Architectura Pro Homine - Forum für Klassische und Traditionelle Baukunst - www.aph-forum.de.vu

    

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Autor Mitteilung
Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


 

Gesendet: 18:07 - 10.02.2004

Philipp, könntest du den Entwurf mal einscannen und hier präsentieren? Würde mich sehr interessieren.
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 19:54 - 10.02.2004

Oh Gott! Was für'n Mist! Besonders der dritte Entwurf: Das Unigebäude sieht ja aus, wie der Balast der Republk oder der Kulturbalast und dass da Mal 'ne Kirche stand, ist nicht mal im Ansatz zu erkennen! Der zweite bezieht die Kirche wenigstens halbwegs sichtbar mit ein, aber dafür sieht der Rest wieder aus, wie Atommüll!

Wie sieht denn eigentlich der Entwurf des anderen Architekten aus (kann mich nicht an den Namen erinnern), der sofort aussortiert wurde?
Kai_2
Senior-Mitglied

Beiträge: 288


 

Gesendet: 21:06 - 10.02.2004

"(...) wollen ein Abbild der Kirche auf die Fassade ätzen"
was soll das sein? eine "kritische rekonstruktion"? gott - schick' hirn vom himmel!
keiner dieser entwürfe ist auch nur um einen deut besser als die ddr-platten-architektur
eine schande!
Sonja
registriert

Beiträge: 21


 

Gesendet: 22:55 - 10.02.2004

Es scheint doch alles an einem Vertrag der Uni mit dem Grossinvestor MIB zu haengen. Fuer die Veroeffentlichung dieses Zusammenhangs wurde sogar Dr. Dietrich Koch, einer der damaligen Widerstandskaempfer mit der legendaeren Plakataktion "Wir fordern Wiederaufbau", der dafuer in Stasihaft geraten ist, heute erneut von der ehemaligen Unispitze, Prof. Bigl angezeigt. Dr. Koch ist ein mutiger Mann, er hat diese und andere Informationen alle ins Netz gestellt unter www.opfergerechtigkeit.de.vu.

Es zeichnet sich ab, dass mittlerweile auch andere bemerken, dass alles an dem nicht-oeffentlichen Vertrag mit MIB liegt. (MIB hat uebrigens mehrere Insolvenzverfahren anhaengig und hat deshalb nicht einmal die Genehmigung nach Paragraph 34c Gewerbeordnung beantragt.)

So steht heute in der LVZ:

Star-Architekt Kulka für Veröffentlichung aller vier Entwürfe


Die Neugestaltung des Uni-Campus am Augustusplatz schlägt weiter hohe Wellen. Nachdem der Paulinerverein OBM Wolfgang Tiefensee (SPD) Einflussnahme auf die Jury vorwarf, meldet sich nun Star-Architekt Peter Kulka zu Wort. "Es ist über den Wettbewerb mittlerweile schon so viel öffentlich geworden, dass nun auch noch die vier im Rennen verbliebenen Entwürfe gezeigt werden müssen", fordert er gegenüber der LVZ. Kulka - einer der vier Architekten, deren Entwürfe die Jury in die engere Wahl zieht - ist "entsetzt über all die Indiskretionen". Die Debatte befinde sich damit auf einer Ebene, "auf der es unter die Gürtellinie geht. Was das Schlimmste dabei ist: Die Jury wird bei ihrem Entscheid nicht mehr frei sein." Kulka hat den Eindruck, die jeweils andere Seite soll nur noch brüskiert werden. "Es kann doch nicht sein, dass ein für mich indiskutabler Entwurf wie der des Kollegen Kollhoff, der ein drittes Hochhaus setzt, neben dem die kleine Paulinerkirche nicht mehr leben und nicht mehr sterben kann, auf einmal öffentlich diskutiert wird. Die im Wettbewerb verbliebenen Vorschläge kennt man hingegen nicht. Da bleibt nur noch eins: alle vier noch im Rennen befindlichen Entwürfe ohne Kommentar veröffentlichen." Für das, was derzeit in Leipzig passiere, fällt dem durch die Welt gereisten Kulka letztlich nur noch ein: "Peinliche Provinzposse."


