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 Forum Index —› Deutschland —› Nürnbergs Wiederaufbau
 


Autor Mitteilung
Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


 

Gesendet: 06:42 - 28.06.2003

@Norimbergus, der Bereich zwischen Lorenzkirche und weißem Turm ist ja ein traditionelles Einkaufsviertel und nicht erst seit dem Krieg eher von großstädtischer Architektur geprägt. Hier stehen die Jugendstil-und Gründerzeitgeschäftshäuser, ich glaube nicht daß dies jemand wieder in den mittelalterlichen Zustand zurückversetzen wollte. Aber für die östliche Sebalder Altstadt würde ich mich der Forderung nach weitgehender Rekonstruktion sofort anschließen wenn das zur Option stünde. Ich respektiere zwar dein Desinteresse an historischer Architektur und Rekosntruktionen für Nürnberg, aber verstehen kann ich es ehrlich gesagt nicht. Mit sogenannter "modernen" Architektur kann man für Nürnbergs Innenstadt nur nachteiliges erreichen, da sie sich mit jedem derartigen Neubau der deutschen Durchschnittsstadt annähert. Dabei ist die mittelalterliche Innenstadtstruktur Nürnbergs Pfund mit dem es wuchern kann, es gibt nichts vergleichbares in Deutschland, und dies durch weitere Wiederaufbauten noch aufzuwerten kann Nürnberg nur zum Vorteil gereichen. Stelle dir mal vor die Kernstadt wäre wieder halbwegs komplett und intakt. Nürnberg wäre einer der größten touristischen Anziehungspunkte und eine der schönsten Städte Europas. Dazu fehlt ihr derzeit trotz zahlreicher Highlights doch noch eine ganze Menge.
Norimbergus
Stammgast

Beiträge: 82


 

Gesendet: 14:38 - 28.06.2003

@Dirk:
Da sind unsere Positionen gar nicht sehr unterschiedlich! Peter hatte eben von der ganzen Altstadt gesprochen, und auch Antiquitus hatte mal die Ansicht vertreten, man sollte in der ganzen Altstadt nur noch rekonstruieren oder historisierend bauen, auf jeden Fall keinerlei Moderne zulassen. Und zur ganzen Altstadt gehört nun mal auch die gesamte Lorenzer Altstadt.
Für den Bereich der ehemaligen Sebalder Steppe sehe ich (sehr) langfristig durchaus die Möglichkeit, das alte Stadtbild wiederherzustellen. Gewisse Details bedürften natürlich einer genaueren Betrachtung, etwa der Leo-Katzenberger-Weg, den es vor dem Krieg ja nicht gegeben hat. Auch auf der Lorenzer Seite gäbe es einiges Potential, v. a. die Gegend zwischen dem GNM und der Polizeidirektion.
Am wichtigsten wäre mir aber die Optimierung des Burgviertels und die Wiederherstellung des Egidienplatzes.
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 22:04 - 28.06.2003

wo keine altstadt war, kann man natürlich auch keine rekonstruieren. gründerzeit gefällt mir ja genau so gut.

ich bin bloß gegen moderne experimente innerhalb der stadtmauern. und wenn schon nicht innerhalb der ganzen fläche, dann wenigstens in der gegend lorenz, sebald, burg.
würde mir schon reichen!
Rösch
Senior-Mitglied

Beiträge: 343


 

Gesendet: 03:06 - 29.06.2003

@Noribergus:
"Die beiden Teile, in die die Altstadt durch die Pegnitz gespalten wird, sind in etwa gleich groß. Sie waren wohl ursprünglich eigenständige Siedlungen und sind erst später (ich schätze mal im 12. Jh.) zu einer Stadt vereint worden."

Sind für diese beiden Siedlungen noch Namen bezeugt?

