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Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 15:14 - 18.08.2004

schoesler:

Hier in Frankreich ist es noch so, dass Eigenheime zum Teil regionaltypisch gebaut wird. Hier in Französich Flandern wird fast immer mit Backstein und Ziegeldächer gebaut. In den Innenstädten wird manchmal modern aber auch traditionel gebaut.

Claus
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 15:15 - 18.08.2004

mark!:

Hallo Alle,

sehr interessante Beitraege.
Zu dem oben gesagten moechte ich gerne zwei anmerkungen machen.

Zu einen ist es uns ja aufgefallen, dass in der kunst der architektur, einer teildisziplin des visuellen gestaltungshandwerkes, das eigentliche
thema selber, naemlich die tatsaechliche formgebung der begleitenden disziplin der Erlaeuterung dieser formgebung, vornehmlich seit bauhaus, mittlerweile voellig untergeordnet wurde.

So ist ein entstehungsgeschichtlicher, kontexterfassender ueberblick sicher sinnvoll und noetig, jedoch sollte das eigentliche kernthema 'design' auch einmal wieder im vordergrung stehen.

Bestimmend duerfte hier wohl u.a. ein systematischer schwachpunkt in der auswahl und dem einsatz eines
ungeigneten personenkreises fuer eben diese aufgabe sein.
nun ist zum einen die merkmalsverteilung fuer gut geeignete eigenschaftsprofile eben jener personen anscheinend gattungsimanent selten und ersichtlich quantitativ zu beschraenkt.

zum anderen werden dann ungeignete personen zusaetzlich falsch eingewiesen, ausgebildet.

Auf das 1% der denkenden folgt die herde der ausfuehrenden, folgt das betonhaus in der barockstadt.

dem 'system' ist es ja ausserhalb der kernbereichswelt 'egal' und so wird man mit arbitraerem leben muessen, auf besserung im subjektiven sinne hoffen.

Hintergrund der ausfuehrungen: noch gestern habe ich mit drei jungen architekten aus zuerich gesprochen, erwartungsgemaess war hier niemand gestalter oder nur entfernt visuell veranlagt, abstrahierende sophisten waren aber alle.
Gesprochen wurde von gestaltungsprinzipien, neuen 'ideen', neuen werkstoffen (einer bewies besondere eloquenz als messias des schaumstoffes, neue tendenz urbaner kreation mittels exotischer materialien)
gesehen hat hier niemand, steril kopierend werden alle weiterreden...


neben der oben beschriebenen auswahlproblematik der protagonisten draengt sich uns aber noch ein zweiter angelpunkt bezueglich unseres kleinen spielchens 'menschaergerdichnicht-mit-den-kreativkuben' auf,
der kontextbezug:

neben grundlegend benoetigter pluralformend orientierter gestalterausbildeung unserer 'universitaet'en, setzt gestalterisches koennen grundsaetzlich faehigkeit zum visuellen kontextbezug auf. nicht-sehenden faellt dies naturgemaess schwer, greift hier keine ausbildung ein, dann kennen wir das resultat.

Wirklich 'modern' und heute ein erster schritt waere also zB der so schoen symphatisch polarisierende disneyland-gedanke, welcher die pragmatische gestaltungsergonomie vor die sinngebung stellt, ersichtlicherweise in extremer form, aber doch selbst da sinnvoller als die gesammelten leistungen des modernistischen sophistenzirkus der schreibenden (nicht-)gestalter in beuys'scher mode-kunst-anbetung.

und wenn in folge, einen schritt weiter, in einer ansprechend gestalteten aber vielleicht nicht authentischen umwelt, gegebene leuten weiterschreiten zur weiteren sinngebung (humanergonomie der gestaltung ist mE durchaus oberster sinn und weiteres zu fordern grenzt heute eigentlich schon an luxus) dann waere diese abfolge denkbar. ankunft waere der ausgangspunkt der vor-moderne, zurueck in die zukunft.

aber authentizitatet mit kuben einfordern, dass geht nur fuer kurzsichtige der kaste der handelnden, drei schritte vorwaerts nehmen und doch immer wieder vor start stehen bleiben...

