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 Forum Index —› Deutschland —› Wünschenswerte Rekonstruktionen
 


Autor Mitteilung
Oliver
Senior-Mitglied

Beiträge: 491


 

Gesendet: 22:09 - 17.08.2004

@ClausSchoesler
St. Michaelis ist der Dom mit der
Säule und dem Leuchter drin, ja ?
Nun, so wie ich mich erinnere, haben
dort in der Umgebung die Häuser
schlichte Fassaden. Es gibt dort Pflastersteine und zwei nette Plätze.
Klar, wenn man nicht weiß, wie es
früher dort ausgesehen hat, empfindet man
das als "in Ordnung". Man vermisst
ja nichts...
Wenn man aber Bilder gesehen hat, wie
es dort früher ausgesehen hat, dann
denkt man ganz anders darüber.
Denn dann wird der Verlust sichtbar.
Man sieht diese wunderschönen Fassaden
und wünscht sich diese zurück.


Am Marktplatz wurde, so denke ich,
detaillierter rekonstruiert. Aber
da gilt das gleiche wie oben. Ich
finde es schade, daß so ein reicher
Staat wie Deutschland seine Innenstädte
so vernachlässigt. Ein paar besondere
Städte hätte man doch rekonstruieren
können ! Wieso hat man es nicht
gemacht ?

Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 22:11 - 17.08.2004

@rösch
Das ist natürlich der Knackpunkt. Ich werde eine Antwort zu geben versuchen, aber ich weiß auch, daß sie unzulänglich bleiben muß. Wie ich oben schon gesagt habe, wird bei jeder Rekonstruktion ein Rest von Nicht-Authentizität bleiben: der Handlauf einer Treppe im rekonstruierten Goethehaus in Frankfurt ist nicht "derselbe", den die Hand des Goethes als Kind berührt hat. Aber das spielt sich auf einer Ebene der Reflexion ab. Was uns eine Rekonstruktion wiederbringen kann, sind die sinnlichen Eindrücke, die dieselben bleiben, egal das Haus eine Rekonstruktion oder das "Original" ist. Wir können mithin die sinnliche erlebbare Welt der untergegangenen Städte durchaus rekonstruieren.
Dasselbe gilt für die Idee eines Baus, der wir durchaus eine neue "Materialisierung" geben können.
Mehr als diese beiden kann uns keine Rekonstruktion wiedergewinnen. Aber sollen wir deshalb darauf verzichten, das wiederzubringen, was wir wiederherstellen können. Das war ungefähr das, was ich mit dem Gedankenexperiment mit Michelangelos "David" sagen wollte.
Aber es stimmt schon: letztlich sind wir eben alle christliche Romantiker und keine antiken Platoniker. Dem Platoniker wäre die Idee des Baus das Entscheidende und nicht seine jeweilige Ausführung. Aber wir haben in der chrsitlichen Prägung (egal, ob wir nun Atheisten sind oder gläubig) eben verinnerlicht, daß die konkrete, individuelle "Fleischwerdung" der Idee am Ende wichtiger ist als die Idee selbst - und unwiederbringlich. Das sehen andere Kulturen wohl anders (siehe Japan, wo bestimmte Tempel zum Zweck einer rituellen Erneuerung und Verjüngug seit Jahrhunderten alle 40 Jahre abgerissen und exakt wiederaufgebaut werden), aber wir können da wohl nicht aus unserer Haut.
Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 22:18 - 17.08.2004

Ich meinte natürlich: "christlichen Prägung unserer Kultur" und "Verjüngung"
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 22:32 - 17.08.2004

Hallo zusammen!
Wirklich sehr interessante Diskussion, die hier wieder läuft.

