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 Forum Index —› Deutschland —› Das Band des Bundes
 


Autor Mitteilung
Antiquitus
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Beiträge: 943


Gesendet: 18:00 - 11.12.2003

War nur so'ne Idee
Das Berliner "Band des Bundes" ist vollendet - zumindest vorläufig. Es wird auf absehbare Zeit ein Torso bleiben
von Rainer Haubrich

Es war der größte Architektur-Wettbewerb aller Zeiten: 835 Entwürfe aus 44 Ländern gingen ein für die Neubebauung des Spreebogens. Nach dem Krieg war er leer geräumt worden, danach hatte man ihn Jahrzehnte lang frei gehalten für den fernen Tag, an dem das wieder vereinte Land ein neues Regierungsviertel bauen würde.


Die Auswahl war riesig. Vom kleinteiligen Stadtviertel über Hochhaus-Szenarien bis zu grotesken Gebäude-Kollagen war alles dabei. Ein Architekt schlug vor, lediglich eine Tafel aufzustellen mit der Inschrift: "An diesem Ort Berlins planten die Verantwortlichen Deutschlands die Errichtung ihres neuen Regierungssitzes." Er hatte die Entschlossenheit der Politiker unterschätzt.


Der Jury hatte das "Band des Bundes" von Axel Schultes und Charlotte Frank angetan, eine gewaltige städtebauliche Figur mit dem offenbar unwiderstehlichen Reiz, symbolisch den West- und Ostteil der Stadt zu verbinden. Der Entwurf galt als zukunftsweisend und politisch korrekt. Denn er enthielt nicht nur die Wiedervereinigungs-Symbolik, sondern durchkreuzte noch im Nachhinein die Planungen Albert Speers für eine Nord-Süd-Achse an gleicher Stelle. Dabei ist Schultes' "Band des Bundes" selbst monumental, bis zum Bahnhof Friedrichstraße sollte es reichen, im Entwurf waren das zwei Kilometer - halb so lang wie Speers Achse.


Auch den Wettbewerb für das Kanzleramt in seinem Band gewann Axel Schultes. Es wurde als erstes fertig. Dann folgte das Paul-Löbe-Haus direkt am Reichstag. Mit der heutigen Schlüsselübergabe für das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ist nun der vorerst letzte Baustein dieses Bandes offiziell vollendet.


Dass sich das vereinte Deutschland im Spreebogen zu einer großen Geste durchrang, muss einem nicht unsympathisch sein. Schließlich zeigt sich in anderen Metropolen, wie reizvoll raumgreifende Achsen sein können, etwa die vom Kapitol gekrönte "Mall" in Washington oder das lang gezogene Marsfeld zu Füßen des Eiffelturms in Paris.


Doch diese "Bänder" entstehen durch grüne Räume, die zu beiden Seiten von prachtvollen Gebäuden gerahmt werden. Das "Band des Bundes" dagegen kehrt die Elemente um: Hier bilden die Gebäude den Kern des Bandes, an das sich zu beiden Seiten große Grünflächen anschließen. Städtisches Leben ist im Spreebogen nicht vorgesehen. Neben dem Kanzler regiert hier vor allem die Leere. So ähneln die Berliner Kolosse eher den monumentalen modernen Regierungsbauten, die in der Nachkriegszeit in Brasilia, Dacca oder Chandigarh auf die grüne Wiese gesetzt wurden.


Die stärksten Momente hat das "Band des Bundes" im Leitungsgebäude des Kanzleramtes, wo Axel Schultes wunderbare Raumfolgen gelangen, und am Spreeübergang direkt am Reichstag, wo sich Stephan Braunfels' Löbe- und Lüders-Haus mit ihrem reichen Formenspiel gegenüberstehen.


Die kilometerlangen Außenfassaden des Bandes dagegen bieten - zumal tagsüber - kaum architektonische Reize. Wie abrasiert wirken sie, kein Vordach oder Gesims schließt die glatten Betonmauern ab und schützt sie vor den Schlieren, die die Berliner Winter auf ihnen malen werden.