denn, anmerkung: schaumstoff macht seinen benutzer stolz.

viele gruesse!!
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 15:15 - 18.08.2004

roy batty:

@ Antiquus, Inigo


Zwar verhält es sich mit der Frage nach einem deutschen Stil sehr schwierig, da einerseits die hauptsächlichen Unterschiede seit jeher zwischen Nord und Süd verlaufen sind und zweitens es nur allzuleicht fällt, aus der jahrhundertelangen politischen Trennung auch eine soziokulturelle herzuleiten. Tatsächlich läßt sich keine zufriedenstellende Antwort geben, ob das deutsche "Nationalbewußtsein" eine letztlich moderne Erscheinung ist oder nicht, da es viele widerstreitende Faktoren gibt. Natürlich ist die Sichtweise von einem jeher multikulturellen Deutschland sehr opportun; wird sie jedem Deutschen anschaulich und vermittelt, so daß er sich seine "eigenen" Gedanken machen soll. Die logische Möglichkeit, die sich aus der Erkenntnis der Wanderungsbewegungen des Mittelalters und moderner Zeiten, dem preußischen Einwandererstaat und dem heutigen besten deutschen Staat aller Zeiten herleitet, kann ja nur eine sein, die die freiwillige Außerkraftsetzung von Vorstellungen einer dt. Identität begünstigt.
Sehen wir es uns mal näher an, dann kehrt sich allerdings die Geschichte um. GERADE wenn man die Architektur als Leitmittel hernimmt. Die deutsche Nation als deutschfixiertes Gebilde(das HRRDN war ein multistaatliches Konstrukt, vergleichbar mit dem Vorbild des Karlsreiches)existiert als elitärer Gedanke seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Herder, Hegel und Schiller haben mit ihren Schriften maßgeblich zum Entstehen der "deutschen Nationalbewegung" sowie der Romantikbewegung beigetragen.
Demnach besagt dies, daß das Bewußtsein erst danach in breitere Schichten des Volkes getragen werden konnte. Daß der Begriff Teudikades im 8. Jahrhundert entstand, daß es hieß "deutscher Nation" und daß Martin Luther mehrmals von "Teutschland und Welschland" (Frankreich) sprach, wie auch Thomas Müntzer, der sozialrevolutionäre Zeitgenosse Luthers(und von diesem auch verraten), wird nur allzugern übersehen. Vordergründig mag dies nichts über die Existenz eines damaligen deutschen Zusammengehörigkeitsgefühls aussagen....allerdings waren sowohl Luther als auch Mützer lediglich Emporkömmlinge in eine kirchlich geprägte Elite. Nebenbei...beide Reformatoren wirkten und lebten im Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts...würde man auf Anhieb heute dieses Bundesland mit Geschichte und Kultur gleichsetzen(oder Heinrich Schütz; in einem Gebiet tätig, heute als das "Schwarze Loch Thüringens" bekannt) ? Doch wohl eher mit PDS, Osten, Chemie, Arbeitslosigkeit und Glatzenhorden, oder ?
Und ähnlich wie in diesem negativen Beispiel geht es subtiler, wenn es um die für denn Erhalt des status quo und Vorbereitung des Europäischen Staates so wichtigen allgemeinen Meinungsbildung geht.

