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Autor Mitteilung
Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 21:02 - 16.08.2004

@schoesler
„Jein. Braunschweig war eine wichtige Industriestadt und wurde schon 1944 zerstört.“

Ja, im Oktober 1944, also ein halbes Jahr vor Kriegsende. Zudem wurden in Braunschweig wie in allen anderen Städten von der Royal Air Force nicht die Industriegebiete angegriffen, sondern die dicht besiedelte Innenstadt/Altstadt. Und das war keine Ausnahme, sondern die Grundregel des englischen Bombenkriegs. Es sind sogar vereinzelte Marschbefehle Harris' mit der Anweisung an die Bomberpiloten überliefert, keine Bomben an militärische oder industrielle Ziele zu "verschwenden", sondern alles auf die Wohnquartiere zu konzentrieren.


"Grosse Teile der Mainzer Altstadt wurden schon 1942 zerstört."

Der Angriff von 1942 hat nur mittlere Zerstörungen angerichtet. 80% der Altsadt wurden bei einem Feuersturm-Angriff am Fastnachtsdienstag 1945 kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner vernichtet. Ungefähr 3800 Zivilisten wurden durch dieses Kriegsverbrechen ermordet. Butcher Harris wurde für diese und 650.000 weitere Morde an Zivilisten in London ein Denkmal errichtet.

"Persönlich finde ich viele 50er Bauten OK - auf jedem Fall diejenige, die sich zumindest teilweise aufs alte Stadtbild orientieren."

Ich nicht: die Bauten der 50'iger Jahre mögen ganz o.k. sein, wenn sie sich an den alten Grund- und Umrissen orientieren, sie können aber die vernichteten Bauten nicht ersetzen, die der jeweiligen Stadt die ganze Geschichtstiefe des alten Europa gaben. Wenn man eine Stadt wie Würzburg heute mit dem Würzburg von vor 1945 vergleicht, ist das sofort ersichtlich. Man stelle sich vor, Venedig wäre im Krieg zerstört worden und man hätte lediglich die wichtigsten Einzelbauten (sagen wir Kirchen und einige der Palazzi) rekonstruiert, dazwischen aber 50‘iger-Jahre-Bauten „in Orientierung auf....“ errichtet: das wäre eben nicht mehr Venedig, sondern nur eine Stadt gleichen Namens am selben Ort mit einigen verstreuten Erinnerungen an das eigentliche Venedig. Und sowenig sind das heutige Würzburg oder das heutige Hildesheim noch eigentlich Würzburg oder Hildesheim. Sie werden es erst wieder sein, wenn wir diese Städte wirklich rekonstruiert haben, und nicht bloß „in Orientierung auf...“ gebaut haben.

„Für mich wäre es absurd gewesen, die Altstadt in Frankfurt wiederaufzubauen - es würde vielleicht schön aussehen - die alte Stadt wäre es trotzdem nicht. Ich finde es viel besser sich von der Alten Stadt sich inspirieren zu lassen statt reine kopien zu machen (wie in Münster).“
Ja und nein, die Frage ist hier doch: was macht eigentlich die „Authentizität“ eines Bauwerks aus, die du ja offenbar gegen das Rekonstruieren ins Feld führst. Liegt sie im Material? Nun ja, das ist nach zahllosen Umbauten und Renovierungen oft schon 1944/45 nicht mehr das „Original“-Material gewesen. Zudem unterscheidet einen Baum, der im 15. Jahrhundert gefällt wurde, nichts von einem, der im 21. Jahrhundert gefällt wird. Und die Atome und Moleküle, aus denen alles aufgebaut ist, sind sowieso immer dieselben. Liegt sie also im Entwurf, der Idee des Baus? – Das offenbar schon eher; aber dann ist die detailgenaue Rekonstruktion keine Kopie, sondern nur die erneute „Materialisierung“ der Idee. Und das sinnliche Erleben ist auch nicht weniger „authentisch“, ob es sich nun um das ursprüngliche Knochenhaueramtshaus in Hildesheim handelt oder um die Rekonstruktion aus den 80‘iger Jahre.
Ich gebe dir aber recht, daß dennoch immer ein Rest von „Nicht-Authentizität“ bleiben wird – aber was sollen wir denn tun, angesichts einer fast vollständigen Vernichtung unserer gebauten Geschichte? Die Rekonstruktion ist der verzweifelte Versuch, der Zerstörung wenigstens in Formen und Antlitz etwas wieder abzutrotzen, dessen Verlust nicht erträglich und nicht lebbar ist.
Nehmen wir doch einmal an, ein Verrückter hätte den „David“ von Michelangelo pulverisiert. Würden wir dann allen Ernstes sagen, er dürfe nun nicht einmal mehr in Form einer Kopie oder einer Photographie wieder sinnlich erlebbar gemacht werden. Sicher wäre die Kopie nicht der originale „David“, aber sie würde uns und unseren Nachkommen doch immerhin eine Möglichkeit geben, irgendwie mit diesem unersetzlichen Verlust zurecht zu kommen und das, was der „David“ einmal war, auch in Zukunft mit unseren Sinnen zu erfahren. Ich war vor ca. 8 Jahren in Assisi und habe dort in der Kathedrale noch die berühmten Fresken Giottos gesehen, die kurz darauf von einem Erdbeben völlig vernichtet wurden. Ich gehöre vielleicht zu den letzten Menschen, die noch die Originale gesehen haben.Die Fresken sind, soweit ich weiß, inzwischen rekonstruiert. Hätte man sie deiner Meinung nach nicht rekonstruieren sollen, sondern neue Fresken „in Orientierung an“ den alten Fresken schaffen sollen?