Es kann dauern, bis diese Härte durch das Blattwerk der Bäume an der Nord- und Südallee gemildert wird. Die Hälfte des Jahres sind sie allerdings kahl. Dann wird das Heer von hässlichen Straßenlampen noch aufdringlicher, das dort Spalier steht. Diese vierspurigen Straßen, die das "Band des Bundes" begleiten, werden kaum befahren, denn sie enden alle als Sackgasse. Das vermeintlich Verbindende des Bandes ist im Alltag nur an einer Stelle erlebbar, der Fußgängerbrücke über die Spree zwischen Löbe- und Lüders-Haus.


Axel Schultes hatte sich zwischen Kanzleramt und Löbe-Haus ein "Bundesforum" als Treffpunkt der Bürger erträumt, Helmut Kohl wollte dort die Dauerausstellung "Fragen an die deutsche Geschichte" zeigen, die früher im Reichstag war und heute im Deutschen Dom am Gendarmenmarkt zu sehen ist. Heute klafft am "Bundesforum" eine Lücke, ob es jemals realisiert wird, steht in den Sternen. Doch selbst wenn: Es würde zwar die städtebauliche Figur vollenden, zugleich aber den festungsartigen Charakter des Gebäudeensembles noch verstärken - und eine der schönsten Ansichten, die Hauptfassade des Kanzleramtes, wäre noch mehr verdeckt als heute.


Fast zur Farce gerät zudem die Verkehrsführung quer durch das Band hindurch. Schultes hatte zwei schmale Straßen direkt vor Kanzleramt und Löbe-Haus vorgesehen. Doch die vor Schröders Amtssitz wurde nach dessen Einzug aus Sicherheitsgründen sogleich gestrichen, außerdem die Verbindung zur Moltkebrücke stillgelegt. Die Hauptverkehrsader stattdessen über die schmale Vorfahrt des Löbe-Hauses zu verlegen, wäre grotesk gewesen. So muss sie "provisorisch" in mehreren Windungen mitten durch das "Bundesforum" und in weitem Bogen um die Schweizer Botschaft herum geführt werden. Diese war das erste Opfer der Idee vom "Band des Bundes". Denn Schultes' vorbeidonnernde Gebäude lassen das noble Palais mit seinem spröden Anbau wie einen Aussätzigen links liegen.


Zwei städtebauliche Chancen wurden durch das "Band des Bundes" vertan. Der einst runde Platz der Republik hätte wieder eine Fassung erhalten können. Da der Reichstag der Innenstadt den "Rücken" zukehrt, braucht seine Hauptfront ein Gegenüber. Die Siegessäule, die einst die Mitte des Platzes markierte, versetzte Hitler an den Großen Stern, die Kroll-Oper, früher das Pendant zum Reichstag, wurde nach dem Krieg abgetragen, und der von Schultes einst für diesen Standort vorgesehene Bundesrat zog in das ehemalige Preußische Herrenhaus an der Leipziger Straße. So zerfließt der "Platz der Republik" heute konturenlos in das Grün des Tiergartens.


Und dann gibt es noch diesen wunderbaren Schwung im Verlauf der Spree. Das von Achsen dominierte Stadtbild Berlins hat nicht viele Orte von solcher Anmut. Dass dieser weite Bogen nicht inszeniert wurde, ist die vielleicht größte verpasste Chance bei der städtebaulichen Neuordnung der Hauptstadt.


Artikel erschienen am 10. Dez 2003 i.d. WELT
Antiquitus
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Beiträge: 943


 

Gesendet: 18:01 - 11.12.2003

"Doch diese "Bänder" entstehen durch grüne Räume, die zu beiden Seiten von prachtvollen Gebäuden gerahmt werden."

das hatte ich so noch nicht bedacht und finde ich sehr schlau, mithin zutreffend. ich wusste von anfang an, dass mich irgendetwas in dieser richtung stört: das war es.
so entsteht niemals raum! denn raum entsteht nur durch mehrseitige begrenzung, niemals durch eine eindimensionale linie (lernt man nicht schon in der mathematik, dass es immer zweier vektoren bedarf, um eine ebene aufzuspannen "-> 2d-raum").

"Die kilometerlangen Außenfassaden"

finde ich auch furchtbar. stellenweise erinnern sie an lagerhallen oder nachkriegsbahnhöfe.