"Gute Miene zu bösem Spiel" macht auch Jury-Sprecher Peter Zlonicky, Architektur-Professor und Stadtplaner aus München. Man werde auf jeden Fall mit dem vorgebenen Verfahren fortfahren. Mit einem Abbruch würde man doch nur jenen einen Gefallen tun, "die mit ihrem Brechen der Vertraulichkeit den Crash bezweckten". Zlonicky hofft nach intensiven Gesprächen mit den noch beteiligten Architekten auf qualifiziertere Ergebnisse als die, die in der ersten Wettbewerbsphase vorgestellt wurden.


Markus Lesch, Sprecher des sächsischen Staatsministeriums für Finanzen, zu einem schon mal angedachten juristischen Vorgehen gegen die "Ausplauderer": "Wer ist denn der Täter? Und wo liegt der Straftatbestand?" Von der aktuellen Entwicklung sei man aber in Dresden "in der Tat überrascht". Lesch: "Im Augenblick sitzen die Büros an ihren Entwürfen und weisen die Baubarkeit der Ideen nach. Als Abgabetermin ist der 2. März vorgesehen, die Jury wird prüfen und am 24. März an die Öffentlichkeit treten. Vorher ist von uns nichts zu erfahren. Wir jedenfalls halten uns an die vereinbarte Vertraulichkeit."


Zur Transparenz des Verfahrens meldete sich gestern erneut der Paulinerverein mit einer Erklärung zu Wort. "Bisher hat kein Kritiker unseres Vorgehens erklären können, warum es ein ,demokratischer Entscheidungsprozess' sein soll, einen der wichtigsten Wettbewerbe zur Leipziger Stadtgestaltung hinter verschlossenen Türen ablaufen zu lassen, und warum die Herstellung von Öffentlichkeit ,undemokratisch' sein soll", erklärte Vereinssprecherin Jutta Schrödl. Auch der Verein plädiert dafür, alle vier Entwürfe, die in die letzte Runde gelangten, öffentlich zu machen und fordert, die Leipziger an der Debatte zu beteiligen. Es sei falsch zu behaupten, geheime Architekturwettbewerbe wären üblich und sinnvoll. Ein Blick auf internationale Beispiele zeige, dass gerade das Gegenteil der Fall ist. "An der emotional hochgradig aufgeladenen Debatte um die Neugestaltung des World-Trade-Center-Geländes in New York etwa nahm die gesamte Stadt Anteil, mehr als ein Dutzend eingereichter Entwürfe wurde detailliert öffentlich vorgestellt und diskutiert." Leipzig sei doch bereits durch Berichte über heimliche Olympiageld- und Stadionprovisionen, ausgekungelte Auftragsvergaben und dubiose Parteispenden in die Schlagzeilen geraten. Also fordert Paulinerverein die "öffentliche Debatte über alle eingereichten Wettbewerbsbeiträge, die Offenlegung des geheimen Investorenwettbewerbs zur Neugestaltung der Universität und die Offenlegung aller Verträge zwischen dem Investor MIB und der Universität Leipzig."


"Was muss denn offen gelegt werden?", fragt sich derweil Uni-Kanzler Peter Gutjahr-Löser. "Mit der MIB Immobilien und Beteiligungen AG gibt es einen Kooperationsvertrag über eine zukünftige Erbbauregelung für die Ladenzone in der Grimmaischen Straße mit der möglichen Übertragung des heutigen Straßenraumes, auf dem einst das Café Felsche stand." Dieser Vertrag - "über finanzielle Modalitäten ziemt es sich nicht zu reden" - werde aktiviert, wenn es soweit ist.


Gutjahr-Löser nahm auch zur neuerlichen Pauliner-Attacke durch Jutta SchrödlStellung:"Die Dame scheint's generell nicht zu ernst zu nehmen mit Absprachen. Als sie zu mir kam und die Installation Paulinerkirche aufbauen wollte, versprach sie, auch das Geld zu haben, das temporäre Kunstwerk nach 100 Tagen wieder abzubauen." Der Giebel aus Stahl steht sichtbar bis heute.