@Alle:
Nürnberg war im späten Mittelalter Austragungsort der Schembartläufe.
In diesem Zusammenhang sind auch die Fastnachtsspiele von Hans Sachs zu sehen.Im Zuge von Verboten und der Reformation ging der bedeutende Brauch verloren. Lebt dieser Brauch wieder auf? Prächtige Schembartbücher bezeugen die Figuren ja eindrücklich. Vor Jahren habe ich gelesen, dass wieder eine Schembartgesellschaft gegründet wurde...
Norimbergus
Stammgast

Beiträge: 82


 

Gesendet: 12:25 - 29.06.2003

Zum Schembartlauf:

Ich muß zugeben, daß ich mich da nicht gut auskenne. Aber wofür gibt es das Stadtlexikon? Hier ein paar Auszüge:

Stichwort: Brauchtum
"[...]
Nach dem winterlichen Schlachtfest mit dem B. des Wurstsuppenholens der Nachbarschaft erschien die (->) Fasnacht als zweiter großer B.kreis. Neben den (->) Fastnachtsspielen und anderem Mummenschanz wurde der im Zusammenhang mit dem 'Zämertanz' der Metzger stehende (->) Schembartlauf abgehalten, eine der zahlreichen fastnachtlichen Laufrotten. Zentrale Bedeutung für das Fastnachtsb. kam dem Schembartlauf erst seit der 2. Hälfte des 15. Jh. zu, als die Patrizier die Regie des Laufs übernahmen und die maskierten Läufer stellten. Der Schembart wurde nun mit luxuriösem Kleideraufwand inszeniert: Die gelegentlich am Ende unter Feuerwerksspektakel erstürmte 'Hölle' trat als Aktionszentrum hinzu, am Abend fand ein Tanz statt.
[...]"

Stichwort: Fasnacht
"[...] Das mit der F. verbundene (->) Brauchtum ist heute noch stark an kath. Gegenden gebunden. Auch in N war es v.a. in Form des (->) Schembartlaufs (Scheme = Larve) vor der (->) Reformation geläufig. Erst nachdem 1521 Andreas (->) Osiander auf dem Narrenschiff verspottet wurde, verbot man im protestantischen N 1539 endgültig den Schembartlauf. Heutzutage gibt es zahlreiche Wiederbelebungsversuche: (->) Schembartgesellschaft, Faschingszug, Kinderfaschingszug."

Stichwort: Schembartlauf
"Der S., bis 1539 Teil des N (->) Brauchtums an (->) Fasnacht, ist 1449 erstmals belegt. Der Sage nach wurden die N Metzger nach dem (->) Handwerkeraufstand 1348 für ihre Treue zum alten (->) Rat mit dem Privileg belohnt, an Fastnacht Zämertanz und S. abzuhalten. Vermutlich ist der S. urspr. aus der begleitenden Schutztruppe zum Tanz hervorgegangen, verselbständigte sich jedoch bald. 'Schembart' ist anderswo bereits im 13. Jh. für fratzenhafte Masken belegt; die N Masken jedoch sind glatt und bartlos ('Schönbart' seit Hans (->) Sachs ist Volksetymologie). Die Möglichkeit zur phantasievollen Selbstdarstellung nutzte die patrizische Jugend, die sich das Recht zur Teilnahme bei den Metzgern erkaufte. Immer kostbarer wurden die getragenen Gewänder. Neben die einheitlichen Masken traten Einzelläufer, die z.B. als wilde Männer oder Teufel verkleidet waren. Auch ein Prachtwagen, die sog. 'Hölle', wurde mitgeführt. Festgehalten sind die Masken und das Treiben in mehr als 80 Schembartbüchern."

Stichwort: Schembartgesellschaft
"Kurz nach der Bildung einer Dachorganisation der N Fastnachtsgesellschaften im 'Festausschuß N Karneval' 1951 ((->) Fastnachtsvereine) wurde eine Schembartrotte zur Wiederbelebung historischer Formen der N (->) Fasnacht, v.a. des (->) Schembartlaufs, gegründet, die sich 1973 als eigene Gesellschaft verselbständigte. Unterabteilungen der S. sind die 'N Stadtpfeifer', die mit originalgetreu rekonstruierten Musikinstrumenten die Musik des 15./16. Jh. pflegen, und die 'Renaissance-Tanzgruppe', die in historischen Kostümen gemeinsam mit den N Stadtpfeifern die Tänze dieser Zeit aufführen."