Ein guter Teil davon ist dem Ergebnis des Bombenkriegs gegen deutsche Städte zuzuschreiben, der sich gerade gegen die historischen innenstädte richtete(wäre er gegen die Rüstungsindustrie gegangen, wäre der Krieg Ende 1943 oder Anfang 44 beendet gewesen). Was oft genug nur davon übrig blieb, waren die offiziellen Großbauwerke, also entweder Kirchen, Schlösser, Adelssitze, ferner Rathäuser und besonders eindrucksvolle Patrizierhäuser. Es waren aber gerade die einfachen, volkstümlichen Stadtviertel, die als erste niederbrannten und auch als erste weggerissen wurden. Erstens gab es in ihnen nichts von augenscheinlichem ert; außerdem sollte sich städtische Wohnkultur künftig in modernen, luftigen Behältnissen ausdrücken, nicht in solch stinkendem alten Mist(den es trotz der Modernisierungen im Lauf der Jahrhunderte in jeder Stadt gab, sogar in Berlin). Zufall, daß in Hannover, Braunschweig, Dresden und so vielen dt. Städten gerade die ältesten Stadtviertel so gnadenlos weggeräumt wurden ? Weil eine kulturpolitische Begründung oft zu auffällig war, kam man mit wissenschaftlichen Terminologien von ungesuder Lebensweise, Schmutz Keimen, Ratten, Kriminalität und Verfall weiter, wenn mal wieder was dem technischen und gesellschaftlichen Fortschritt geopfert werden mußte.
Die Nazizeit tat übriges, besonderes, hinzu. Einerseits die Blaupause für spätere Beräumungspläne, andererseits genug Greueltaten im Namen es Volkes, um die traditionelle Bauweise entgültig diskreditieren zu lassen...in der wichtigsten Phase des Wiederaufbaus. Klar nahm man sich an der Großbauweise der Nazis ein Vorbild - die war ja auch international ein Kassenschlager gewesen. Gut, Stuck, Säulen und Reichsadler durften nicht mehr dran, dafür viel Beton. Aber die Modernisten waren sich mit Speer & Co. einig, daß die deutsche Stadt allgemein einer gründlichen Entrümpelung bedürfe, um der Wirtschaft(bzw. dem "Volkskörper" ausreichend Raum zum Wachsen zu geben.
Hitler selbst zeigte sich fast erfreut über die Vernichtung des dt. Kulturerbes.
Somit fehlt seit den Kriegszerstörungen eine beträchtliche Anzahl von Vergleichsmöglichkeiten und Anschauungsmaterialien, so daß sich die Kunstbetrachtung mehr oder weniger einseitig auf die herrschaftlichen Zeugnisse konzentrieren muß. Früher tat sie es aus Selbstgefälligkeit, da sie direkteres instrument zur Legitimation alter Herrschaftsverhältnisse war. In heutiger Zeit würde man objektiver und kritischer urteilen, auch über die erhaltenen Altstädte. Man kann es nicht, da uns großenteils nicht die eigentlichen Altstädte, nur die größeren Profanbauwerke zur Verfügung stehen.
Das überhaupt einzige Verbindende unter den alten deutschen Städten scheint das hohe Dach samt entsprechendem Giebel zu sein. Eine stilistische Verbundenheit oder Originärität im Sinne eines Zielstils gibt es nicht. Die vermeintliche "Höherwertigkeit" z.B. der dt. Renaissancevariante wurde immer dann erreicht, wenn man sich stärker als gewöhnlich auf die Tradition des Urhebers, in dem Falle Italien, zubewegte. Zu gleichen Teilen vermischt und damit "wertvoller" bietet sich das gewaltige Augsburger Rathaus an. im Barock setzte sich diese Internationalisierung immer stärker auch im Wohnbau durch. Die Dächer und Giebel wurden flacher, der "authentische", italisienische Einfluß stärker. Vom alten Augsburg ist wenig übrig(aber noch mehr als beispielsweise von FFM).
Nürnberg wurde, so gut man es vermochte, im alten Gepräge wiederaufgebaut; von der reinen Bauform her(Dachneigung, Grundriß, Location)betrachtet hat es im Vergleich wenig verloren, wenn auch der ganze Ziervorrat der Jahrhunderte verloren ist. Aber Nürnberg ist darüber hinaus noch wertvoll, weil es die grundsätzliche Einheitlichkeit im Wohnbau der dt. Städte in älterer zeit beweist. Klimatisch betrachtet(am beispiel Frankreich), dürfte es diese Dachformen in den südlichen Gefilden nicht geben; sie ist unzweckmäßig und zu aufwendig. Normalerweise dürften mittelalterliche Städte wie Straßburg, Colmar, Ulm, Rothenburg und Freiburg nicht in dieser Form dort stehen, wo sie es tun. Das hohe Dach ist in Norddeutschland durchaus zweckmäßig, auch in Nordfrankreich, wo man noch viele entsprechende Beispiele, auch noch bei barocken Schloßbauten, finden kann. Warum findet man extrem steile Dächer also auch im trockeneren Süden Deutschlands....wenn es doch augenscheinlich keine Verwendung dafür geben dürfte ? Was, wenn es keine mehr oder weniger einheitliche Bautradition zumindest der einfacheren Schichten gab ? Jenseits aller Stammesunterschiede, die doch deutlicher ausfallen sollten als die nationale Verbundenheit ? Wenn überhaupt, kann dies als Anzeichen einer früher bestehenden deutschen Kultur gelten, die sich im Laufe der Jahrhunderte nach und nach aufgelöst und parzelliert hatte, jedoch im 19 Jahrhundert -fast zu spät- wiederbelebt wurde. Oft nicht besonders glücklich und mit vielen Wirren wie der "deutschen Gotik"(die es in Sonderfom nur mit Backstein gab), die man allerhöchstens als Normannischen Stil bezeichnen könnte, folgt man der Geschichte.
Im 19. Jahrhundert geschieht weiterhin etwas merkwürdiges: während mittlerweile die Wohnkultur sich äußerlich fast gänzlich an ausländischen Vorbildern orientierte(was bitte ist an einer Berliner oder Leipziger Mietskaserne "deutsch", obwohl sie doch im Zeitalter des größten Chauvinismus gebaut wurden ?), geraten offizielle Bauten wie Kirchen, Kathäuser und Justizpaläste zu Experimenten eines deutschnational orientierten Historismus, die Vorzeichen hatten sich also verdreht. Bis vor kurzem wurde dem Historismus die Berechtigung als eigenständige, bewahrenswerter Stil abgesprochen, daher taucht er in den Stilkundebürchern nicht oder nur unterepräsentiert auf. Meistens mit den riesigen Zeichen der Zeit; neobackocken/klassischen Juszizpalästen, Parlamenten oder peinlichen Schloßbauten.