Thomas Mayer

Wissen.de
Novize

Beiträge: 47


 

Gesendet: 23:00 - 10.02.2004

Ich frage mich, warum für diese Entwürfe Millionen ausgegeben werden müssen. Wieso saniert man nicht einfach das Alte. Sieht genau so aus und man spart zumindest noch Geld. Besser man wartet noch ein paar Jahre als jetzt diesen M... zu bauen und den mehrere Jahrzehnte am Hals zu haben. Die Moderne stirbt langsam und wenn man sich diese Entwürfe ansieht, dann weiß man auch warum. Man schickt jetzt das letzte Aufgebot in die Schlacht. Und selbst wenn wir diese verlieren sollten, die Zeit ist mit uns.
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 23:17 - 10.02.2004

Also an der Art der Diskussion in Leipzig kann man mal wieder sehen, wo wir hier alle im Forum wirklich stehen: Ganz am Anfang - die Position ziemlich konträr zu den Architekturprof-Rentnern und Pseudo-Intellektuellen aus Wirtschaft und Stadtpolitik...

Also liebe Freunde: Wir mögen zwar immer mehr werden und hier im Forum sind wir unter Gleichgesinnten, aber: Wie steht´s mit einem nächsten Forum-Treffen zur Bündelung unserer Ideen?

Wir sollten da langsam - ohne übertriebenen Aktionismus - mal in die Offensive gehen...

Zwei Treffen der APH-Mitglieder gab´s ja schon, die waren klasse!

Grüße
Dr.Mises
registriert

Beiträge: 9


 

Gesendet: 00:01 - 11.02.2004

Wie es dazu kam (Frage "Entstuckung")

Nach dem Krieg gab es unter Oberbürgermeister Erich Zeigner bereits Pläne, die kriegszerstörten Gebäude am Augustusplatz wieder zu komplettierten (liegen mir vor, die Universitätsleitung heute interessierte sich ja nicht dafür). In den 50er Jahren setzten sich dann die Kräfte an die Macht, für die die Geschichte erst 1945 begann. Also weg mit dem altem Zeug, dem bürgerlichen Tand etc. pp. Mit dem Jahre 1968 kam für viele die große Stunde, neue Zeichen zu setzen. Eine Reihe davon sind heute noch nicht in Rente, was sich folglich heute niederschlägt...

Das Leipziger Stadtzentrum braucht keine Hochhäuser

Hier Anfang der 60er:
[Link zum eingefügten Bild]


vgl. http://www.paulinerkirche.org/silhou.html

Nichts ist so gut dokumentiert wie die ehemalige Sonntagstischdecke von Leipzig: Der Augustusplatz.

Hochhäuser: Der Leerstand der 16-Geschosser im Musikviertel liegt je Block bei über acht, wahrscheinlich noch weit darüber, obgleich niedriger Mieten. Das Hochhaus Wintergartenstraße ist ebenfalls kaum erquicklich.

Der "hohle Zahn", gehübscht als "Uni-Riese" deklariert, ist eine schlichte Fehlplanung. Die "Ulbrichtschen Pläne"propagierten mit dem Hochhaus eine "Klumpfußarchitektur".

Im Prinzip merken Sie das schon selbst, wenn Sie an diese "windigen" Ecke kommen. Der ehemalige in Büchern gepriesene Eingangsbereich ist nie richtig benutzt worden. Wenn Sie dort vorbeigehen - inklusive am schwarzen mdr-Gebäude (vom Volksmund gemäß eines Beerdigungsinstitutes "Lunkenbein" genannt) vom Henselmann-Schüler Prof. Kulka - haben Sie eine Verweilqualität von Null. Zählen Sie einmal die einladenden Türen, die fast alle verschlossen sind, und betrachten Sie die "einladende" Erdgeschoßzone.

Der Funtionsablauf im Gebäude hatte sich ja schon zu DDR-Zeiten als abschreckend erwiesen, sowohl weil Sie über 15 Minuten auf den Fahrstuhl warten oder x Stockwerke laufen mußten, weil die Grundrisse durch die Gebäudeform völlig verkorkst sind, weil die Belüftung Probleme bereitet, weil die Fachbereiche nur beschränkt Bücher aufnehmen konnten, weil man aufgrund der Raumgrößen gar keine sinnvollen Treffen abhalten konnte...