Stichwort: Fasnachtsvereine
"Mit dem Verbot des (->) Schembartlaufs 1539 endete die eigenständige N Fastnachtstradition. Seit Mitte des 18. Jh. beschränkte sich die fastnachtliche Aktivität auf Redouten aktiver Wirte. Erst im Januar 1868 gründete sich der 'Carnevals-Verein' mit dem Ziel, die Karnevalszeit durch Bälle, Büttenreden und Karnevalsumzüge heiter zu begehen. Der Verein stieß auf den heftigen Widerstand beider christlicher Konfessionen und löste sich 1888 auf. Die älteste heute noch bestehende Karnevalsgesellschaft in Franken entstand 1904 mit der 'Großen N Karnevalsgesellschaft' (seit 1950 Alte Große N Karnevalsgesellschaft oder AK 04), die nach einem Jahr schon 300 Mitglieder hatte, aber in späteren Jahren mehrfach aufgelöst und neugegründet wurde. Ein ähnliches Schicksal hat die 'N Trichter Karnevalsgesellschaft' von 1909. Nach dem (->) Zweiten Weltkrieg entstanden neue F. wie die 'N Luftflotte des Prinzen Karneval' (1953) als F. der N Fliegerklubs, die 'Faschingsgesellschaft Die Schwanenritter N' (1963) und 'Narrhalla Schwarz-Weiß' (1967). Mehrere N Karnevalsgesellschaften sind aus landsmannschaftlichen Vereinen hervorgegangen, so aus jenen der Rheinländer (1927), Württemberger (1950-62), Dresdener (1962), Badener (1963) und Sudetendeutschen ('Die Eibanesen', 1956). Urspr. stadtteilsmäßig gebunden waren die 'Knoblauchsländer Karnevalsgesellschaft Buchnesia' (1953), die sich aber bald auf die ganze Stadt hin öffnete, und 'Blau-Weiß Muggenesia'. Seit 1951 sind die N F. unter der Dachorganisation 'Festausschuß N Karneval' (seit 1968: 'Festausschuß N Fastnacht') zusammengeschlossen; diese organisiert die Durchführung allgemeiner Veranstaltungen (Fastnachtszug, Installation des Prinzenpaares) und die Interessenvertretung nach außen. Die Mitgliedsvereine und andere Organisationen, die sich an den Aktionen beteiligen, sind in ihr durch Delegationen vertreten. Die schon früh gebildete Schembartrotte hat sich 1973 zu einem eigenen Verein verselbständigt ((->) Schembartgesellschaft)."

Ich muß aber sagen, daß das Wirken der Schembartgesellschaft nicht sehr öffentlichkeitswirksam ist. Über die Luftflotte oder die Buchnesia stehen häufiger Artikel in der Zeitung.


Und jetzt noch was zu den beiden Altstadthälften.