Die wenigen Wohnbauten, die in den Stilgeschichtebüchern zu sehen sind, gehen unter neben der großen Masse von Kirchen und Palästen, denen man ihre antikisierende Herkunft meist ansieht.
Denn im neuzeitlichen Schloß- und Kirchenbau ist es mit Ausnahme der dt. Renaissance unmöglich, auch nur entfernt von einem "nationalen Stil" reden zu wollen. Meist beruft man sich auf antike, italienische und frz. Vorbilder, selten auch auf spanische, englische oder orientalische. Dresden z.B. wurde in allen berühmten Gebäuden nach dem Antritt von August dem Starken von ausländischen, vorwiegend italienischen und französischen Vorbildern und Baumeistern geprägt. Das zog sich bis zum 1. Weltkrieg. Dresden erhielt nach und nach das Gepräge eines europäischen Stilmixes, der eine doch sehr unscheinbare, normale deutsche Stadt "umrahmt". Während die bürgerlich-deutsche Stadt Dresden weitgehend verschwunden ist, existiert die europäische Stadt am Elbufer großenteils noch immer und wird mit dem Neumarkt bzw. den spätbarocken Mandardhäusern ihre Vollendung finden, nachdem die Frauenkirche als letztes großes Solitär fertiggestellt wurde.
Selbst dem bürgerlichen Dresden merkt man durch die Jahrhunderte des Fremdeinflusses weniger als z.B. Leipzig die Herkunft an. Dresden könnte genausogut im Baltikum, in Ungarn, Polen oder Balkansesien stehen! Witzigerweise entfachte die vermischung von deutschen, slawischen

