. Eher duerfte er seine Ultimata und deren Folgen unterschaetzt haben. Mir scheint es
so, dass er, der in jungen Jahren als Feldherr versagte und auch in den Faellen, in denen er den Oberbefehl anderen ueberliess, mit Ausnahme von wenigen gewonnen Schlachten, immer nur Verluste erlitt, jeden weiteren Krieg scheute. An der Echtheit der Aufzeichnungen von Dr. Kanner, von denen Du schreibst, besthet sicherlich kein Zweife. Es existiert aber eine Reihe von Interviews mit Persoenlichkeiten aus Franz Josephs Umgebung, die Heinrich Friedjung fuehrte und die zeichnen ein anderes Bild. Allerdings geht es bei Friedjung so wie bei Kanner beiden um die Wiedergabe der Worte des Kaisers durch Dritte und wenn auch die Personen, die sie ueberlieferten, ihrer Meinung nach die Wahrheit sagten, so ist es immer nur ihre persoenliche Interpretation.

Ernst von Koerber, ein Kurzzeit-Ministerpraesident, sagte: "Der Kaiser hat der Monarchie zweimal unendlich geschadet, einmal durch seine Jugend und das zweite mal durch sein Alter" (so Aehnlich). Dem muss ich mich anschliessen und den Schaden, den er im Alter angerichtet hat, fuehre ich auch auf das Beharren auf dem Ausgleich mit Ungarn und nur mit Ungarn zurueck. Seine Entscheidungen bestimmten zum Schluss nur noch gewisse Automatismen, die schon Rudolf erkannte und Franz Ferdinand, der laenger lebte, noch krasser. Der Thronfolger hatte ein Konzept zur Rettung der Monarchie, waere aber 1916 so wie jeder, gescheitert, ob mit oder ohne Reformen. Und wahrscheinlich waere er auch frueher gescheitert, denn sein Plan Kroatien von Ungarn zu trennen stand den nationalistischen Machtanspruechen der Ungarn und der
Serben im Wege.

Die Habsburger in der Literatur oder die Habsburger und die Literatur ist sicherlich ein schoenes Thema. Kennst Du Claudio Magris "Der Habsburger Mythos in der modernen oesterreichischen Literatur"? Ja, Heinrich Heine war - ist auch mein Lieblingsdichter, der mir frueher mit seiner Ironie in Kombination mit ein paar Achterln Rotwein ueber manches Tief hinweggeholfen hat.

Ja, ich habe genau das gemeint, naemlich dass sich Tschechen und Deutsche auf die Dauer zerfleischt haetten. Der gegenseitige Hass war nach dem Krieg derart hochgeschaukelt... ich wuesste keine bessere Loesung als die Vertreibung, aber sie war inhuman. Dass einige Deutsche und sehr viele Oesterreicher, insbesondere Wiener, tschechische Familiennamen tragen und die Tschechen wiederum deutsche, ergibt sich aus dem jahrhundertelangen Zusammenleben. Es gab ja stets Mischehen, Einwanderung der Tschechen in die mehrheitlich deutschen Grenzgebiete und umgekehrt die Einwanderung der sgn. Sudetendeutschen ins Innerboehmen und -maehren, wo sie auch einige Sprachinseln, vor allem in den grossen Staedten bildeten (Prag, Bruenn, Iglau, Olmuetz). Wien war ein enormer Anziehungspunkt fuer viele cisleithanische Buerger und maehrische Handwerker, Dienstmaedchen und Studenten hatten Wien naeher als Prag. So wanderten sie massenhaft in den Schmelztigel der Nationen ein.

Liebe Brandeis, Du hast es genau erfasst. Diese Abfertigungspauschale fuer die waehren der Shoa umgekommenen Familienmitglieder meines Mannes ist eine Beleidigung dieser Toten und mir waere es nur recht darauf zu verzichten. Wahrscheinlich haette ich auch bei groesseren Betraegen verzichten wollen, aber wer weiss? Bekanntlich ist jeder kaeuflich, es kommt nur auf den Preis an... Aber es geht um die Angehoerigen meines Mannes und er sieht die Sache pragmatisch - lieber das Geld nehmen und spenden, als es dem Staat oder der Israelitischen Kultusgemeinde zu ueberlassen.


Mein Hund, der mir gerade Gesellschaft leistet, stupst mich an, ein Zeichen, ihn noch einmal in den Garten hinauszulassen.

Gute Nacht, liebe Brandeis.
Brandeis
Baroness

Beiträge: 23


 

Gesendet: 11:07 - 22.02.2007

Liebe Azwang,

bitte entschuldige, dass ich dich so lange auf meine Antworte habe warten lassen. Ich war einfach ziemlich beschäftigt in den letzten zehn Tagen.

Bezüglich Roths Passage über Sternberg in "Radetzkymarsch": Er nennt ihn nur “der kleine Sternberg”. Er taucht in Kapitel Sieben auf, das vom Duell zwischen Tattenbach und Dr. Demel handelt. “Und der kleine Sternberg, durch dessen Gehirn die Gedanken einzeln dahinzuschießen schienen pflegten, wie einsame Vögel durch leere Wolken, ohne Geschwister und ohne Spur…”. "Monschi" Sternberg scheint ein Witzbold gewesen zu sein. Ich finde seinen Einfall mit den Visitenkarten sehr komisch: "Geadelt von Karl dem Grossen, entadelt von Karl Renner".