"Es kann dauern, bis diese Härte durch das Blattwerk der Bäume an der Nord- und Südallee gemildert wird."

ja, das nenn' ich qualität! wenn man schon auf die bäume zur abdeckung hoffen muss...

"Bundesforum"

ich bin dagegen und habe unten mal eine skizze angefügt, wie ich mir eine gelungene platzschließung vorstelle. besser gesagt enstünde dadurch erst die reizvolle doppelplatzanlage.

"Denn Schultes' vorbeidonnernde Gebäude lassen das noble Palais mit seinem spröden Anbau wie einen Aussätzigen links liegen."

drum meine ich, die schweizer botschaft ist durch eine blockrandbebauung zu ergänzen. das hilft gebäude, straßenführung und platz.

"So zerfließt der "Platz der Republik" heute konturenlos in das Grün des Tiergartens."

richtig. so etwas kann man eigentlich gar nicht bauen: einen platz, der auf 2,5 seiten grün ist...
drum würde ich ggü. des reichstages ein großes regierunggebäude bauen, gerne auch ein bundesforum, allerdings wübsche ich mir den bau in einer traditionellen formensprache, dessen fassadengliederung mit dem reichstag korrespondiert.

Antiquitus
Moderator

Beiträge: 943


 

Gesendet: 18:02 - 11.12.2003

"Doch diese "Bänder" entstehen durch grüne Räume, die zu beiden Seiten von prachtvollen Gebäuden gerahmt werden."

das hatte ich so noch nicht bedacht und finde ich sehr schlau, mithin zutreffend. ich wusste von anfang an, dass mich irgendetwas in dieser richtung stört: das war es.
so entsteht niemals raum! denn raum entsteht nur durch mehrseitige begrenzung, niemals durch eine eindimensionale linie (lernt man nicht schon in der mathematik, dass es immer zweier vektoren bedarf, um eine ebene aufzuspannen "-> 2d-raum").

"Die kilometerlangen Außenfassaden"

finde ich auch furchtbar. stellenweise erinnern sie an lagerhallen oder nachkriegsbahnhöfe.

"Es kann dauern, bis diese Härte durch das Blattwerk der Bäume an der Nord- und Südallee gemildert wird."

ja, das nenn' ich qualität! wenn man schon auf die bäume zur abdeckung hoffen muss...

"Bundesforum"

ich bin dagegen und habe unten mal eine skizze angefügt, wie ich mir eine gelungene platzschließung vorstelle. besser gesagt enstünde dadurch erst die reizvolle doppelplatzanlage.

"Denn Schultes' vorbeidonnernde Gebäude lassen das noble Palais mit seinem spröden Anbau wie einen Aussätzigen links liegen."

drum meine ich, die schweizer botschaft ist durch eine blockrandbebauung zu ergänzen. das hilft gebäude, straßenführung und platz.

"So zerfließt der "Platz der Republik" heute konturenlos in das Grün des Tiergartens."

richtig. so etwas kann man eigentlich gar nicht bauen: einen platz, der auf 2,5 seiten grün ist...
drum würde ich ggü. des reichstages ein großes regierunggebäude bauen, gerne auch ein bundesforum, allerdings wübsche ich mir den bau in einer traditionellen formensprache, dessen fassadengliederung mit dem reichstag korrespondiert.

Antiquitus
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Beiträge: 943


 

Gesendet: 18:02 - 11.12.2003
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 19:12 - 11.12.2003

Im Grunde gefällt mir dein Konzept! Nur wäre ich nicht zu optimistisch mit der "korrespondierenden" Fassade....
Aber die schweizerische Botschaft steht da wirklich sehr verloren, zwischen dem riesen Kanzleramt und Paul-Löbe-Haus! Allerdings sollte man, wenn man eine kleine Blockrandbebaung anlegt gleich den Neubau daran abreißen! Das Ding sieht aus, wie ein Bunker! Das Ding am linken Bildrand:
[Link zum eingefügten Bild]
Wie wär es denn, wenn man die bulg und die tsch. Botschaft auf diese Flächen baut, sodass der Wilhelmpl. und die ein Straßenecke an der Leipziger wieder frei sind!
Kai_2
Senior-Mitglied

Beiträge: 288


 