Somit sollte auch ein gesamtdeutsches Bündnis zur Bewahrung dieser "deutschen Kultur" scheitern müssen, da es sich auf fehlender geschichtlicher Legitimation beruft, weil sich nahezu alles kulturelle ausschließlich im regionalen Kreis abgespielt hat. Es wäre auch verwundernswert, wenn heutzutage andere Erkenntnisse und Prämissen dem Volk zugetragen werden. Hilft es doch ungemein zur Ligitimation der aktuellen Politik einerseits und darüber hinaus der Durchsetzung der Europäischen Idee. In der Architektur erscheint es mir durchaus möglich, daß auch von offizieller Seite über die kulturell-geschichtliche Richtigstellung hinaus ein europäischer Stil auf der Grundlage des Klassizismus wiederbelebt werden wird.
Wahrscheinlich mit zunehmenden orientalischen und asiatischen Einsprengseln. Man darf gespannt sein, wie dieser Stilmix einmal aussehen wird. Aber an der baldigen Wiederkehr des Historismus habe ich persönlich keinen Zweifel; die einzige Frage ist nur, unter welchen kulturellen Vorzeichen dies geschehen wird. In Zeiten der Desolation und des "Raspad" ist es für unsere Großen auch angebracht, wieder ein bißchen ideologische "Fürsorge" offen zu demonstrieren; als Ausgleich für verlorgengegangene kulturelle und familiäre Bindungen. Es wird heißen, wir sind alle eine große europäische Familie und das darf durch entsprechende gefällige Architektur ruhig auch so ausgedrückt werden. Wir sind Europäer und wir haben ein Anrecht darauf, unsere Kultur auch zu leben! Gib dem Volk etwas schönes und greifbares und es wird an deinen Lippen hängen...andernfalls wird es mit der Zeit unzufrieden(auch, wenn kein extra Freßchen mehr dabei ist) und streikt. Die klügeren Teile unserer Elite wissen darum, die dümmeren erkennen die Notwendigkeit noch nicht. Aber das ist so ein Ding, was sich ähnlich wie andere Altlasten biologisch lösen dürfte.
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 15:17 - 18.08.2004

roy batty:

>>Ein nationaler Stil, so schön er auch sein könnte, würde erstens unsere Geschichte negieren <<

De facto ist unsere Geschichte bereits negiert bzw. zu großen Teilen.
Unsere Städte sind trotz hervorragender Infrastruktur baugeschichtliche Ruinenfelder, in der wenige übriggebleibene Versatzstücke, noch dazu häufig in einem ganz und gar nicht regionalen Stil(weil Gründerzeit), dem Modernismus nahezu nichts mehr entgegenzusetzen haben. Nur allzuoft ist die regionale Baukultur völlig verschwunden.
Den westdeutschen Städten steht ungeachtet ihres baukulturellen Verlustes nach dem 2. Weltkrieg noch ein ganz anderer bevor.
Wir werden uns in diesem Jahrhundert noch mit sehr schlimmen, schmerzhaften Fragen über das Wesen der dt. Kultur(und Architektur)auseinanderzusetzen haben. Und eine Entscheidung für ein Reduit würde ich ausdrücklich befürworten, selbst wenn die Authentizität unserer heimischen (Stammes)Kulturen darunter leiden würde...übrigens kann man mit einem wohlbekannten (und berüchtigten) Argument kontern: dem der kulturellen Bereicherung...:sex:

>>und zweitens eine städtebauliche Monotonie nach sich ziehen, die fast so schlimm wäre, wie das, was die Moderne derzeit anrichtet. <<

Warum ?

Waren denn Nürnberg, Frankfurt oder Hannover monoton ? Ist es das heutige Nürnberg trotz der schwerwiegenden Reduktionen durch den Wiederaufbau ?
Was bleibt uns überhaupt an kultureller Identität, fassen wir die wenigen Reste dessen zusammen, was das 20. Jahrhundert von Deutschland übrigegelassen hat ?


