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Autor Mitteilung
Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 13:41 - 25.09.2004

@Antiquitus:

Du schreibst an einer Stelle: "leider darf irrationalität, wie sie z.b. die emotionalität darstellt, aber in der rationalen welt der wissenschaft (von randbereichen abgesehen) keine rolle spielen."
Das klingt ein wenig so, als wäre "modernes Bauen" mit Rationalität, anderes Bauen dagegen mit Irrationalität zu assoziieren. Wer in dieser Weise differenziert, sitzt aber m.E. einem positvistisch-naturwissenschaftlichen Begriff von Rationalität auf, der alles, was nicht in ein bestimmtes naturwissenschaftliches oder empirisches Schema passt für irrational erklärt und damit abwertet. Bevor sich im 18. und 19. Jahrhundert der doktrinäre naturwissenschaftliche Positivismus durchsetzte, hatte man einen viel weiteren, umfassenderen Begriff von Rationalität.
Z.B. betrachteten die Architekten der Renaissance die Gestaltungsprinzipien ihres Bauens als Ausdruck einer göttlichen Vernunft, in der, getreu den Grundsätzen des Neoplatonismus, Schönheit und Wahrheit in der obersten "Idee des Guten" zusammenfallen. Wenn man ihren Ansatz "irrational" genannt hätte, wären sie zumindest sehr erstaunt gewesen.
Ein anderes Beispiel sind die Baumeister der gotischen Kathedralen, die versuchten, in ihren Bauten eine Allegorie der durch die den Geist Gottes vernünftig geordneten Welt zu schaffen.
Umgekehrt halte ich viele der Dogmen modernen Bauens für in höchstem Maße irrational, sofern sie auf völlig unreflektierten Prinzipien und abstrakten Entgegensetzungen beruhen. Eines dieser Dogmen ist besipielsweise die Abwertung der Fassadengestaltung, die auf einer unreflektierten (und übrigens sehr deutschen) Entgegensetzung von "Oberfläche" (, verstanden als bloß visuell, eben "oberflächlich" und somit irgendwie "unwahr") und "Tiefe" ( verstanden als irgendwie "eigentlich" und "wahrhaftig").

Insofern sollte man den Vertretern der modernistischen Ideologie nicht den Gefallen tun, ihren szientistisch und dogmatisch verkürzten Rationalitätsbegriff zu übernehmen.

Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 15:39 - 25.09.2004

Leute, ich möchte euch etwas erklären. Die moderne Wissenschaft besagt, dass die klassische Architektur aufgrund ihrer Komplexität in jedweder Entstehung des Lebens vorhanden ist. Darum empfinden wir sie als schön. Und das hat die moderne Naturwissenschaft bewiesen. Wissenschaft, die rational ist, kann aufgrund von rationalen Untersuchungen zum Ergebnis kommen, dass selbst eine gewisse Irrationalität, ein rationales System besitzt. Es muss kein Widerspruch sein, zwischen Wissenschaft und Emotionen, weil die Wissenschaft Emotionen erforschen kann und damit sind Emotionen auch nichts abstraktes mehr.

Die heutige modernistische, "rationale" Architektur ist 80 Jahre alt. Damals nahm die Wissenschaft ihren rasanten Anfang der modernen Welt. Sie stand erst am Anfang. In der Zwischenzeit hat sich doch vieles in der Wissenschaft verändert aber die Architekten haben sich nicht verändert. Die Architekten haben anstatt der Wissenschaft auch Heute zu glauben, so wie sie das damals getan haben, lieber dem vertraut, was man zu Anfängen der Wissenschaft glaubte. Daraus entstand ein Kult. Modernistische Architektur ist ein Kult, der sich der Wissenschaft verweigert !! Das Problem haben wir aber auch bei Religionen und verschiedenen Glaubensrichtungen. Es sind alles Kulte, die man nicht beweisen kann. Alleine darum ist es für mich auch schon Hokuspokus. Ich bin absolut rational denkend aber deshalb muss man Gefühle nicht ablehnen. Denn Gefühle sind auch messbar. Wie entstehen sie ? Was passiert im Körper ? Warum hat man Gefühle und vieles mehr. Und wenn man es erforscht hat, ist es nichts abstraktes sondern etwas dass man wissenschaftlich erklären kann obwohl es Gefühle sind. Und so ist das auch bei der klassischen Architektur. Sie ist wissenschaftlich bewiesen worden als die Komplexität des Lebens.

Ich sage aber auch, dass es moderne Architektur wie den Potsdamer Platz gibt, die auch sehr gut aussieht ob ihrer Spektakulärität. Daurm erachte ich es auch als nicht richtig, radikal die klassische Bauweise zurückerobern zu wollen. Ich denke, dass ein breiter Konsens das richtige und vernünftige wäre.

Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 15:41 - 25.09.2004

Mit radikaler Zurückeroberung meinte ich, dass ich dagegen wäre, dass man plötzlich nur noch klassisch baut.
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 15:45 - 25.09.2004

Und eines noch als Nachtrag: Ganz am Anfang schrieb ich, dass die Gesellschaft so kalt sei. Ich habe meine Meinung geändert. Das Problem war meine negative Betrachtungsweise. Die Gesellschaft ist nicht so kalt, wenn überhaupt. Vielleicht einige sind es aber man sollte sich am positivem orientieren.