@philon: Ich teile Deine Ansichten in ganz vielen Bereichen, der Schmerz um den Verlust ist bei mir ebenfalls stark ausgeprägt. Äußerliche Rekonstruktion ist ja nur das wenigste, was wir tun können. Fort sind die Geheimnisse und Geschichten; fort sind die Merkwürdigkeiten der 600/700 Jahre alten Häuser und ihrer Bewohner, die in keiner Stadtchronik, in keinem Hausbuch verzeichnet waren, auch wenn es noch so akribisch geführt wurde, wie zum Beispiel in Nürnberg geschehen...
Fort auch die unerschöpflichen Arbeitsfelder für Archäologen und Historiker - damit müssen wir leben, alles ist im selbstentfesselten Krieg in Asche und Feuer untergegangen.

Aber lasst uns unser bauliches Erbe und kollektives Gedächtnis der letzten Jahrhunderte wenigstens für nachfolgende Generationen noch in irgendeiner Weise überliefern. Lasst es uns möglich machen, das nachfolgende Generationen auf mehr zurückblicken können, als auf Objekte des Nachkriegswiederaufbaus.

Derzeit bin ich arbeitsmäßig so eingespannt, dass ihr mich wahrscheinlich noch gar nicht kennt. Ich bin derzeit hier im Forum nur am lesen, aber schon seit Mai letzten Jahres mit Begeisterung dabei...

Ich bin ja bei den Altstadtfreunden Nürnberg aktiv und kann Deine Schätzung bezüglich der vernichteten Bausubstanz, zumindest was Nürnberg betrifft, nur bestätigen, ich denke die 20% wären auch ein wahrer Traum, wenn dem so wäre:

Von ehemals fast 3500 mittelalterlich-gewachsenen Häusern haben ca. 280 den Krieg überlebt, 70/80 wurden im Wiederaufbau abgebrochen. (Ganz viele für Parkplätze und Freiflächen... )
Nürnebrg ist aber nur eine Stadt unter, sagen wir, 100, die stark oder total zerstört wurden.

Wir sind ja immer noch in einer Phase, in der noch nicht mal die wichtigsten Bauten alle wieder rekonstruiert wurden (siehe für Nürnberg z.B Pellerhaus, Toplerhaus, Viatishaus, Hauptmarkt, Pegnitzpartie, und und und...). Was danach aber folgen muss, ist die Rückgewinnung von herausragenden Ensembles, sonst bleiben die rekonstruierten Gebäude nur stumpfe, traurige Reste ehemalier Pracht in einem ansonsten monotonen Meer von Nachkriegsbauten.

Keine Angst, ich bin kein weltfremder Spinner, mir ist auch bewusst, dass wir alle das wahrscheinlich nicht mehr erleben werden, aber der Versuch einer Annäherung an dieses Ideal muss doch wenigstens erlaubt sein.

Naürlich ist es nicht möglich, Nürnberg mit seinen ehemals über 3500 mittelalterlichen Gebäuden komplett zu rekonstruieren, (da wäre wahrscheinlich ganz Deutschland über Jahrzehnte hin beschäftigt) aber wie erwähnt, einzelne Ensembles oder Plätze sollten wiedererstehen dürfen, das ist man dem Gesamtkunstwerk Stadt, das Nürnberg einmal war, einfach schuldig.
Rösch
Senior-Mitglied

Beiträge: 343


 

Gesendet: 22:34 - 17.08.2004

...gerade letzter aspekt des unwiederbringlichen wurde von den modernisten instrumentalisiert und ausgenutzt, um mit moralischen zeigefinger auch nur jedem zu drohen, der es wagt zu rekonstruieren oder traditionell zu bauen. was die letzen jahrzehnte ja auch erstaunlicherweise gut funktioniert hat. dass sich aber ausgerechnet die modernisten dieser moralkeule schwangen und schwingen, ist im grunde die größte ironie.

ein sehr guter text zu diesem thema, auf welches ich in diesem zusammenhang verweisen einmal mehr verweisen möchte, ist folgender (mancher kennt ihn vielleicht schon...)