Viele Mitarbeiter hielten nur ihre Präsenzzeiten ein und dann - nix wie raus! Und selbst die Tagungsräume in der unteren Etage gaben ein ungutes Gefühl in diesem Betonkoloß. Eine Identifikation mit den Räumen war da nicht zu spüren.

An dieser Situation hat sich nichts geändert. Die neuen automatischen Türöffnungsanlagen funktionieren kaum, wie der Besucher will. Die Anonymität ist geblieben, das Ausgeliefertsein an den Fahrstuhl, auf dessen Gnade man wartet...

Der häßliche Klotz, der in letzter Zeit im wesentlichen durch desolate Fenster die vorübergehenden Bürger in Gefahr und in die Schlagzeilen der Presse brachte, wird im wesentlichen als Erlebnisgastronomie wegen der Aussicht genutzt. Mehr nicht. Daß das Bewerbungskomitee Leipzig 2012 GmbH in die Etagen einziehen mußte, wo vormals die Sektion Marxismus-Leninismus residierte, ist kein gutes Omen. Ansonsten sind bekanntlich nur die unteren Etagen vom mdr gemietet. Alles andere ist von außen gesehen "gääääääääähhhnender" Leerstand und damit wohl kein Aushängeschild für Leipzig. Nur weil man dieses auch von weitem sehen kann, ist es kein "Wahrzeichen". Wenn dieser Klotz einmal gestutzt wird (vgl. vor Jahren Hertie in München), können wieder das Neue Rathaus, die Leipziger Kirchtürme und das Völkerschlachtdenkmal die Leipziger Silhouette bestimmen. Freilich kann auch Neues dazukommen, aber es muß sich letzteren anpassen!

Nun noch Kraftakte für Marschrichtungen mit den Zielvorstellungen von Walter Ulbricht und Paul Fröhlich vorzugeben - das ist wohl ziemlich falsch im Winde. Ebenso Kollhoffs Ambitionen, dem "Investor" möglichst viel Vermarktungsfläche zujubeln zu wollen. Allein die Verschattung assoziiert ein Grausen architektonischer Gefühllosigkeit - von weiteren Punkten jetzt einmal abgesehen.

PS: Treffen - bin dabei :o)
Philipp
Mitglied

Beiträge: 168


 

Gesendet: 11:02 - 11.02.2004

@Dirk

Ich habe gar keinen Scanner. Der BILD-Arikel war von http://www.paulinerkirche.degeklaut!

Sorry!
Sonja
registriert

Beiträge: 21


 

Gesendet: 01:31 - 12.02.2004

Hier noch etwas interessantes aus der FAZ:

Panik ist ein schlechter Bauherr: Der Streit um die Paulinerkirche und das Elend des Städtebaus