Stichwort: Altstadt
"Die A. umfaßt als historisches Zentrum N das Stadtgebiet innerhalb der letzten (->) Stadtbefestigung, die die A. von den seit 1825 eingemeindeten Landgemeinden bzw. Vorstädten innerhalb des (->) Burgfriedens trennt. Durch die (->) Pegnitz wird die A. in die nördliche (->) Sebalder Stadtseite (S.) und die südliche (->) Lorenzer Stadtseite (L.) getrennt; beide waren in jeweils vier (->) Stadtviertel unterteilt. Keimzelle der S. war die (->) Burg mit einem kgl. Wirtschaftshof im Bereich des späteren (->) Egidienklosters zur wirtschaftlichen Versorgung der Burgbewohner. Am Fuß des Burgbergs siedelten sich Burgleute aus der (->) Ministerialität, Handwerker und Kaufleute an. Wirtschaftliches Zentrum der mit dem (->) Marktrecht ausgestatteten Burgsiedlung war der Milchmarkt am heutigen (->) Albrecht-Dürer-Platz und entlang der (->) Bergstraße. Die über dem Grab des Hl. (->) Sebaldus errichtete (->) Sebalduskirche gab der S. ihren Namen, während die dem Hl. Laurentius geweihte (->) Lorenzkirche das kirchliche Zentrum der jüngeren L. bildet. Diese entstand im 12. Jh. als planmäßig angelegte Handwerkersiedlung in Anlehnung an einen zweiten kgl. Wirtschaftshof um die spätere (->) Jakobskirche; mit ihrem ovalen Grundriß und fast konzentrischen Straßenzügen unterscheidet sie sich deutlich von der 'gewachsenen' S., die sich Mitte des 12. Jh. bis an die Pegnitz ausgedehnt hatte, nachdem am nördlichen Ufer auf dem Areal des heutigen (->) Hauptmarkts aus dem Rheinland vertriebene (->) Juden angesiedelt worden waren. Beide Stadthälften wurden nach 1250 mit zwei getrennten Mauerringen umgeben, die um 1325 durch zwei befestigte Flußüberbrückungen zu einem einzigen Befestigungsring vereinigt wurden (davon heute noch sichtbar: (->) Laufer Schlagturm und (->) Weißer Turm). Außer dem Egidienkloster befanden sich auf der S. zwei und neben der (->) Deutschordenskommende auf der L. fünf (->) Klöster. Zwischen 1332 und 1622 wurde östlich von St. Sebald das (->) Rathaus erbaut, 1339 das (->) Heilig-Geist-Spital gestiftet. Weitere Einrichtungen der mittelalterlichen Sozialfürsorge innerhalb der A. bestanden im (->) Elisabethspital, den beiden (->) Zwölfbrüderhausstiftungen und im Pilgerhospitz St. Martha ((->) Marthakirche). Auf dem Areal des 1349 zerstörten (->) Judenviertels entstanden Hauptmarkt und (->) Obstmarkt sowie - auf den Trümmern der (->) Synagoge - die (->) Frauenkirche, darüber hinaus in beiden Stadthälften weitere spezielle Erzeuger- und Verbrauchermärkte. Neben diesen periodisch stattfindenden (->) Märkten existierten feste Verkaufsstände, z.B. (->) Brot- oder Fleischbänke ((->) Fleischhaus) oder die Krambuden auf der (->) Karlsbrücke. Die Wasserkraft der Pegnitz und des in die A. geleiteten (->) Fischbachs wurde auch innerhalb der Mauern durch (->) Mühlen genutzt. Beide Flußufer waren durch (->) Brücken und Stege miteinander verbunden. Die seit dem 15. Jh. errichteten öffentlichen Gebäude dienten u.a. der rst. (->) Verwaltung, der Vertretung wirtschaftlicher Interessen, der Versorgung der Bevölkerung oder der Unterhaltung (z.B. (->) Baumeisterhaus, (->) Zeughaus, (->) Unschlitthaus, (->) Weizenbräuhaus, (->) Kornhäuser, (->) Herrenschießhaus). Private Bauten ((->) Bürgerhaus) unterlagen einer strengen Baugesetzgebung des Rats, so daß prunkvollere Fassadengestaltungen, von Ausnahmen abgesehen ((->) Pellerhaus), auf die Innenhöfe ((->) Altstadthöfe) beschränkt blieben. Die nach einem Brand zerstörte (->) Egidienkirche wurde 1711-18 im Stil des Barock wiedererrichtet. Um 1800 entstand der klassizistische Neubau der (->) Elisabethkirche. Seit der 2. Hälfte des 19. Jh. ((->) N Stil; (->) Historismus) änderte sich das Gesicht der A. durch zahlreiche Neubauten v.a. auf der L., die sich mit dem Bau des (->) Hauptbahnhofs zur modernen Einkaufs- und Geschäftsstadt entwickelt hat. Der (->) Wiederaufbau der im (->) Zweiten Weltkrieg zu 90% zerstörten A. erfolgte unter weitgehender Wahrung der alten Straßenzüge und Proportionen, so daß die A. auch heute wieder (trotz etlicher 'Bausünden') ein geschlossenes Ensemble bildet. Die A. umfaßt heute die Statistischen Bezirke 6 (A., St. Sebald) und 1 (A., St. Lorenz) mit insgesamt 13.586 Einwohnern (31.12.1997)."

Die Vereinungung fand also deutlich später statt, als ich dachte. Leider geht aus dem Artikel nicht hervor, bis wann die beiden Teile unabhängige Kommunen waren (und ob sie das überhaupt jemals waren), geschweige denn der Name der Siedlung um St. Lorenz. Folgender Artikel legt aber eher den Schluß nahe, daß beide Teile von Anfang an zumindest enge Verbindungen zueinander hatten:

Stichwort: Sigena-Urkunde
"Auf dem Weg von Burgund nach Mitteldeutschland verweilte Ks. (->) Heinrich III. im Jahr 1050 in N, wo er auf einem (->) Hoftag die Freilassung einer 'Hörigen' namens (->) Sigena urkundlich bestätigte. Bei der S. liegt die Bedeutung für N in der Ausfertigung: Die heute als Dauerleihgabe im (->) Stadtarchiv N verwahrte Urkunde zählt zu dem relativ seltenen Typ der Freilassungsurkunden (Denarialdiplome), von denen nur fünf im Original erhalten sind. Die Datumszeile, "actum Norenberc" belegt erstmals urkundlich die Existenz der späteren Metropole Frankens. Wohl geraume Zeit vor dieser Ersterwähnung hat man auf einem steilen Felsrücken nördlich der (->) Pegnitz begonnen, eine (->) Burg zu bauen, die durch die Anlage zweier Wirtschaftshöfe beiderseits des Flusses - bei St. (->) Egidien auf der (->) Sebalder und bei St. (->) Jakob auf der (->) Lorenzer Stadtseite - versorgt wurde. Inmitten ausgedehnter Wälder war somit ein regionaler Stützpunkt der Reichsgewalt konzipiert worden, der auf (->) Reichsgut fußte und dadurch gefördert wurde, daß aus dem nahegelegenen (->) Fürth ein (->) Markt des Bamberger Domkapitels hierher verlegt wurde. Um 1050 muß die Versorgungslage dieses Platzes samt seiner Infrastruktur (Handwerker, Bedienstete, Wohnraum) so gut gewesen sein, daß Ks. Heinrich mit seinem Gefolge hier Etappe machen und eine Fürstenversammlung, deren Umfang nicht bekannt ist, abhalten konnte."

Genaueres konnte ich leider nicht herausfinden. Falls ich mal auf weitere Informationen stoße, werde ich sie hier posten.
Norimbergus
Stammgast

Beiträge: 82


 

Gesendet: 15:54 - 29.06.2003

Fast hätte ich es vergessen: Die Schembart-Gesellschaft hat natürlich auch eine Homepage. www.schembart.de

@antiquitus et al:
Die Gegend um die Lorenzkirche ist meiner Meinung nach durchaus für moderne Bebauung geeignet. Die Kreuzung Königstraße/Karolinenstraße mit dem Nassauerhaus und der großartigen Westseite der Kirche sollte man zwar davon ausnehmen, am Lorenzer Platz oder im weiteren Verlauf der Karolinenstraße sehe ich aber keine Probleme. Mit Glaspalästen sollte man aber sparsam umgehen, man kann ja auch mit Steinfassaden oder gut abgestimmtem Materialmix bauen.
Die Sebalder Seite ist da empfindlicher. Zu der Frage, ob man wirklich alles rekonstruieren sollte, habe ich mir noch keine endgültige Meinung gebildet (ich weiß auch nicht, ob ich jemals in der Lage sein werde, mich diesbezüglich festzulegen). Sehr langfristig wäre das aber sicher eine Option. Allerdings könnte ich mir auch hier einige ganz wenige moderne Bauten vorstellen. Sie müßten allerdings so plaziert und dimensioniert sein, daß sie nur einen sehr begrenzten Wirkungskreis haben und sie müßten sehr punktuell eingesetzt werden. Wenn in jeder Straße ein modernes Haus steht, dann wird es langweilig und stört den Gesamteindruck. Wenn man aber nur ganz selten auf eines trifft, dann kann das positiv wirken. Natürlich kommt es im Einzelfall immer auf die Gestaltung und das Umfeld an. Ich sage auch nicht, daß solche Bauten sein müssen, ich kann auch darauf verzichten, wenn es keine guten Entwürfe dafür gibt, aber ich kann mir immerhin vorstellen, daß gute derartige Lösungen möglich sind. Außerdem ist "modern" nicht gleich "modern". Wenn man den im alten Nürnberg üblichen Sandstein als Fassadenmaterial verwenden, aber damit anders baut als früher, dann würde das sicher nicht so auffallen wie ein Stahl/Glas-Gebäude (das ich aber auch nicht prinzipiell ausschließen möchte). Meine Maxime zum Burgviertel ist also: Wahrung/Wiederherstellung des historischen Stadtbilds mit Einzelfallprüfung für etwaige moderne Bauten, diese aber nur ganz selten (und nicht am Tiergärtnertor, Sebalder Platz, in der Füll und einigen anderen gut erhaltenen Straßen und Plätzen).
Oliver
Senior-Mitglied

Beiträge: 491


 

Gesendet: 16:43 - 29.06.2003

@Norimbergus
Interessante Details hast Du dort in
Deinem Beitrag geschrieben.
Heute leben anscheinend 13.586 Einwohner
innerhalb der Altstadt. Wenn man
das mal mit den ca. 40.000 Einwohnern
im Mittelalter vergleicht, ist das etwa
nur noch ein Drittel der ehem.
Bevölkerung.
Interessant wäre ja mal die Bevölkerungs-
entwicklung der Altstadt im Laufe
der Jahre zu betrachten.
Ab wann setzte die "Altstadtflucht" ein ?
Norimbergus
Stammgast

Beiträge: 82


 

Gesendet: 23:21 - 29.06.2003

Zuerst mal: Alles, was in Anführungszeichen und unter einem "Stichwort" steht, ist aus dem Stadtlexikon zitiert, habe ich also nicht selbst geschrieben (auch nicht selbst getippt - copy and paste sei dank!).