„Schliesslich gab es früher auch keine Komplettrekos.“

Erstens gab es die sehr wohl und zweitens gab es auch zuvor nie in der Geschichte eine so radikale Negation der Geschichte wie im Bombenkrieg, noch nie die fast vollständige Auslöschung der kompletten Stadtlandschaft eines ganzen europäischen Landes.
Schoesler
Mitglied

Beiträge: 102


 

Gesendet: 13:40 - 17.08.2004

Lieber Philon,
es ist bestimmt eine sehr schwierige Diskussion, denn die alten (Gross) Städte waren sehr schön und leider wurde in der Nachkriegszeit selten schöne Stadtlandschaften gebaut.

vollständige Auslöschung der kompletten Stadtlandschaft eines ganzen europäischen Landes.


hmmm. Soweit ich weiss, besitz D. neben Italien und Frankreich die meisten Historische Stadtkerne in Europa. Etwa 20% der Gebäude in Westd. wurden zerstört - es dürfe etwas weniger im Osten sein. Es gibt noch vieles zu sehen!

Dass die Grossstädte arg getroffen wurden steht aber ausser Frage.

die Bauten der 50'iger Jahre mögen ganz o.k. sein, wenn sie sich an den alten Grund- und Umrissen orientieren, sie können aber die vernichteten Bauten nicht ersetzen, die der jeweiligen Stadt die ganze Geschichtstiefe des alten Europa gaben. Wenn man eine Stadt wie Würzburg heute mit dem Würzburg von vor 1945 vergleicht, ist das sofort ersichtlich

Also ich finde Würzburg sehr schön. Zwar erkennt man sofort, dass viele Gebäude nicht sehr alt sind, aber die meisten fügen sich gut ein. Und wie wird man die Stadt in 100 Jahren empfinden? Dann werden die Gebäude schon 150 Jahre alt sein und 5 Generationen werden sich mit diesen schlichten Bauten identifizieren.
Ich betweifle aber sehr, dass man die Bauten aus dem 70er irgendwann schön finden wird.

Nehmen wir doch einmal an, ein Verrückter hätte den „David“ von Michelangelo pulverisiert. Würden wir dann allen Ernstes sagen, er dürfe nun nicht einmal mehr in Form einer Kopie oder einer Photographie wieder sinnlich erlebbar gemacht werden. Sicher wäre die Kopie nicht der originale „David“, aber sie würde uns und unseren Nachkommen doch immerhin eine Möglichkeit geben, irgendwie mit diesem unersetzlichen Verlust zurecht zu kommen und das, was der „David“ einmal war, auch in Zukunft mit unseren Sinnen zu erfahren. Ich war vor ca. 8 Jahren in Assisi und habe dort in der Kathedrale noch die berühmten Fresken Giottos gesehen, die kurz darauf von einem Erdbeben völlig vernichtet wurden. Ich gehöre vielleicht zu den letzten Menschen, die noch die Originale gesehen haben.Die Fresken sind, soweit ich weiß, inzwischen rekonstruiert. Hätte man sie deiner Meinung nach nicht rekonstruieren sollen, sondern neue Fresken „in Orientierung an“ den alten Fresken schaffen sollen?