Wolfgang Schäche: Für ein Recht auf Rekonstruktion

Warum der Wiederaufbau eines Stadtschlosses nichts mit Unmoral zu tun hat
oder: Überlegungen zur Rekonstruktion zerstörter Gebäude im Allgemeinen







Die Rekonstruktion nicht mehr existenter oder nur fragmentarisch realisierter Bauwerke begleitet die Architektur durch ihre Geschichte: vom Weiterbau des nur als Torso vom späten Mittelalter auf das 19. Jahrhundert überkommenen Kölner Doms über den 1902/03 nach dem Einsturz wieder errichteten Campanile von San Marco in Venedig bis zur äußerlichen Wiederherstellung großer Teile der Münchner Innenstadt nach dem Zweiten Weltkrieg.
Diese Rekonstruktionen sind inzwischen selbst zu Denkmälern aufgestiegen und nie ernsthaft in Frage gestellt geworden. Erst die letzten Jahrzehnte haben eine fast unüberbrückbare Kluft zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen an die Gestaltung des öffentlichen Raumes und der fachinternen architekturtheoretischen Diskussion aufgerissen

Bedeutet Kopieren Selbstmord?

Experten lehnen den Nachbau ausgelöschter Gebäudeexistenzen meist ab. Sie argumentieren mit einem - von einer vermeintlich "reinen Lehre" - gekennzeichneten Ausschließlichkeitsanspruch, der von der Objektivierbarkeit der eigenen Beweisführung überzeugt scheint. Gegenpositionen werden als lästig empfunden und ignoriert oder als reaktionär denunziert. So warnte Renzo Piano einmal vor dem Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin mit den Worten: "Die Vergangenheit zu kopieren wäre für mich Selbstmord."
Und die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in Deutschland formulierte zur Debatte um Gebäuderekonstruktionen in Ostdeutschland bereits Anfang der neunziger Jahre eine Stellungsnahme: Man habe zwar Verständnis für den Wunsch, zerstörte Werke der Baukunst wiederzugewinnen, doch dieser Wunsch sei nicht erfüllbar, weil die überlieferte materielle Gestalt als Geschichtszeugnis unwiederholbar ist wie die Geschichte selbst.
Und der inzwischen verstorbene Architekturhistoriker Hanno-Walter Kruft brachte 1993 in einem Aufsatz "Rekonstrukion als Restauration" die unter Experten verbreitete Abneigung gegen Wiederaufbauten auf den Punkt. "Eine Rekonstruktion ist nicht primär ein urbanistisches, ästhetisches, technisches oder finanzielles Problem, sondern ein historisch-moralisches. Wenn ein Monument durch Zerstörung ausgelöscht ist, wird eine Rekonstruktion zur Geschichtsattrappe. Entscheidungen (zum Wiederaufbau) sind Ausdruck der Restauration und spiegeln einen orientierungslosen, historisch retrospektiven gesellschaftlichen Zustand ... Die Sprengung (des Berliner Stadtschlosses) sollte als sichtbarer Akt das Ende des preußischen Militarismus signalisieren. Aus ähnlichen Gründen wurde das Potsdamer Stadtschloss abgerissen. Man kann diese Handlungen verwerflich und barbarisch finden und die Verluste beklagen, aber man darf sie nicht rückgängig machen wollen, auch wenn man es technisch könnte. Wenn man es dennoch tut, so dokumentiert man seine Entschlossenheit zur Geschichtsmanipulation und begibt sich auf die gleiche Ebene wie die Barbaren, deren Schandtaten man kompensieren will."
Bemerkenswert ist, dass die zur inhaltlichen Ableitung des moralischen Anspruches herangezogenen Argumente zwar in sich geschlossen und logisch sind, ihre Prämissen jedoch nicht mehr reflektiert werden. Gerade sie aber erweisen sich als fragwürdig.
Da ist zum einen der Geschichtsbegriff: Den meisten Gegnern (aber auch Befürwortern) von Rekonstruktionen liegt die abenteuerliche Vorstellung von Geschichte zu Grunde, sie per se mit Vergangenheit gleichzusetzen. Die Hinterlassenschaften vergangener Zeiten werden vor diesem Hintergrund zu Zeugen, Dokumenten, Quellen geschichtlicher Vorgänge erklärt, die allein über ihre physische Existenz erfahrbar werden. Die Originalität eines Bauwerkes gewährleistet bereits "Wahrheit". Ein solcher Geschichtsbegriff aber entzieht sich jedem Gegenwartsbezug und führt in die argumentatorische Sackgasse.

