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 Forum Index —› Deutschland —› Nürnbergs Wiederaufbau
 


Autor Mitteilung
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 01:37 - 14.06.2003

@freunde
bin in der Woche vor Dresden mal mit der Digicam losgezogen und habe einige Bilder vom heutigen Nürnberg gemacht:
Nürnberg wird ja häufig hier im Forum hochgelobt wegen seines Wiederaufbaus.
Was die grundsätzlichen Entscheidungen in den 50ern betrifft, stimme ich dem auch zu.
Wie sehr sich Nürnberg HEUTE aber von dem ehemaligen „900-Jahre Kontinuum“ unterscheidet und was es für Deutschland mal war, möchte ich denen, die es nicht kennen, nachfolgend an einigen Beispielen zeigen.

Für jemanden, der die Bilder noch nie gesehen hat, muß es bis dato auch schleierhaft sein, warum in Nürnberg überhaupt so mit der Vergangenheit gerungen wird. Warum überhaupt so eine Diskussion über die Stadt geführt wird. Norimbergus und ich machen es durch die Thematisierung hier im Forum z. T. schon vor (Thx, Norimbergus für die Diskussionspunkte über N!) – innerstädtisch ist manches mal viel mehr Streitgespräch...

Einzigartig muss der Blick von der Burgfreiung auf das Gewirr spitzgiebeliger Dächer und Türmchen gewesen sein. Aus diesem Meer ragten die beiden Hauptkirchen St. Lorenz und St. Sebald, heraus.

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Die Romantik prägte das Wort von „des deutschen Reiches Schatzkästlein“, das beim Reichtum an Kunstschätzen, der Vielfalt an Bauformen – reichverzierten Höfen, Erkern, Chörlein, Brunnen und Hausfiguren – wohl nicht unberechtigt war.

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Neben Holz wurde vor allen Dingen Sandstein zum Bau verwendet, der vor der Stadt gebrochen wurde. Durch die strengen Bauvorschriften ergab sich über Jahrhunderte ein einheitliches, aber trotzdem nie monotones Stadtgefüge:

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Alle Häuser zeigten die Traufseite zur Straße, dabei höchstens mit drei- oder vier Stockwerken zulässig.

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Die oft engen, dem hügeligen Gelände angepassten Strassen waren teilweise platzartig verbreitert, so dass die Stadt als Abfolge verschieden gestalteter Freiräume erlebt wurde.

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Ein Stadtbild kaum glaubhaft mehr in seiner Versonnen und Versponnenheit!

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Schon zu Dürers Zeiten (1471-1528 ) war die Stadt in ihrem äußeren Umfang und dem wesentlichen Bestand an historischen Bauten abgeschlossen.
Was in späteren Zeiten hinzukam, konnte zwar das Bild noch bereichern, aber weder Gesamt form, noch architektonischen Ausdruck entscheidend verändern.
Die großen städtebaulichen Veränderungen des 19. Jahrhunderts, denen andere Städte unterworfen waren, wirkten sich nur auf wenige isolierte Fleckchen innerhalb der Stadtmauern aus. 1940 war Nürnberg noch eine Großstadt wie aus einer anderen Zeit.

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Wie gesagt: 1945 hatte Nürnberg innerhalb der Altstadt 90% der historischen Gebäude eingebüßt.
Alles, was man heute sieht, sind verglichen mit der Vergangenheit, stumme Zeugen, anklagende Reste. Man kann nur bemüht sein, etwas - ein wenig - wiederzugewinnen.

Nürnberg wurde durch die Zerstörungen in seinen Grundfesten erschüttert aber dennoch nicht ausgelöscht. Das anatomische Gerüst des Stadtkörpers blieb mit seinen Fixpunkten Burg, Kirchen, Kommunalbauten und Befestigungslinien bewahrt und gibt die Möglichkeiten zum Wiederaufbau. Wie sehr dieser Wiederaufbau aber noch mit Schmerzen verbunden ist und unwiederbringliche Verluste beinhaltet, sollen nachfolgende Bilder zeigen. Die Aufnahmen sind jeweils aus gleicher/ähnlicher Perspektive gemacht.