In Assisi hat man 80% wieder zusammengeklebt - die fehlende 20% nicht rekonstruiert. Aber: es soll manchmal möglich sein, einzelene Bauwerke zu rekonstruieren - wie das Berliner Schloss - da sind wir uns einig.

Dein David-Beispiel ist ganz lustig - ich habe ein anderes Beispiel: im 30 Jährigen Krieg wurden unzählige deutsche Städte zerstört. Hätte man diese Städte im gotischen Stil wiederaufbauen sollen?

Wie findest du übrigens mein Beispiel aus Hildesheim?
Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 17:25 - 17.08.2004

Lieber Schoesler,

ich glaube ein Grundmißverständnis zwischen dir und mir, vielleicht aber auch zwischen mir und noch so manchen anderen Forumsmitgliedern ist, daß das, was mir an den alten Städten wichtig ist nicht ihre "Schönheit" ist. "Schönheit" ist eine ästhetische Kategorie, die als solche eigentlich überzeitlich und ahistorisch ist. Darum geht es mir schlicht nicht, und ich denke, daß viele diesen Begriff auch nur benutzen, obwohl sie eigentlich etwas anderes meinen: eine mittelalterliche Burgruine ist z.B. in der Regel nicht schön, sondern oft sogar ziemlcih häßlich. Dennoch bedeutet und sagt sie uns etwas. Das liegt aber eben nicht an ihrer ästhetischen Qualität, sondern daran, daß in ihr die Vergangenheit in der Gegenwart präsent wird, daß sie also eine Brücke in unsere Vergangenheit darstellt, die wir auch der Gegenwart für uns noch sinnlich erfahrbar ist.
Genauso verhält es sich mit den Städten. Daß sie vielfach nicht nur diese spezifische geschichtliche, sondern auch eine hohe ästhetische Qualität aufweisen ist der Tatsache zu verdanken, daß sie das Resultat eines lebendigen, vielfältigen, sich wandelnden, dabei aber immer in einer großen Kontinuität stehenden lebendigen geschichtlichen Prozesses sind. Primär ist aber für mich, daß sie sinnlich erlebbare, steingewordene Geschichte sind oder eben bis zu ihrer Zerstörung 1945 waren.
Ich finde beispielsweise Genuas riesige mittelalterliche Altstadt eigentlich ziemlich häßlich; ich liebe diese Stadt aber wegen ihrer geschichtlichen Aura. Ich gehe durch die Gassen Genuas und weiß, daß bereits die Kreuzfahrer des Mittelalters diese Gassen genauso gesehen haben, wie ich sie noch heute sehe, daß Kolumbus in diesen Gassen als Kind gespielt hat, daß die Pest von diesen Gassen aus ihren furchtbaren Zug durch das spätmittelalterliche Europa angetreten hat usw. Diese Aura des Gewesenen, die Geschichtstiefe der alteuropäischen Stadt, und daß sie mir eine Alternative zu unserer Zeit unmittelbar erlebbar (und nicht nur theoretisch begreifbar): das ist es, worum es mir geht, und eben nicht in erster Linie die "ästhetische" Qualität.
Ich bestreite gar nicht, daß die Bewohner von Würzburg oder Frankfurt diese Städte in 100 Jahren vielleicht schön und/oder romantisch finden werden, das kann aber nichts daran ändern, daß ihnen ohne Rekonstruktion immer das fehlen wird, was sie ihrem Wesen nach ausmacht: ihre ganze steingewordene alteuropäische Geschichte, dieser Dreiklang von Mittelalter, Renaissance und Barock.
Frankfurt wird in 100 Jahren ungefähr 1200 Jahre alt sein. Wenn seine Altstadt nicht rekonstruiert wird, werden von diesen 1200 Jahren gerade mal 150 Jahre im Stadtbild präsent sein. Damit ist diese Stadt auch in 100 Jahren nicht das, was sie ausmacht. Denn was sie ihrem Wesen nach ausmacht ist eben, daß sie die Stadt ist, in deren hohen gotischen Fachwerkbauten z.B. Goethe aufgewachsen ist usw.