DIETER BARTETZKO

Lange war in Leipzig Baulärm Musik in den Ohren, denn sein Dröhnen untermalte eine Auferstehung. Die Innenstadt gewann ihre Konturen zurück, ihre Barockhäuser und -höfe, die Messepaläste und Passagen der Jahrhundertwende, den grandiosen Augustusplatz und das entzücken- de Eck am historischen "Coffee-Baum". Auch Neues wie das transparente "Zeitgeschichtliche Forum" am Rathaus, der perfekt proportionierte kolossale Bau der Dresdner Bank am Dittrich-Ring oder das gläsern dynamische "Runde Eck" der KPMG-Verwaltung imponierten. Leicht nahm man dafür einige ästhetische Fehlschläge wie die Steinhülle des zuvor schwebeleichten Universitäts-Turms oder Blindgänger wie die neue, in billig giftigem Pistaziengrün gepanzerte Peters-Passage in Kauf. Seit einigen Monaten aber weckt das Dröhnen der Baumaschinen wieder den Schrecken jener Jahre, als die DDR im Namen des Fortschritts in Leipzig mit Abrißbirnen und Plattenbauten wütete.
Wie ein Rekonvaleszent, der plötzlich von Heilgymnastik zu Hochleistungssport übergeht, kehrt Leipzigs Innenstadt das Unterste zuoberst. Sogar am Markt ist die Welt aus den Fugen: Gerade ist mit dem Rohbau von Christoph Mäcklers "Marktgalerie" die klaffende Lücke geschlossen, die 2002 der Abriß des "Messeamts" von 1965 schlug, da wird an der Südseite des Platzes der 1950 erbaute "Messehof" geräumt. Die stupide Spätmoderne des Messeamts wird - zumal Mäcklers Ersatzbau souverän Leipziger Barock und Leipziger Expressionismus verarbeitet - niemand vermissen. Mit dem Messehof aber wird eine bestechend gute und schöne Architektur der frühen Jahre fallen, einer Zeit, die noch frei war von stalinistischer Stildoktrin und nichts mehr vom Dogmatismus des Bauhauses wissen wollte. Nicht genug damit, wird vor dem aufgegebenen Messehof die Erde für Versorgungsleitungen aufgewühlt, die den "City-Tunnel" vorbereiten, eine S-Bahn-Trasse, die die expressionistische "Untergrundmessehalle" von 1925 in Mitleidenschaft ziehen wird. Momentan wirft Leipzig mit einer Hand um, was die andere erst hat. Keine Ruhe am Markt, dafür aber Grabesstille zwei Straßen weiter, wo immer noch Bombenbrachen und Leerstellen der DDR klaffen. Über diesen zentralen Ein- öden wuchtet, auf seine beschwichtigende Glashülle wartend, der Kubus des künftigenen Bildermuseums. Die rahmenden Bauten, die ihn mit dem Stadtgefüge verbinden sollen - und die er braucht wie Salomons Tempel seine Vorhöfe -, fehlen infolge. Investorenmangels. Nur ein kommunales Eckhaus, Verzweiflungsakt der Stadt, ist vollendet und erhöht die Trostlosigkeit. Um so grotesker wirkt da, daß in der Burgstraße, zwei Minuten vom Markt, die Preßluftbohrer donnern. Dort, wo 1996 eine Rekonstruktion des historischen "Thüringer Hofs" das zerfetzte Stadtgefüge wieder schloß, weicht nun ein Großbau der zwanziger Jahre, die Rückseite des 1929 entstandenen "Petershofs", dessen denkmalgeschützte Vorderfront erhalten bleiben soll. Wer schließlich die Ringstraßen überquert, die Leipzigs Zentrum einfassen, der trifft in dichtbebauten Gründerzeitvierteln immer öfter auf obszön frische Abrißbrachen, geschaffen mit den Geldern des Bundesprogramms "Stadtumbau Ost" und verursacht von Politikern, die vor Leerständen, rapidem Verfall und dem momentanen Schrumpfen der Städte kapituliert haben - eine perforierte Stadt, mögen die Verantwortlichen auch noch so oft von einer durchgrünten schwärmen.
"Leipzig kommt" lautete vor Jahren die Losung. Nun kommt Leipzig unentwegt - und damit nicht zur Ruhe. Was umgekehrt partielle Lähmung nicht aus- schließt. Dafür ist das Dauerdebakel des Leipziger Universitätscampus ein krasses Beispiel. Ein zweites Mal führt man einen Wettbewerb zum - dringend notwendigen - Um- und Neubau des innerstädtischen Areals durch. Der erste war, trotz Sieger, an den Querelen um die 1968 gesprengte Universitäts-(Pauliner-)Kirche gescheitert. Nun droht der zweite zum Desaster zu werden, denn wie beim ersten kämpft der private "Paulinerverein", der in die Entscheidungsfindung eingebunden ist, mit allen Mitteln für eine Nachbildung des Bauwerks im Maßstab 1:1. Dies, obwohl die Bauherren - Stadt, Land und Universität -, aber auch die Mehrzahl der Bürger einen Neubau anstreben, der aber eindringlich an die willkürliche Vernichtung des Denkmals erinnern soll.