Denn Geschichte für sich genommen ist sinnlos.

Nur aus der Konfrontation dessen, was wir unter Geschichte begreifen, mit der Gegenwart, so der deutsche Historiker Johannes Fried, lernt der Mensch: "Denn die Vergangenheit ist vergangen, Geschichte aber lebt. Sie ist als Gedächtnis immer Gegenwart, kann nichts anderes sein."
Vor dieser Einsicht relativiert sich dann auch die Vorstellung von einem (authentischen) Bauwerk als historischer Quelle der Vergangenheit: "Quelle", schreibt Johannes Fried, "ist ohnehin eine in die Irre führende Metapher. Sie assoziiert sprudelndes Leben, Unmittelbarkeit, lautere Wahrheit. Die Gegenstände, die mit diesem Namen belegt werden, haben aber von sich aus kein Leben... Hunderte von Historikern haben sich mit ihnen befasst, jedes überlieferte Detail umgedreht und ausgepresst. So traktiert, müssen die 'Quellen' längst erschöpft sein. Warum sind sie es nicht? Die Antwort ist einfach: Weil Historiker sie immer wieder künstlich beleben oder genauer: weil es keine Quellen, sondern Artefakte sind, tote Dinge, die erst Wert gewinnen, wenn ihnen subjektive Aufmerksamkeit geschenkt wird." Das auf diese Weise Konstruierte aber muss mit der nicht mehr real nachvollziehbaren Vergangenheit nicht deckungsgleich sein.
Da ist zum anderen der Authentizitätsbegriff. Die über Jahrhunderte aggressiv aufgeladene christliche Religionsvorstellung von der Einmaligkeit des irdischen Lebens und der Vergänglichkeit des Physischen wird unmittelbar auf die Architektur übertragen. So wie der Tod am Ende des Lebens steht und unwiderruflich erscheint, gilt die physische Auslöschung eines Gebäudes als irreversibel.
Eine Wiedergeburt erweist sich deshalb für Gebäude wie für Menschen als unvorstellbare Infragestellung der göttlichen Ordnung. Damit wird jeder Wiederaufbau eines einmal ausgelöschten Gebäudes zur Glaubensfrage und jeder rationellen Argumentation entzogen. Nur über das Authentische, die konkrete stoffliche Bindung also, wird in dieser Logik Vergangenheit durch Geschichte erlebbar. Die Errinnerung über reproduzierte Abbilderl, selbst die der bloßen ästhetisch-physischen Vergegenwärtigung, ist für dieses Denken Sünde.
Und da ist drittens die Abbildtheorie. Immer noch wird die für vorbürgerliche Epochen durchaus zutreffende Spiegelung gesellschaftlicher Realität in baulichen Zusammenhängen als Anspruch an die heutige Architektur gestellt. Sie soll sich, wie die historisch begriffene Architektur, kraft ihrer Gestalt untrennbar mit speziellen Zeitabschnitten verbinden lassen.
Daraus folgt die Forderung, dass gegenwärtiges Bauen sich ausschließlich als Ausdruck der Zeit zu erkennen geben muss. Da aber das pluralistische Prinzip demokratischen Selbstverständnisses die auf gesellschaftlichem Konsens beruhenden Konventionen, die Architektur zum Abbild der Gesellschaft machten, abgelöst hat, kann das Bauen schon längst nicht mehr über seine Erscheinungsformen substanzielle Aussagen über die herrschende Ordnung machen.