Nicht zuletzt...sind die oberitalienischen Städte monoton, obwohl sie, nahezu unzerstört, ein einheitliches unverwechselbar italienisches Gepräge besitzen ?
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 15:18 - 18.08.2004

Inigo:

Ich habe mich möglicherweise etwas unklar ausgedrückt:
ich meinte nicht die Monotonie der Städte in sich, sondern der deutschen Städtelandschaft.
Sozusagen, die Austauschbarkeit der Städte untereinander.
Ich finde es wichtig, dass man diese Städte stilistisch von einander unterscheiden kann, so wie es bis zum Historismus der Fall war.
Den Barock kann man zwar als ersten internationalen Stil bezeichnen, jedoch wurde er von Land zu Land und von Region zu Region unterschiedlich interpretiert. Das lag auch daran, dass in den einzelnen Regionen ganz unterschiedliche Baumaterialien zur Verfügung standen und die einzelnen deutschen Staaten sich an unterschiedlichen ausländischen Vorbildern orientierten.
So folgt ein Barockschloss bei München dem italienischen, eines bei Berlin eher dem französischen Vorbild. Gleichzeitig kann man aber bei beiden auch den regionaltypischen Einfluss erkennen. So hätte man in Italien ein Schloss Nymphenburg so nie gebaut und den Franzosen wäre das Neue Palais in Potsdam wohl sehr befremdlich vorgekommen.
Selbst der Klassizismus zeigt noch deutliche regionale Unterschiede. Schinkels kühle preußische Bauten sind klar abzugrenzen, von den italienisch inspirierten Klenzes.
Der Nordeutsche Klassizismus orientiert sich dagegen nach Skandinavien und bringt wiederum etwas ganz eigenes hervor.
Sogar der Historismus nimmt in seiner Anfangsphase noch Rücksicht auf lokale Bautraditionen. Während die Preußen in ihrer Rheinprovinz versuchen, an die mittelalterlichen Burgen und Kirchen anzuknüpfen und überwiegend neugotisch bauen, bevorzugen sie in Brandenburg einen Neobarockstil, der an die Bauten Friedrichs d. Großen erinnert. Leider wird diese Praxis sehr bald aufgegeben. Der Historismus überflutet das Land mit einer gewaltigen Menge verschiedener Stilrichtungen, die in vollkommenem Durcheinander beliebig nebeneinander plaziert werden.
Man braucht keine Rücksicht mehr zu nehmen auf lokale Bautraditionen, denn die Stuckfassaden werden fabrikmäßig produziert und Baumaterialien können über große Entfernungen hinweg transportiert werden. Die Austauschbarkeit der Städte beginnt. Und damit stellt sich das Phänomen ein, dass man durch ein Gründerzeitviertel spazieren kann, ohne an den Fassaden ablesen zu können, in welcher Stadt man sich denn befindet.
Das Bauhaus macht dann letztlich nichts anderes, als auf die Stuckfassaden zu verzichten, die Geschosshöhen zu reduzieren und neue Fensterformen einzusetzen; bautechnisch unterscheidet sich ein Bauhausgebäude kaum von einem aus der Gründerzeit. Handwerksbetriebe vergessen mit der Zeit ihre regionalspezifischen
kunsthandwerklichen Fähigkeiten, denn fast alles, was zum Bau eines Hauses notig ist, wird in Fabriken hergestellt.
Wenn ich mir heute ein deutsches Nebaugebiet ansehe, dann muss ich mit Erschrecken feststellen, dass seit einigen Jahren wieder die gründerzeitliche Stilbeliebigkeit herrscht. Die Bauherren haben sich von der Moderne abgewandt (was gut ist), bauen aber jetzt, wie sie wollen. Klinkerfassade, Putzfassade, Holzhaus,egal! rotes, schwarzes, grünes oder gar blaues Dach, hauptsache schön bunt die Nachbarschaft! Satteldach, Doppelwalmdach, steile oder flache Dachneigung? Ganz wie es gefällt!
Warum nicht ein Haus im bairischen Stil, auch wenn man bei Köln wohnt? Oder ein Reetdachhaus bei München?
Ich meine, es MUSS wieder mehr Wert auf lokale Bautraditionen genommen werden! Alles andere führt zum stilistischen Baukarneval!
Ein nationaler Stil ist zwar denkbar, aber nur in der Form, dass er regional variiert und eben diese lokalen Bautradtitionen einbezieht.
Allerdings wäre es glaubwürdiger, wenn sich in den einzelnen Regionen selbständig neue Stile aus ihrer historischen Umgebung heraus entwickeln, als wenn an zentraler Stelle ein Stil erfunden und dann landesweit kopiert wird.
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 16:48 - 18.08.2004