Eine tabellarische Statisitk zur Bevölkerungsentwicklung habe ich nicht, aber folgenden Artikel aus dem Stadtlexikon (woher sonst?):

Stichwort: Bevölkerungsentwicklung
"Bis zum Jahr 1806 sind zur Bevölkerungsentwicklung bisher fünf zuverlässige Nachrichten bekannt. 1431 mußte wegen der Bedrohung durch die (->) Hussiten die (->) Stadtbefestigung verstärkt werden, wozu alle Personen über zwölf Jahre im sog. Grabenbuch erfaßt wurden. Gezählt wurden 15.449 Personen, wozu noch die zahlreichen Kinder und gut 450 Geistlichen und Nonnen kommen, so daß mit etwas mehr als 20.000 Menschen zu rechnen ist. Im Ersten (->) Markgrafenkrieg 1449/50 lebten insgesamt 30.131 Menschen in der Rst., wovon aber 9.912 in die Stadt geflüchtete Bauern abzuziehen sind. Das Reichssteuerregister von 1497 zählt 8.376 Haushalte, was zu einer Schätzung von ca. 28.000 Personen in N führt (dazu noch ca. 54.000 innerhalb der (->) Alten Landschaft). Im Jahr 1622 wurden 10.069 Haushaltungen erfaßt, und zwar 8.939 Bürgerfamilien und 1.130 Nichtbürgerfamilien. Da in vielen Haushaltungen 'gebrotete Ehehalten', Knechte, Mägde und ledige Gesellen lebten und die Zahl der Kinder durchschnittlich wohl mehr als zwei betrug, kann von einer Einwohnerschaft von mehr als 50.000 ausgegangen werden. Eine letzte derzeit bekannte Bevölkerungszählung des N Rats von 1627 listet exakt 39.129 Einwohner auf. Zu diesen 'regulären' Stadtbewohnern kommen sicherlich noch sich illegal in N aufhaltende. Schon für die Zeit der (->) Reformation muß aufgrund verschiedener Schätzungen, Berechnungen und anderer Kriterien mit 40.000-50.000 Einwohnern gerechnet werden. Wie Augsburg hat sich N wohl zwischen 1450 und 1620 verdoppelt, und 1521 war N in der Reichsmatrikel höher eingeschätzt worden. 1478 wurden in N 4.348 Herdstellen gezählt, 1561 fast 6.000 und 1622 etwas mehr als 10.000. Zwar brachten die zahlreichen (->) Pestepidemien stets tiefe Einbrüche, doch konnten diese durch hohe Geburtenzahlen und v.a. durch Zuzüge vom Land rasch wieder ausgeglichen werden. So starben zwischen 1561 und 1563 genau 9.185 Menschen an der Pest und zwischen 1632 und 1634 fast 35.000. Nach dem (->) Dreißigjährigen Krieg nahm die Zahl der Neubürger deutlich ab, und viele Bürger verließen aus wirtschaftlichen Gründen die Stadt. Beim Übergang an Bayern ergab eine Volkszählung 25.126 Einwohner, 1820 waren es nur noch 23.491. N hatte seinen Tiefpunkt erreicht. Erst die (->) Industrialisierung zog wieder Menschen in die Stadt. 1855 war die Zahl der Einwohner schon auf fast 56.400 gestiegen, 1881 wurden die 100.000 erreicht, und 1900 stand N mit über 260.000 Einwohnern an neunter Stelle der Großstädte im Bismarckreich. Ursachen für diese Bevölkerungsexplosion waren v.a. die Binnenwanderung im Zuge der (->) Urbanisierung, aber auch die drei großen (->) Eingemeindungen sowie die Verbesserungen in Hygiene und Gesundheitswesen. Bis zum Ende des (->) Ersten Weltkriegs wuchs N auf mehr als 332.000 Einwohner an und bis 1931 sogar auf 412.000. Nach dem Untergang N 1945 war die Bevölkerung auf 178.000 gesunken, der (->) Wiederaufbau aber holte wieder viele Menschen nach N. Nach Überschreitung der 500.000er Grenze infolge der Eingemeindungen 1972 leben heute (Stand: März 1999) 486.713 Einwohner in N."