Keine rationalen Argumente

Architektur ist in ihrem Bedeutungscharakter beliebig geworden und nur noch individuell in ihrer Mitteilung wirksam. Damit aber greift die Forderung nach zeitgemäßer Architektur ins Leere, ebenso wie die Verdächtigung von Rekonstruktionen als Beschwörung vergangener Gesellschaftsformen.
So gibt es kein rationales Argument, welches den Nachbau physich nicht mehr existenter Bauwerke per se ausschließt. Die Entscheidung ist allein der sorgfältigen Abwägung aller mit dem Gebäude verbundenen Bedeutungsebenen sowie der Einbeziehung des ökonomischen, technischen, ästhetischen sowie des Zweckmäßigkeits- und Nutzungsaspektes verpflichtet, nicht aber fragwürdigen Geschichts- und Architekturtheorien.
Jede Reproduktion erweist sich hierbei als eine komplexe kulturpolitische Aufgabenstellung, die sich nicht auf die denkmalpflegerische Perspektive reduzieren lässt. Es kann nicht darum gehen, etwas zu pflegen, was physisch nicht mehr existent ist.
Eine Gesellschaft hat vielmehr das Recht bei dem erklärten Versuch, sich auf die Zukunft zu entwerfen, in Abwägung aller relevanten Argumentationsebenen selbst verantwortlich darüber zu befinden, welche Dimensionen sie der "Geschichte" und der Erinnerung einräumen will. Und das schließt die bauliche Vergegenständlichung von zerstörter Geschichte selbstverständlich mit ein.


(aus Berliner Zeitung vom 5./6.2.00 - Der Autor lehrt Architekturgeschichte an der Technischen Fachhochschule Berlin. Der Artikel erschien innerhalb der Dikussionsreihe "Zukunft Schloßplatz")

Booni
Mitglied

Beiträge: 190


 

Gesendet: 22:58 - 17.08.2004

Die Sprengung (des Berliner Stadtschlosses) sollte als sichtbarer Akt das Ende des preußischen Militarismus signalisieren. Aus ähnlichen Gründen wurde das Potsdamer Stadtschloss abgerissen. Man kann diese Handlungen verwerflich und barbarisch finden und die Verluste beklagen, aber man darf sie nicht rückgängig machen wollen, auch wenn man es technisch könnte. Wenn man es dennoch tut, so dokumentiert man seine Entschlossenheit zur Geschichtsmanipulation und begibt sich auf die gleiche Ebene wie die Barbaren, deren Schandtaten man kompensieren will.

So'n Müll. Wenn die Sprengung des Stadtschlosses das Ende des preußischen Militärismus signalisieren sollte wäre es 1918 gesprengt worden.
Das Schloss wurde gesprengt weil die DDR den Platz als Aufmarschfläche wollte, später baute es den Palast der Republik. Dieses Gebäude sowie der Aufmarschplatz werden heute nicht mehr gebraucht, Grund genug, das Schloss als zentraler Punkt Alt-Berlin's wiederaufzubauen - allerdings mit Ostfassade.

Desweiteren ist Reko Reko - ob 1946 oder 2004, im Prinzip ist es dasselbe.
Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 23:22 - 17.08.2004

@rösch
Ein großartiger Text. Interessant finde ich, daß auch Schäche den Zusammenhang zwischen der Behauptung, Rekonstruktionen seien unmoralisch und bestimmten christlichen Denkfiguren über Einmaligkeit, Endlichkeit und Unwiederbringlichkeit sieht. Da lag ich wohl nicht so falsch, wie ich erst dachte, als mir das durch den Kopf gegangen war
Die Aussage Herrn Krufts über Rekonstruktion als "Geschichtsattrappe", Geschichtsfälschung, Manipulation ist schon richtiggehend verletzend, weil sie den, der sich für Rekonstruktion einsetzt, als Lügner und Fälscher hinstellt. Sie ist aber leider sehr bezeichnend für das Kartell aus Feuilletonisten, Denkmalschützern und Architekten, das die Diskussion beherrscht. Schäche bringt das Gegenargument genau auf den Punkt: Was die Rekonstruktion leistet, ist keine Fälschung oder Lüge, sondern "Erinnerung durch Abbilder", - nicht mehr (auch wenn es weh tut), aber eben auch nicht weniger!
Zudem liefe Krufts Argumentation, wie die des offiziellen Denkmalschutzes überhaupt, darauf hinaus, daß wir uns zu den Sklaven der barbarischen Ereignisgeschichte machen. Wenn es seinerseits "Barbarei" wäre, der Barbarei der Vernichtung mit einer Rekonstruktion des Vernichteten zu trotzen, müßten wir klaglos und sklavisch alles hinnehmen, was die Brutalität der Kriegsherren angerichtet hat. Am Ende wird diese vermeintlich "kritische" Position so zur Affirmation der Ergebnisse jeglicher Willkür und Barbarei, wenn sie sich nur faktisch ereignet hat.