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Grüße aus Nürnberg
Paul
registriert

Beiträge:


 

Gesendet: 01:50 - 14.06.2003

@Jürgen
Vielen Dank. Habe soeben mit Erschütterung diese Fotos gesehen. Das müßte eigentlich reichen, um einen Volkssturm der Entrüstung loszubrechen, warum geschieht das nicht???
Und weshalb fallen denn jeden Tag die Touristne wie die Heuschreckenschwärme nach Rothenburg ob der Tauber ein?
Aber im Grunde ist mir schon klar , was fehlt, Boddien hat es in seinem Vortrag alles gesagt:
"Wer nicht hören will , muß sehen."
Wir müssen den Phantomschmerz bewußt machen. Wir brauchen eine bundesweite Zeitung, die dieses Thema immer wieder in all' seinen Facetten aufgreift, es muß als Stoff in den Schulunterricht, es muß die Gehirne beherrschen, so wie es mich seit Kindertagen TAGTÄGLICH quält.
Die Methode der Gegenüberstellung wurde übrigens von Schultze-Naumburg perfektioniert, schau Dir mal die HP an :
www.paulschultzenaumburg.de
und dort die Unterseite "Veröffentlichungen von" und dort die "Kulturarbeiten". Alles schon mal dagewesen.
Also, daß wir uns im Juli sehen, ist doch Ehrensache!
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 02:33 - 14.06.2003

@paul
Es ist momentan fast nichts mehr vorhanden, was uns in Deutschland vom Stadtbild an unsere kulturelle Identität und Vergangenheit erinnert: Was wir haben ist in Museen und wurde damals gerettet - der letzte, abstrakte Rest, da nicht tagtäglich sichtbar.
Le Corbusier, Jahn und globaler Einheits - Style helfen uns da eben überhaupt nicht... das geht um vieles tiefer. Man kann nicht einfach weiterhin Experimente in unseren Innenstädten durchführen – Deutschland braucht völlig andere Visionen, soll Identität mit dieser Geschichte wiedergefunden werden.
mathias
Senior-Mitglied

Beiträge: 315


 

Gesendet: 02:35 - 14.06.2003

@Jürgen
Vielen Dank für die Gegenüberstellungen!

Tatsächlich sind ja wenigstens die Straßen- und Platzsituationen noch erkennbar. Aber die heutige Architektur ist in ihrer Biederkeit und Banalität erschreckend im Vergleich mit den charaktervollen und selbstbewussten Alt-Nürnberger Bürgerhäusern! Der Nachfolgerbau des reichverzierten schmalen Toplerhauses ist z. B. an Einfallslosigkeit kaum noch zu überbieten. Aber ihren wahren Charakter zeigen die Häuser eben erst bei der Gegenüberstellung mit dem Vorgängerbau!
Es müsste Tafeln geben vor den Häusern, mit Bild: Hier stand...
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 02:55 - 14.06.2003

@mathias
Die Tafeln gibt es glücklicherweise zu Dutzenden in Nürnberg. Und
es gibt immer noch ein schönes, romantisches Nürnberg, das die Besucher fasziniert und das sehr viel Lebensqualität besitzt: Auf das, was verloren ist hinzuweisen, war mir aber wichtig, da man nur so das Gegenwartsbild richtig einordnen kann.
Vor allem vertrete ich die Ansicht, wir dürfen uns nicht mit dem zufrieden geben, was wir momentan in Deutschland sehen...Das hat wenig mit unserer Identität zu tun.
mathias
Senior-Mitglied

Beiträge: 315


 

Gesendet: 03:13 - 14.06.2003

@Jürgen

Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Das alte Nürnberg war ein Juwel. Wenn der Wille da ist, dieses Juwel in wichtigen Teilen zurückzugewinnen, die bisher geleisteten Bemühungen fortzuführen, dann wird dies auch möglich sein. Das ist auch eine Anerkennung und Fortführung der Aufbauleistung nach 1945.

Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 19:01 - 14.06.2003

@paul
Ein Medium, dass den ehemaligen und den IST-Zustand von Hildesheim, Frankfurt, Dresden, Potsdam, Nürnberg usw. aufzeigt wäre sehr gut.
(Eigentlich natürlich jede Stadt in D, die von flächenhaften Zerstörungen Betroffen war!)

Denn ich denke, viele sind sich der Schönheiten die mal waren, überhaupt nicht bewußt. Das heutige Stadtbild wird von vielen als vorhandenes, gegebenes Übel hingenommen:

"Es ist eben nicht so schön wie in Italien, weil wir einen Krieg hatten (und verursacht hatten)!", das ist doch der Standard-Spruch.