Vorige Woche trat der Paulinerverein mit dem Vorwurf an die Öffentlichkeit, Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee habe die Jury während der zweiten Stufe des Wettbewerbs am 13. Januar unter Druck gesetzt. Als Beweis wurde angeführt, daß der Oberbürgermeister sich vor der Abstimmung zur engeren Auswahl 'Ah einmal; auch namens der Universitätsleitung und des Landes, gegen einen Nachbau wandte. Sachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, Matthias Rößler, plädierte daraufhin, dem Vorwurf der Präjudizierung vorbeugend, erfolgreich da- für, einen zuvor schon ausgeschiedenen Entwurf Hans Kollhoffs, der die Kopie der Kirche vorsieht, zur Abstimmung zu- zulassen. Weil Kollhoff nicht die erforderlichen mindestens sieben von dreizehn Stimmen erhielt, scheiterte er ebenso wie sein gleichfalls auf eine Kopie setzender Kollege Helge Bofinger. Damit will sich der Paulinerverein nicht abfinden. Kollhoff favorisierend, verunglimpfte seine Vertreterin Jutta Schrödl drei der vier zur endgültigen Entscheidung im März bestimmten Entwürfe: Peter Kulka bescheinigte sie Beton-Manie, H. E. Merz triste Spätmoderne, den Entwurf von Behet und Bondzio (den Siegern des ersten Wettbewerbs) verhöhnte sie als "Gasherd" im Marmorkleid, was ihr Gelegenheit auch für einen Seitenhieb auf das Bildermuseum als "Turbinenhaus für ein Kraftwerk" gab.
Wolfgang Tiefernstes Einlassungen waren, gelinde gesagt, ungeschickt, der Bruch des bei Wettbewerben üblichen, auch in Leipzig vereinbarten Stillschweigens durch den Paulinerverein ist bedenklich und gerät durch die ressentimentgeladene Polemik wider die jetzigen Favoriten in ein noch schieferes Licht. Ungünstiger könnte die Ausgangssituation für die entscheidende Jurysitzung und die an- schließend geplante öffentliche Präsentation aller Modelle kaum sein. Das wahrhaft Alarmierende aber ist der blinde Fanatismus, mit dem die Kirchenkopie gefordert wird. Wie sonst könnte man die gravierenden Mängel an Kolchos Entwurf übersehen? Die nachgebaute Paulinerkirche nämlich steckt bei ihm zwischen einem kompakten Zeilenbau und einem massiven Hochhaus wie in einem Schraubstock. Gleichzeitig duckt sie sich förmlich vor der Wucht des verkleinerten Hochhauses, das Kohlkopf an die Ecke der Grammatischen Straße stellen möchte. Dabei zitiert er nicht nur, wie gewohnt, die Riesen des amerikanischen Art Deo der dreißiger Jahre, sondern in- zwischen auch sich selbst. Denn der Bau gleicht aufs Haar Kolchos Hochhaus am Potsdamer Platz in Berlin und ist dem "Romantic-Tower" am südlichen Frankfurter Mainufer eng verwandt. In Leipzig würde Kollhoffs Turm nicht nur Hermann Henselmanns zum Wahrzeichen gewordenen Uni-Turm bedrängen, sondern auch das "Krochhaus", Leipzigs erstes, 1926 in origineller Anlehnung an den Renaissance-Uhrturm am Markusplatz in Venedig errichtetes Hochhaus, zum possierlichen Winzling degradieren. Eine Denkmalkopie, dazu das Selbstzitat dritter Hand eines prominenten Architekten - das hat der Augustusplatz, einer der größten und einst auch schönsten Plätze Europas, nicht verdient. Daß eine solche Lösung überhaupt in den Bereich des Möglichen rückt, ist ein weiteres Indiz für die heillose Verwirrung in der sich nicht nur Leipzigs Städtebau, sondern der Deutschlands derzeit befindet. Man kann sie als Selbstverstümmelung charakterisieren, in der Nachbau, Neubau und Abriß einander so widerstreiten wie die Zuckungen eines Menschen in äußerster Panik.
H. C. Stössinger
Senior-Mitglied

Beiträge: 422


 

Gesendet: 01:45 - 12.02.2004

An wem liegt es denn, wenn man Kollhoffs Dissonanz zwischen "Denkmalkopie" und seinem Hochhaus mit "Fanatismus" fordert? Sind es nicht die in die engere Wahl gekommenen Entwürfe, die eine Reko der Kirche ablehnen - etwas ablehnen, was mehrheitlich zu einer Herzenssache geworden ist: Die Wiedergutmachung des Ulbrichtchen Verbrechens - die daran schuld sind? Es ist doch die Ignoranz der alten Seilschaften, die dieses Stück deutschen Städtebaus zu einer Posse machen!

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