Moderne Gebäude sind ihrer Einheit monoton. Klassische Gebäude könnte man in ihrer Vielfalt als monoton bezeichnen aber beides ist ganz klar voneinander abzugrenzen. Moderne ist Müll. Klassisck ist schön. So einfach geht das und kann ssogar noch wissenschaftlich untermauert werden. Wer die Moderne mit der Klassik vergleichen will...nein, dazu äußere ich mich besser nicht.
Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 16:59 - 18.08.2004

ww,
sei nicht böse, aber ich habe zwei beiträge von dir entfernt, weil sie überhaupt nichts mit dem thema zu tun hatten und wieder "bloße politik" waren. für solche erörterungen gibt es andere foren.
Roy Batty
Mitglied

Beiträge: 133


 

Gesendet: 17:03 - 18.08.2004

Weißer Wolf, die meisten im Forum dürfen bemerkt haben, daß es sich bei dieser Redewendung(die übrigens in vielen unserer hochgeschätzten Fueilettons in durchaus aufrichtigem Sinne verwendet wird, um die dt. Vergangenheit per se zu diskreditieren) um blanken Sarkasmus handelte.
Ja, ich bin ein Mensch, der gerne provoziert, um andere zum Nachdenken zu bringen, weils anders nicht geht. Mal "elegant" und subtil, andermal mit dem Vorschlaghammer, wenn Andeutungen offensichtlich nicht reichen. Aber dein Beitrag zeigt doch ziemlich deutlich, daß wir eigentlich auf demselben Ufer stehen...ich kann nur weiter mißverständliches bzw. unterschwelliges schreiben, weil die Verwendung des Holzhammers(oder nur das bloße Zeigen dessen) die Forumsstasi auf den Plan ruft. Glaub mir, bei Politikforum.de hatte ich -fast drei Jahre lang- genug damit zu tun; die Auseinandersetzungen waren auf einem wesentlich schärferen Niveau als hier. U.a. deswegen bin ich auch von dort weg, weil mich die Stasimentalität mancher Teilnehmer nur noch angekotzt hat.
Ich trete für nüchternen Realismus UND fanatischen Durchsetzungswillen in der Sache ein, aber nur jeweils dort, wo es angebracht und erfolgversprechend ist. Im Falle Frankfurt ist es der Realitätssinn, der gesiegt hat.
Roy Batty
Mitglied

Beiträge: 133


 

Gesendet: 17:07 - 18.08.2004

@ Antiquus

Ich glaube, daß das ein Fehler war, auch wenn deine Begründung prinzipiell richtig ist. Denn das Mißverständnis, dem WW da aufgesessen ist, dürfte auch anderen passiert sein.
Weißer Wolf ist für mich trotz unserer Meinungsverschiedenheiten ein interessanter Diskussionspartner...gerade weil diese Auseinandersetzung auf verschiedenen Gebieten stattfindet.
Hausmeier
Mitglied

Beiträge: 177


 

Gesendet: 21:03 - 18.08.2004

Weil hier regionale deutsche Baustile angesprochen werden,will ich hier etwas besonderes Ausstellen.

Es geht ums Egerland.
Seit dem 2.Weltkrieg ethnisch gesäubert will ich die Bautraditions wieder ins Gedächtniss rufen.
Denn ganz unterzugehen braucht diese schöne Bautradition nicht.
Es geht um das Egerländer"Rhomben" Fachwerk.

Seht und urteilt was eine untergegangene Kultur fabriziert hatte.
[Link zum eingefügten Bild]
und jenes
[Link zum eingefügten Bild]
Und hier noch der entwurf für ein postgebäude im Egerlande,natürlich auch in ortsüblichen Egerländer Rhombenfachwerk

Und noch eine Homepage die sich mit Westsächsischer Bautradition befasst.
http://bauenundlandschaft.org/

Qui Mariam absolvisti
et Latronem exaudisti
mihi quoque spem dedisti

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