Von dem her könnte einfach Aufklärung eine erste Möglichkeit sein, etwas zu bewirken.
Wie sich die Städte jahrhundertelang vorher präsentierten, welche Perlen wir hier in Deutschland zum Teil hatten, welche UNESCO Weltkulturerbe-Kandidaten, weiss ja kaum noch jemand.

Zeigt man aber solchen Menschen mal Bilder Alt-Nürnbergs sind eigentlich auch die härtesten, abgestumpftesten Charaktere berührt. Irgendeine Gefühlsregung kommt dann meist, und wenn es nur die Aussage ist: "Oh, man erkennt ja fast gar nicht, dass das Nürnberg ist..."
Es gehört eben ein Stück Überwindung dazu, aus eigenem Antrieb nach solchen Motiven und Stadtansichten zu suchen. Die Quellen sind manchmal nicht leicht zu finden. Thematisiert wird in der Öffentlichkeit, wie Du erwähntest, ja fast nicht.
Reiseberichte über schöne Städte gibt es zuhauf: Bücher, Zeitschriften, Sendungen, Serien (Facharzt Dr. XY aus CapeTown mit seiner Klinik am Super-Beach) nur Deutschland ist eigentlich nie dabei, weil es keine Stadt mehr gibt, die weltweit gesehen so richtig inKonkurrenz treten könnte.

Eine Art von Medium könnte in dieser Hinsicht deswegen einen leichteren Zugang zur Materie schaffen.
Paul
registriert

Beiträge:


 

Gesendet: 19:37 - 14.06.2003

@Jürgen
Genau, schön, daß Du das genauso siehst. Wie gesagt, von v. Boddien kann man das alles lernen, er hat mit seiner Schloßattrappenfassade 1993/4 vorgemacht, wie so etwas funktioniert:
"Wer nicht hören will, muß sehen." Wer beim Anblick des alten Nürnberg und dem heutigen Zustand nicht mit den Tränen kämpfen muß, der hat kein Herz.
Menschen ohne Geschichte sind Geschöpfe a la Aldous' Huxleys "Neue Welt", Retortengeschöpfe zwischen SMS und Beton.
Worin überliefert sich unsere Geschichte - in mündlicher Tradition, in schriftlichen Dokumenten und in den steinernen Zeugnissen. Und Nürnberg ist/war sozusagen das historisch/kulturelle Epizentrum; ich wiederhole mich ja ungerne, aber der Bombenterror gegen Deutschland war für mich nicht nur Völkermord, sondern auch der (großteils gelungene) Versuch die deutsche Geschichte auszulöschen. Wenn ich für einige hier an Bo(a)rd ein Reaktionär bin, kann ich gut damit leben.
Im Übrigen ist das Brandschatzen und Schleifen in der Geschichte (Vae Victis) nichts Neues, es dürfte nur nie zuvor solche verheerenden Ausmaße angenommen haben.
Dieser Heilungs- und Rekonstruktionsprozeß wäre etwas für die nächsten 300 Jahre, aber ist nicht auch so lange an den gotischen Kathedralen gebaut worden? Es wäre die nationale Aufgabe und würde der Bauwirtschaft Lohn und Brot ohne Ende bescheren.
Alles ein DauerThema für unser "Interessenblatt".
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 19:54 - 14.06.2003

@Paul
...das mit der Bauzeit der gotischen Kathedralen ist ein hervorragender, neuer geistiger Anstoß!
Muß euch leider jetzt verlassen, bis morgen.

Wünsche noch gute Einsichten und (Stadt-)Ansichten!

Grüße
Wissen.de
Novize

Beiträge: 47


 

Gesendet: 20:41 - 14.06.2003

Ich kann die Begeisterung einiger hier zum wiederaufbau von Nürnberg leider nicht ganz teilen. Die Häuser wirken doch äußerst schmucklos und irgendwie langweilig. Wenn man sie mit den Vorkriegsbauten vergleicht, fehlt ihnen eigentlich alles. Außer einer dem Original entsprechenden Anordnung von Fenstern und Geschossen, sowie dem Grundriss ist doch eigentlich nichts geblieben. Ob das so vorbildlich sein soll. Ich habe da meine Zweifel. Also mir gefallen die Gebäude eigentlich überhaupt nicht. Zwar fehlen hier die Glas Stahl Fassaden, was ich ausdrücklich begrüße, aber zufrieden kann man auch mit den heutigen Gebäuden nicht sein.

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