Der eigentlich Hintergrund der These von der angeblichen "Lüge" oder "Manipulation" der Rekonstruktion ist aber ohnehin m.E. kein rationaler, sondern ein rein psychologischer: dieses Argument findet man nur in Deutschland, denn es hat etwas mit dem Trauma des Nationalsozialismus zu tun. Der linksliberale Publizist Walter Dircks hatte das bei der Diskussion um den Wideraufbau Frankfurts noch viel klarer gesagt; heute wird es oft noch verklausuliert. Seine Argumentation war ungefähr die folgende:
Die Vernichtung war eine Folge des NS. Die Deutschen sind am NS kollektiv schuldig. Wenn man die vernichteten Städte wiederaufbauen würde, würde man ihre Vernichtung leugnen; damit den NS leugnen, dessen Folge sie waren; damit die kollektive Schuld leugnen, die "die Deutschen" auf sich geladen haben und damit unmoralisch handeln. Infolgedessen müssen "die Deutschen" bis in alle Zukunft die Vernichtung ihrer Städte als Strafe für ihre Schuld akzeptieren und somit ergeht ein moralisches Verdikt über die rekosntruktion.
In dieser sogenannten "Argumentation" stecken zwar in jedem Schritt mindestens zwei oder drei logische Fehlschlüsse, aber den meisten Deutschen von damals scheint das irgendwie eingeleuchtet zu haben. Und das war, glaube ich, die entscheidende psyschologische Blockade für die Rekonstruktion. Daß sich langsam eine so große Bewegung für die Rekonstruktion formiert, hat wohl seinen Grund darin, daß bei uns den Nachgeborenen, die wir keine Schuld tragen und derartige Erbschuld-Theoreme auch zunehmend als irrwitzig erkennen, jene psyschologische Blockade eben immer mehr zusammenbricht. Bei den meisten Forumsteilnehmern gibt es sie glücklicherweise schon gar nicht mehr.



Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 23:36 - 17.08.2004

@Jürgen: Ich wünsche euch dafür viel Glück und Stehvermögen! Gibt es denn irgendwas, was man von außerhalb Nürnbergs für die "Altstadtfreunde" tun kann?!
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 07:36 - 18.08.2004

Hallo @philon
Am besten ist es, den Einfluss, den die Altstadtfreunde durch ihre Mitgliederzahl NOCH haben, zu bewahren und Mitglied werden.
Keine Angst, die ALtstadtfreunde haben keinen Mindestbeitrag im Jahr oder sowas, jeder kann soviel zahlen, wie er für richtig hält.
(die meisten zahlen so 20/30 Euro im Jahr, glaub ich. Das muss man ja bei einem Essen mit Freundin/Frau auch schon hinlegen...)

An einer bestimmten Menschenmenge kann man als Stadtrat nicht einfach vorbeigehen, auch wenn man es manchmal gern möchte.

Das ist also, glaub ich das beste.

PS: Wäre natürlich Klasse, die Masse der Mitglieder ist wichtig, ansonsten macht die Stadtspitze, was sie will.
Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 10:01 - 18.08.2004

@Jürgen

Wunderbar, ich hab' mir gerade den Mitgliedsantrag ausgedruckt.
Ich hoffe, noch möglichst viele aus dem Forum hier werden Mitglieder!

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