Gesendet: 19:55 - 11.12.2003

mir gefiel das "band des bundes" noch nie rcihtig. es wirkt alles zu "groß", zu "mounmental" - es fehlt jegliches leben in dieser gegend. gäbes es keine touristen, wäre dieser ort fast tot, abgesehen von den abgeordneten und sicherheitsleuten.

schade finde ich auch, dass man die chance vertan hat, eine prächtiges ensemble zu schaffen, dass die schönen kurven der spree aufnehmen.

was soll denn dort rund um den (lerther?) bahnhof entstehen?
Kai

p.s: Antiquitius, deine idee gefällt mir sehr gut! und dort, wo einst die sigessäule stand, könnte man ja eine säule errichten, wie die auf dem paternoster square in london:
[Link zum eingefügten Bild]
mathias
Senior-Mitglied

Beiträge: 315


 

Gesendet: 20:46 - 11.12.2003

@Antiquitus

Dein Vorschlag für den "Platz der Republik" ist genau richtig! Damit könnten die Gebäude verbunden werden, die jetzt mehr oder weniger beziehungslos nebeneinander stehen. Ein Platzraum könnte entstehen, der Geschlossenheit vermittelt und auf dem sich die Leute gern aufhalten. Ich fürchte aber, dass genau diese Beziehungslosigkeit der jetzigen Randbauten von manchen Modernisten geradezu gewollt ist - der Platz steht so genau für die "Brüche" und "offenen Wunden", die von diesen Leuten so innig geliebt werden! Das darf so nicht bleiben.

H. C. Stössinger
Senior-Mitglied

Beiträge: 422


 

Gesendet: 15:07 - 12.12.2003

Wie hieß es noch mal, Alsenviertel? Die seit langen beste Idee für den Spreebogen. Könnte von mir sein. Etwas mehr Bebauung wird dem zugigen Areal bestimmt gut tun.

Ein Bauwerk dem Reichstagsgebäude gegenüber - gut, wunderbar! Nur welcher zeitgenössischen Erfindung wird es überhaupt gelingen, mit dem gewaltigen Säulenportikus des Hauses korrespondieren zu können?...

Über die Bundesbauten möchte ich hier mal nichts mehr sagen - es ist einfach genug. Zum Marie-Elisabeth-Lüders-Haus schrieb der Tagesspiegel kürzlich: Grandioser Stadtplatz.

Ich frag mich nur: Wo grandios? Ich hatte es am anderen Ufer gerade zehn Minuten ausgehalten - diese Beton-Message macht depressiv. Man sollte nicht so lange bleiben. Hoffentlich sind die Politiker schön in ihre Arbeit vertieft...!
Ben
Goldenes Premium-Mitglied

Beiträge: 1337


 

Gesendet: 22:29 - 12.12.2003

Ich frage mich eher "Was für ein Stadtplatz?!" Ich hab auch des Öfteren etwas von einem "Spreeplatz" gelesen, der beim EMLH mitentstanden sein soll. Wo soll den dersein?
Die Straßensituation zw. Kanzleramt und Löbe-Haus und drumherum ist echt ein Albtraum - sowohl für die Augen (Foto) als auch für den Autofahrer!
Aber, dass dieses Bundesforum nicht entstanden ist, ist voll OK! So kann man wenigstens auf den Lehrther Bahnhof sehen und steht nicht vor einer km-langen Betonwand! Obwohl - wer geht dort schon spazieren, dass es einem auffallen würde.....
Das Alsenviertel muss schon eine schöne Atmosphare erzeugt haben, so zur Hälfte von Wasser umgeben.....
Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


 

Gesendet: 01:01 - 13.12.2003

Habt ihr heute aspekte gesehen? Da wurde das "Band des Bundes" ja in fast satirischer Art und Weise ziemlich deftig kritisiert. War nicht zu erwarten aber ich fands gut daß hier auch die Negativseiten deutlich zur Sprache kamen, besonders die riesigen und abweisenden Betonflächen.
Kai_2
Senior-Mitglied

Beiträge: 288


 

Gesendet: 09:50 - 13.12.2003

@ dirk
nein, leider nicht! gibt es eine wiederholung? das würde ich gerne sehen...

achja: gibt es im internet die oben angesprochenen pläne zu sehen? (andere planungen für das regierungsviertel)
Kai

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