Und zu einem anderen Punkt: Ob es sich nun um 20% kriegszerstörte Bauten oder, wie ich in einer italienischen Studie neulich gelesen habe, 40% handelt, ist relativ unerheblich, da die Bausubstanz aus der Zeit vor 1800, um die es mir eigentlich geht, in weit größerer Prozentzahl (sicherlich über 70%) ausgelöscht wurde - aufgrund der Tatsache, daß für die Royal Air Force die Altstädte das primäre Ziel des Bombenkriegs waren, da sie wegen des vielen verbauten Holzes ideal waren, um Feuerstürme zu entfachen.
Nur eine kleine und unvollständige Liste: stark oder vollständig zerstört wurden unter anderem die Alstädte von: Hamburg, Bremen, Stuttgart, Ulm, Heilbronn, Hildesheim, Darmstadt, Würzburg, Hannover, Magdeburg, München, Freiburg, Crailsheim, Dessau, Paderborn, Bochum, Duisburg, Essen, Wuppertal, Mainz, Köln, Trier, Koblenz, Bonn, Dresden, Zerbst, Chemnitz, Frankfurt a.M., Frankfurt/O., Osnabrück, Münster, Bielfeld, Mannheim, Karlsruhe, Offenburg, Düsseldorf, Dortmund, Nürnberg, Braunschweig, Jena, Gießen, Pforzheim, Soest, Minden, Saarbrücken, Kiel,Aschaffenburg,Kassel, Aachen, Neuss, Hagen, Siegen,Leipzig, Worms, kaiserslautern, Zweibrücken, Halberstadt, Bayreuth, Emden....und viele hunderte kleinerer Städte und Dörfer, die ich nicht alle aufzählen kann. Einigen wie Freiburg sieht man es halt nicht mehr auf den ersten Blick an, weil sie zu großen Teilen rekonstruiert wurden (was du ja nicht willst).
Das i s t praktisch die gesamte Stadtlandschaft Deutschlands. daß Deutschland trotzdem noch viele erhaltene Stadtkerne hat, ist allein seinem Reichtum an historischen Bauten zu verdanken.

Fortsetzung folgt....
Roy Batty
Mitglied

Beiträge: 133


 

Gesendet: 19:04 - 17.08.2004

Was ich die ganze Zeit sage: Nicht die großen Silhouetten mit den bedeutenden Bauwerken wurden ausgelöscht und fehlen nun schmerzlich im kollektiven Gedächtnis - abgesehen von Ausnahmen sind die allermeisten kulturhistorisch bedeutenden Großbauten nach dem Krieg weitgehend authentisch wiederhergerichtet worden.

Und diese Großbauten waren ihrem Stilgepräge und ihrer Bedeutung her tatsächlich europäisch - die barocke Kirchenbaukunst beispielsweise erstreckt sich in ihrer Überfülle über nahezu ganz Europa und auch die -katholische-Kirchenorganisation selbst war weit mehr international als völkisch-national orientiert.
Deutschland brachte nur Einzelbeispiele wirklich eigenständiger Entwicklung aus dem barock heraus hervor. Das süddeutsche Rokkoko(Ottobeuren, Wies) kann man dazuzählen oder die Dresdner Frauenkirche als steinernes Solitär.



Aber das, was spezifisch deutsch an den Städten gewesen ist, nämlich die kleinen Gassen, die Patrizierhäuser und Innenhöfe, die Anlage der Straßen, die im Ergebnis unverwechselbare Verwendung ausgesuchter Materialien; das kleinteilige und doch herrschaftliche Ambiente dieser Städte wurde so schwer getroffen wie sonst keine andere Kultur in Europa. Man zielte mit Fortdauer des Krieges ganz bewußt auf die Altstädte, nicht so sehr die riesigen Mietskasernenviertel am Stadtrand(Hauptteil der Bevölkerung). Natürlich wußte man gut, WELCHEN Geist der Wiederaufbau tragen würde....:((
Selbst die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges sind damit nicht zu vergleichen - nimmt man den Wiederaufbau hinzu, der den Städten oftmals die letzten Spuren ihrer wirklichen Identität, der ihrer Einwohnerschaft, nahm. Das, was zumeist übrigblieb, waren die Zeugnisse der Herrschaft, nicht die des Volkes.
Booni
Mitglied

Beiträge: 190


 

Gesendet: 19:15 - 17.08.2004

Ich finde auch das Reko's durchaus ihren Sinn haben.