Und Oliver, du hattest recht, mein Vergleich mit der von der Architektur manipulierten Gesellschaft war schwachsinn aber dass die Gesellschaft ein anderes Verständnis von Architektur erhalten soll, mittels dem Stil, der gebaut wird, das denke ich schon aber ich denke nicht, dass ein Mensch seine Emotionen verliert, nur weil er jeden Tag sterile Gebäude sieht. Das war äußerst dumm von mir und nehme ich zurück. Das war naiv.
Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 16:38 - 25.09.2004

@ Weißer Wolf:
Wobei etwas nicht allein dadurch schon "rational" wird, daß man es zum Gegenstand einer mit rationalen Mitteln und Methoden vorgehenden Erforschung macht. Die Naturwissenschaften gehen sicherlich methodisch gesehen rational vor; dadurch wird aber der Gegenstand ihrer Forschung, die Natur, als solche nicht "rational" (freilich auch nicht "irrational" - Natur ist als solche weder rational, noch irrational). Andere Wissenschaften, wie z.B. die Tiefenpsychologie, verstehen sich sogar explizit als rationale Erforschung von etwas Irrationalem.
Aber ich will nicht spitzfindig werden; ich denke, ich verstehe ungefähr, was du sagen willst.
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 17:02 - 25.09.2004

@ Philon

Ich sehe, wir verstehen uns, schließlich habe ich es genau so gemeint .

Gefühle sind nicht rational aber sie sind rational erforschbar. Das besagt nicht, dass Gefühle rational sind aber da man sie wissenschaftlich beweisen kann, führen sie kein kultisches Dasein (wie die modernistische Architektur), dass man anzweifeln kann oder nicht. Fakt ist schließlich Fakt. Modernistische Architektur aber ist ein Glaube. Sie basiert auf einem Glauben. Und für diesen Glauben ist es sogar als Ziel ausgegeben, sich nicht wissenschaftlich messen zu lassen. Das ist ja sogar sein Standpunkt ! Was eigentlich jeden die Nase rümpfen lassen sollte. Ich kann doch keine Welt nach Glaubenspunkten aufbauen, die sich der Wissenschaft nicht unterordnen wollen. Das hat immer zu Leid geführt und das wird auch immer zu Leid führen. Aber umso besser, dass eben die Wissenschaft die klassische Architektur in der Entstehung jeden Lebens erforscht hat, somit müssen wir nur rational argumentieren um eine irrationale Angelegenheit umzusetzen.

Die klassische Architektur ist eine Disziplin nach wissenschaftlichen Maßstäben, welche Gefühle also irrationale Emotionen, die rational messbar sind, im Menschen auslösen.

Die modernistische Architektur ist ein Kult, der sich der Wissenschaft verweigert und zumeist ein abweisendes Gefühl im Menschen auslöst.

Diese Seite solltet ihr euch ganz genau durchlesen, wenn ihr verstehen wollt was ich meine. Es handelt nur von der heutigen Architektur als Kult. Es ist nur diese eine Seite. 15 Minuten sich Zeit nehmen um sie zu lesen und man wird vieles verstehen und sich damit weiter entwickeln. Wer sich für Architektur interessietr und dies tun alle in diesem Forum, sollte diese Seite als Pflichtlektüre durchstudieren. Diese Seite muss eigentlich eine Grundvorraussetzung für Architekturliebhaber sein !

http://www.umbau-verlag.com/Essays/NikosSalingaros.html
Clint___Eastwood
Novize

Beiträge: 35


 

Gesendet: 17:15 - 25.09.2004

@Weißer Wolf

Wie recht Du hast!
Sowohl "Architektur als Kult", als auch "The sensory value of ornament" gehören genauestens studiert.
Was hat denn Otto Normalo in einer Diskussion den Architekturvergewaltigern schon entgegenzuhalten:
"Das finde ich nicht schön, gefällt mir nicht, ist zu kalt."
Das reicht nicht, es handelt sich nun mal um eine weltumspannende Sekte mit weitreichendem Einfluß, da benötigt man ein feingeschliffenes argumentatives Instrumentarium, um gegen diese Leute bestehen zu können.
Es gibt auch im Netz noch einen über 100 Jahre alten Artikel eines Herrn Schatteburg über "Schönheit und Architektur", auch empfehlenswert.
Wobei man gegenüber auf manche "Argumente" , wie "Eine Stadt ist kein Museum" auch nur mit "Nachts ist es kälter als draußen" antworten kann...
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 17:28 - 25.09.2004

Wobei bei meinem angegebenen Essay ganz zuletzt auch die Rede von Gott ist, der aber für mich auch nur ein Kult ist. Gott und der kultische Glaube modernistischer Architekten ist für mich ein und das selbe mit vielleicht unterschiedlichen Absichten aber Gott kann man nicht beweisen und die modernistische Architektur wurde von der Wissenschaft bereits gerüffelt. Darum erachte ich es für das beste wissenschaftlich zu argumentieren und nicht einen anderen Kult (Gott) dem modernistischem Kult (steriles Quadrat) gegenüber zu stellen.
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 17:44 - 25.09.2004

Und eigentlich müsste dieser Thread: Gesellschaft, Politik, Religion (Kult) und Architektur heißen.
Clint___Eastwood
Novize

Beiträge: 35


 

Gesendet: 18:16 - 25.09.2004

@Weißer Wolf

Da wäre ich vorsichtig und würde "Gott" und "Religion-sgemeinschaft" (habe ich bewußt getrennt) voneinander unterscheiden.
Wer Gott als oberste Instanz ansieht, der gegenüber er sich zu verantworten hat, wird sich als Bauherr durchaus auch seiner Verantwortung gegenüber den Menschen bewußt sein.
Für einen stark atheistisch orientierten Menschen mag statt "Gott" der Begriff der "Höheren sittlichen Instanz" angemessener sein, aber vier Buchstaben sind halt kürzer als 24...

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