Die ersten Eingemeindungen fanden 1825 statt, so daß sich die Zahl von 1820 nur auf die Altstadt bezieht. Für die weitere Entwicklung habe ich keine genauen Angaben. Vieles spricht aber dafür, daß sich die Bevölkerung der Altstadt Mitte des neunzehnten Jahrhunderts deutlich erhöhte. So hatte der südwestlich direkt an der Altstadt gelegene Stadtteil Gostenhof im Jahre 1861 erst 2147 Einwohner, im Jahre 1900 dagegen 44703 (31.12.2001: 24102 - Statistische Bezirke 4, 5 und 22). Ich war dann zwar zu faul, für andere altstadtnahe Stadtteile auch noch Zahlen zu suchen, aber ich denke, man kann davon ausgehen, daß auch diese erst in den letzten Jahrzehnten den 19. Jh. stark angewachsen sind und somit vorher der Großteil der Bevölkerung in der Altstadt wohnte. Dazu noch ein – sehr konkreter – Auszug aus dem Artikel „Urbanisierung und Verstädterung“: „So stieg in den Gründerjahren nach 1871 die Bautätigkeit vor den Mauern steil an, während im Inneren die Lorenzer (->) Altstadt durch die vom Bahnhof neu gelenkten Verkehrsströme ihr Gesicht zur großstädtischen 'City' wandelte. Gleichzeitig vervielfachte sich die Einwohnerzahl der neuen Vorstädte und überstieg 1885 erstmals die der noch von hoher Wohndichte geprägten Altstadt. Im Jahr 1900 wohnten bereits viermal mehr N vor den Stadtmauern als dahinter.“ Dies bedeutet aber auf der anderen Seite, daß um 1885 über fünfzigtausen Menschen in der Altstadt wohnten, da die Bevölkerungszahl schon im Jahre 1881 die 100000-Marke überschritt.

Am 31.12.2001 wohnten übrigens im Statistischen Bezirk 1 (Lorenzer Altstadt) 4539 Menschen, im Statistischen Bezirk 6 (Sebalder Altstadt) 8761 (Quelle: Statistisches Jahrbuch der Stadt Nürnberg 2002). Ich hätte eigentlich auf einen noch größeren Unterschied getippt.

Wie sieht es mit der Bevölkerung in den Innenstädten anderer Großstädte aus. Ich glaube, daß Nürnberg hier nicht aus der Reihe fällt. Die Verdrängung der Wohnbevölkerung durch Einzelhandel und Büronutzung auf der einen Seite und der Wunsch der Bevölkerung nach mehr Wohnfläche auf der anderen Seite führt zwangsläufig zur Verkleinerung der Bevölkerungsdichte und somit der Bevölkerungszahlen von Gebieten, deren Wohnflächenpotential erschöpft ist. Und dazu gehören die Altstädte, wenn man dort nicht höher als bisher bauen möchte, was in den meisten Fällen abzulehnen ist – im Falle Nürnbergs ganz besonders. Man sieht den Einfluß des höheren Wohnflächenbedarfs auch an den Zahlen für Gostenhof. Die Einwohnerschaft hat sich in den letzten hundert Jahren fast halbiert. Die Städte konnten ihre Bevölkerungszahlen meist nur durch Eingemeindungen einigermaßen stabil halten.
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 14:50 - 16.07.2003

@alle

Für alle die zu unserem Treffen nach Nürnberg kommen und alle die verhindert sind:

Anbei ein Link über die Altstadtfreunde Nürnberg:

http://www.nuernberg.de/verwaltung/publikationen/nuernberg_heute_72/nh_70_05.html

Grüße
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 15:17 - 16.07.2003

norimbergus,
danke für die vielen zahlen!
trotz aller innerstädtischen standard-probleme hatte ich in n. doch das gefühl, dass die altstadt auch abseits der touri-autobahnen einigermaßen belebt ist - vielleicth abgesehen vom östlichen (?) teil, wo mir die straßen etwas ausgestorben schienen.
ingesamt würde ich (als außenstehender) die nürnberger altstadt als gesund einstufen.

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