Nehmen wir den Prinzipalmarkt der nach dem Krieg bis auf 2-3 Häuser (Rathaus + angrenzendes Haus und evtl noch eins) modernistisch in Anlehnung an die alte Bauweise wiederaufgebaut wurde.
Die Häuser sehen zwar nett aus, passen aber nicht wirklich zu den Rekos.
Hätte man den gesamten Prinzipalmarkt rekonstruiert, wäre Münster wichtigster Teil der Altstadt wieder präsent.

Das Problem was ich sehe ist einerseits, das die Architekten und Baumeister noch nicht verstanden haben, dass die Nachkriegszeit in dem billige und schnelle Wohnung Vorrang vor ästhetischen Bauten und Stadtreperatur hatten, andererseits viele Investoren und Bauherren keine Ahnung haben von dem, was vor dem Krieg auf der Fläche stand und somit gar nicht auf die Idee der Reko kommen.

Es geht übrigens auch ohne Krieg - das Dorf in dem ich lebe (ca. 8000 Einwohner) hatte nach dem 2 WK nur ein zerstörtes Haus zu verzeichnen. In den 50er bis 80er Jahren wurden zahlreiche Gebäude zwecks Straßenbau etc abgerissen, unter anderem auch über 200 Jahre alte Fachwerkhäuser und ortsbildprägende Gebäude. 80% der Bauten in unserem Dorf ist anspruchslos bis häßlich, das alte romantische Ortsbild für immer verloren.
Und das schlimmste ist, das das Abreißen munter weiter geht, dieses Jahr musste ein etwa 100 Jahre altes schönes Wohnhaus am Ortseingang einem Fernsehgeschäftsneubau weichen, der nichteinmal ein richtiges Dach hat.
Schoesler
Mitglied

Beiträge: 102


 

Gesendet: 19:23 - 17.08.2004

Ich bestreite ja nicht, dass vieles unersetzliches verlorengegangen ist, und das D. besonders hart getroffen wurde (ich glaube aber, das Polen und vor allem Russland (Krieg UND Revolution) auch viel verloren haben). Und Roy hat Recht - es sind nicht nur die Einzelene Bauten, die eine Stadt ausmachen. Aber wir sind uns nicht ganz einig darüber, wie man eine Stadt dann wieder erlebenswert macht. Für mich - das habe schon anderswo geschrieben - kann man es durch komplettrekos wie in Danzig nicht machen, denn selbst dort fehlen die kleinen Gassen und Hinterhöfe (ausserdem gibt es kaum Geschäfte). Von allen wiederaufgebaute Städte finde ich Freiburg am besten, denn dort wurde Rücksicht aufs alte Stadtbild genommen ohne alles zu kopieren (viele wertfolle Gebäude wurden aber auch rekonstruiert). Das bleibt für mich die beste Lösung, und Ihr sieht wohl auch, dass ich nicht ein Befürworter der Glaskuben bin sodern ein Verfechter der tradionnellen Architektur.

Also: behutsamer neubau + rekos der wichtigsten Bauten statt Totalrekos.

C
Oliver
Senior-Mitglied

Beiträge: 491


 

Gesendet: 19:50 - 17.08.2004

Ich weiß nicht wie man Danzig und die
anderen polnischen Städte wieder-
aufgebaut hat, aber ich glaube es waren
keine Totalrekonstruktionen. Sehr
wahrscheinlich hat man viel billigere
Materialien für den Aufbau benutzt.

Eine sehr gute "Rekonstruktion" ist
meiner Meinung das Knochenhaueramtshaus
in Hildesheim. Dort hat man originale
Fassadenmaterialien benutzt - das sieht
man direkt. Innen ist auch viel
Holz benutzt worden, passend zur
Fassade - aber es wurde innen nicht
rekonstruiert. Jetzt ist dort ein
Restaurant drin eingerichtet.