Die Gründe für den Ersten Weltkrieg sind ziemlich kompliziert und mit einer Menge “wenn und aber” verbunden; z.B. hätte Großbritannien in den ersten Juliwochen von 1914 klar gemacht, dass es Frankreich unterstützen würde, hätte Deutschland bestimmt mehr Druck auf Österreich-Ungarn ausgeübt. Kaiser Wilhelm II ist davon ausgegangen, dass Großbritannien neutral bleiben würde, bis es zu spät war. Es ist klar, dass Kaiser Franz-Joseph I. seine Ultimaten an Serbien nicht selber geschrieben hat. So viel ich weiß, war es der amtierende Außenminister Leopold Graf Berchtold (1863-1942), der sie vorbereitet hat. Sie waren so konzipiert, dass Serbien nicht alle Punkte erfüllen konnte, sodass Österreich-Ungarn dem Land Krieg erklären konnte. Das habe ich gemeint mit “bewusst provozierte". Natürlich haben alle damals die Folgen unterschätzt und auch die Schrecken der “modernen Kriegsführung”. Alle haben einen kurzen Krieg erwartet, vielleicht ausgenommen Sir Edward Grey, der britische Außenminister. Kaiser Wilhelm hatte sogar behauptet, seine Soldaten wären „bevor Laub runterfällt“ wieder zu Hause. Meinst du, werte Azwang, Franz-Joseph hat sich von Berchtold und anderen überreden lassen? Meine persönliche Erklärung ist folgende: Obwohl Franz-Joseph I. sehr alt war (er war 84 am 18 August 1914), glaube ich, dass er geistig rege war und gewusst hat, um was es geht. Auf der anderen Seite hat er in seinem langen Leben sehr viel erdulden müssen. Er hat selbst gesagt: “Mir bleibt nichts erspart” - was auch stimmt. Er war persönlich immer ein integrer, stets gutmeinender und pflichtbewusster Monarch. Aber ich denke, er hat schlicht und einfach genug gehabt und nach so vielen Jahren der Demütigung, Verluste und Frustration wollte einen letzten Versuch starten, Stärke zu zeigen und die Monarchie zusammenzuhalten, aus purem Trotz. Ich bin auch der Meinung, dass der Ausgleich mit Ungarn wegen deren nationalistischen Machtansprüchen viel Schaden angerichtet hat. Aber auch die Deutsche haben der Sache nicht geholfen; z.B. durch den Streit um die Badenischen Sprachenverordnungen.

Nein, leider kenne ich Claudio Magris "Der Habsburger Mythos in der modernen österreichischen Literatur" nicht. Ich muss in der Bücherei schauen.

Interessanter Zufall, dass Heinrich Heine so viele Leute anspricht. Ich frage mich immer, wie er mit die Huldigung und Liebe von Elisabeth umgegangen wäre, wenn er noch ein paar Jahre länger gelebt hätte und vielleicht nicht so krank gewesen wäre. Ein andere Frage ist, warum war Elisabeth so auf Heine fixiert? Ich wollte am vergangenen Sonntag anlässlich Heines 151. Todestags was ans Forum schreiben. Auf Grund des Zeitmangels bin leider nicht dazu gekommen.

Ich werde Morgen weiter schreiben...bis dahin alles Gute!

Ergebenst und
Hochachtungsvoll
Brandeis
Azwang
Herzogin

Beiträge: 117


 

Gesendet: 15:15 - 22.02.2007

Liebe Brandeis!

Auch ich stehe jetzt, kurz vor der Abreise ins Wochenende, schon unter Zeitdruck. Daher nur kurz zu den Ultimata v. FJ.: Ich glaube, dass nicht so wesentlich ist, wer sie konzipierte. Der Kaiser war sicherlich geistig noch so rege, dass ohne seine ausdrueckliche Zustimmung kaum etwas geschehen konnte. Aber er musste schon in den Anfangsjahren seiner Regenschaft den schmerzhaften Verlust von Lombardo-Venetien einstecken, spaeter kam noch der Ausschluss aus dem Deutschen Bund hinzu und die Vormachtsstellung Preussens. Bosnien-Herzegowina war der einzige Landgewinn waehrend seiner langen Regierungszeit und so konnte er sich einfach nicht damit abfinden, dass dieses Land selbstaendig geworden waere oder aber sich Serbien angeschlossen haette. Irgendwie tragisch, dass gerade dieses Land, um das er sein Reich als einziges erweiterte zum jenem Pulverfass wurde, durch das die ganze Monarchie explodierte.

Er MUSSTE mit einem kurzen Krieg rechnen, denn eines wusste er bestimmt, naemlich dass er nicht das geworden ist, wozu er als der erste Habsburger systematisch erzogen wurde, ein guter Stratege und erfolgreicher Kriegsherr.

Ich muss aufbrechen und komme erst am Mittwoch zurueck. Dann freue ich mich auf weitere Zeilen von Dir.
Brandeis
Baroness

Beiträge: 23


 

Gesendet: 21:18 - 01.03.2007

Ahoy Liebe Azwang!

Ich hoffe, du bist gut zurückgekommen. Meine Zeit ist leider wieder etwas knapp bemessen, werde mich aber bald melden.

Bis dahin alles Gute!

Ergebenst und
Hochachtungsvoll
Brandeis
anna
Großherzogin

Beiträge: 205


 

Gesendet: 14:32 - 04.03.2007

es war ein beglückendes gefühl feststellen zu dürfen,dass es personen,wie azwang und brandeis gibt,die über ein sehr,sehr großes wissen verfügen und dieses mit einfühlungsvermögen verbinden können..mit großer begeisterung verfolgte ich diesen regen gedankenaustausch und war über die interessanten ergebnisse positiv überrascht.die beiden sind für das forum eine enorme bereicherung und werden sicherlich durch qualifizierte aussagen auf sich aufmerksam machen!vielen dank für die spannenden beiträge,die auch hoffentlich in zukunft nicht ausbleiben werden!!!!

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