Auch die vielen Malereien sind wieder
da. Auf der Fassadenseite, die nicht
am Marktplatz liegt, hat man die
Fassade "neumodisch" bemalt. D.h.
aber immer noch angelehnt am Mittelalter.
Man benutzte Fratzen und Monsterköpfe
aus unserer Zeit. Mir gefällt's...
Schoesler
Mitglied

Beiträge: 102


 

Gesendet: 21:24 - 17.08.2004

@ Philon

da die Bausubstanz aus der Zeit vor 1800, um die es mir eigentlich geht, in weit größerer Prozentzahl (sicherlich über 70%) ausgelöscht wurde - aufgrund der Tatsache, daß für die Royal Air Force die Altstädte das primäre Ziel des Bombenkriegs waren, da sie wegen des vielen verbauten Holzes ideal waren, um Feuerstürme zu entfachen

Meinst du ernsthaft, dass über 70% der gesamten Bausubstanz aus der Zeit vor 1800 zerstört wurde? Das stimmt einfach nicht!

Ein Paar Beispiele:

Niedersachsen:
Hier wurden die Altstädte von Hannover, Hildesheim, Braunschweig, Osnabrück und Emden zerstört. Nicht zerstört (von den Grossstädten) wurden Göttingen und Oldenburg. ABER: dann gibt es auch Helmstedt, Stade, Wolfenbüttel, Lüneburg und viele andere Kleinstädte, die gar nicht zerstört wurden. Und einige Strassen haben in Hildesheim, Osnabrück und Braunschweig auch überlebt. Wie du da auf 70% kommst verstehe ich nicht.

Hessen: Darmstadt, Giessen, Kassel, Hanau, Offenbach und Frankfurt wurden zerstört - überlebt hat Wiesbaden, aber auch Fulda, Marburg, Limburg und sehr, sehr viele kleinere Städte, die ziemlich grosse Altstädte besitzen.

@Oliver
findest du auch teile der wiederaufgebauten Hildesheimer altstadt in Ordnung? Für mich ist das Domviertel und die Strassen um St. Michaelis ganz OK.

Claus
Rösch
Senior-Mitglied

Beiträge: 343


 

Gesendet: 21:40 - 17.08.2004

interessante diskussion, die hier im moment läuft...

ich möchte die gedanken von Philon aufgreifen. für dich macht der mythos und die geschichte die aura einer alten stadt aus. verlangt dieser geist, den du in den alten gassen wahrnimmst (du hast das ja treffender beschrieben) dann nicht auch eine authentizität von den steingewordenen zeugen?

inwieweit wird dies noch mit rekonstruktionen erreicht?

(rein theoretische frage, bin gespannt auf antwort )
Philon
Stammgast

Beiträge: 90


 

Gesendet: 21:50 - 17.08.2004

@schoesler:
Na, meine Hand würd' ich für die 70% nicht ins Feuer legen, jedenfalls aber deutlich über 20%. Ich halte das allerdings auch für eine müßige Debatte. Jedenfalls sind praktisch alle größeren Städte ausradiert worden, mit höchstens einem halben Dutzend Ausnahmen: Erfurt, Regensburg, Halle, Göttingen, Wiesbaden, Fürth, Schwerin...viel mehr fallen mir schon nicht ein. Einige größere Städte gibt es noch, die nur mittelschwer betroffen waren wie z.B. Lübeck oder Augsburg. Und dann: eben nur noch Kleinstädte, die zwar oft wunderbar erhalten sind; aber sicherhlich wird man darunter kaum welche finden, die mehr als zwei-bis dreihundert Bauten aus der Zeit vor 1800 aufweisen. Frankfurt hatte dagegen z.B. um die 2000 solcher Bauten, Nürnberg fast 3000, Braunschweig ca. 900 usw. So bin ich auf meine Schätzung gekommen. Vielleicht liege ich aber auch völlig falsch.
Übrigens: auf das Modell Freiburg können wir uns einigen. Ich würde auch im Fall großflächiger Rekonstruktionen manche wichtige und/oder anspruchsvolle Bauten und Ensembles der Nachkriegszeit durchaus erhalten wollen. Sie sind durchaus auch ein Teil der Geschichte einer Stadt. da käme dann am Ende sicher etwas ähnliches wie das heutige Freiburg heraus.
Und noch was: puisque j'ai l'impression que tu connais assez bien le Nord de la France et peut-être aussi la Belgique, je voudrais faire remarquer à toi que Ypres est un example pour une telle reconstruction intégrale. La ville était complètement éxterminée après la Grande Guerre.

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