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 Forum Index —› Entferntes Fliegen —› Dunkle Wolken in Osttirol
 


Autor Mitteilung
Higgins
Stamm-User

Beiträge: 84


Gesendet: 16:25 - 03.05.2009

Ich war in der Woche direkt nach Ostern in Osttirol in der Nähe von Lienz und Greifenburg. Das erste was ich hörte war: „Letzte Woche war genial. Jeden Tag geflogen. Über 100km.“

Am ersten Tag war ich mit einer Gruppe Gleitschirmflieger an der Sesselliftstation in Obertilliach. Der Himmel war bedeckt. Es sah nicht vielversprechend aus. Jemand bemerkte, dass die Wolken am Talende sehr dunkel aussahen. Vermutlich würde es dort ausregenen. Das Ganze war bestimmt 30-50km weit weg. Ein Abgleiter war sicherlich noch drin. Wenigstens den Start- und Landeplatz kennenlernen.

Ich war hierher gefahren um Strecken zu fliegen. Ein popliger Abgleiter reizte mich überhaupt nicht. Während wir noch diskutierten, wurde es nochmals dunkler und der Wind pfiff durch die Bäume und uns um die Ohren. Ich hatte keinen Flieger in der Luft gesehen und hoffe, dass tatsächlich keiner dort oben war. Das war’s, zumindestens für diesen Tag. Am Abend wurde in Italien eine Riesenpizza verspeist.

Am nächsten Tag war Obertilliach wieder dran. Im Internet wurde ein leichter (6km/h) Nordwind angezeigt. Der Startplatz zeigte nach Süden. Die Thermik würde das bestimmt mehr als wettmachen. Also, sechs Euro für ein Sesselliftticket abgedrückt und nix wie rauf.

Oben angekommen, bemerkten wir, dass der leichte Nordwind dummerweise eine große Wolke direkt über das Startfeld platziert hatte. Keiner hatte Lust im Schnee mit Rückenwind zu starten. Wir zogen uns in den nächsten Café (es gab da oben eh nur einen) zurück, tranken Latte Macchiatos und aßen Topfenstrudel. Nach einer Stunde beschlossen wir, dass es bestimmt besser geworden war. Die Sonne hatten wir auch schon gesehen. Am Startplatz wechselten Licht und Schatten und mit etwas Verzögerung Wind von vorne und Rückenwind.

Ich startete während einer der hellen Phasen und fand auch so gleich die Thermik. Dummerweise hatte ich mein Vario auf lautlos gestellt. Anstatt mich auf den Thermikbart zu (kon-)zentrieren, versuchte ich mit meinen dicken Skihandschuhen die Lautstärke zu erhöhen. Am Ende piepste mein Vario aber ich hatte den Bart verloren und fand ihn nicht wieder, was möglicherweise an der Abschattung lag. Auf jeden Fall machte mein Vario nur noch „Bääh“. Danach gelang mir nichts mehr und ich landete kurze Zeit später unten im Tal. Aber daran bin ich ja gewohnt. Immerhin hatte ich mir einen Landeplatz neben der Straße kurz vor der Sesselliftstation gewählt. Ich bezahlte erneut sechs Euro. Eine halbe Stunde später war ich erneut oben.

Nachdem ich meine Ausrüstung kontrolliert hatte (piepste mein Vario), startete ich erneut. Diesmal lief es genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte. Rein in den Bart, zentrieren und rauf. Mein Vario piepste recht fröhlich vor sich hin. Ich verlor den Bart auch kein einziges Mal und klopfte mir innerlich auf die Schulter („Hast ja doch was gelernt“). Ich bemerkte auch recht selbstzufrieden, dass ich einen Hauch schneller stieg als einige andere Flieger. 700m weiter oben flog ich dann ab zum nächsten Grat. Und zack war ich wieder drin in einem Bart und hatte weitere 400m Höhe gut gemacht. Bei 3200m stand mir die Fliegerwelt offen. Ich beschloss über dem Kamm weiter bis zum Pustertal zu fliegen und erst kurz vor dem Kammende die Talquerung zum Tessenberg zu wagen.

Auf den ganzen Weg gab es nur Saufen, 2 bis 3m/s. Es war egal, ob ich mehr zum Tal hin flog oder mich direkt über den Kamm aufhielt. Mein Vario gab nur ein permanentes und ungemein nerviges „Bääh“ von sich. So schrumpfte mein schönes Höhenpolster rapide zusammen. Allerdings wurde auch der Kamm niedriger, so dass ich immer noch die Möglichkeit sah die Talquerung gleich zu machen. Aber ich zögerte. Irgendwo musste es doch hinaufgehen. Ganz bestimmt! Fast am Kammende angelangt, ging es dann tatsächlich wieder rauf und wie. Mein Vario piepste in den höchsten Tönen; 4 m/s, mindestens.

Irgendwann schaute ich hinauf und fand, dass die Wolke doch etwas dunkel aussah und hörte auf zu kreisen. Mein Vario ließ sich nicht beirren und piepste weiter. Ich holte die Öhrchen hinein und trat mein Speed voll durch. Das Piepsen wollte nicht aufhören. Jetzt war es höchste Zeit von der Wolke weg zufliegen. Ich schaute nach vorne. Am Ende des Pustertals sah ich weitere dunkle Wolken. Grau Striche zeigten zum Boden. Dort wollte ich nicht hin. Hinter mir sahen die Wolken noch dunkler aus. Über Funk hörte ich, dass es dort schneien würde. Tatsächlich flogen mir vereinzelte Schneeflocken ins Gesicht.

Jetzt fühlte ich mich richtig unwohl. Ich flog erst einmal zur Talmitte. Ich stieg immer noch. Ich wollte nur noch runter. Anstatt abzuspiralen entschied ich mich für den B-Stall. Ich wurde vom Wiederstand überrascht. Da im letzten Herbst mein Sicherheitstraining in Annecy ausgefallen war, hatte ich meinen neuen Schirm noch nicht richtig getestet. Die Angst gab mir Kraft und ich zog den B-Stall rein. Mein Vario machte ein beruhigendes „Bääääh“. 2000m weiter unten landete ich auf einem Feld neben der Straße und blieb erst einmal eine Weile stehen. Mir war schlecht.

Nach einigen Minuten packte ich dann langsam meinen Schirm zusammen. Am Abend ging es dann wieder ab zur Pizzeria nach Italien. Da an diesem Abend überall Polizeikontrollen waren, wurde ein Fahrer zur Enthaltsamkeit verpflichtet. Die Wahl fiel auf mich. Ein wahrlich ernüchternder Tag.

Am nächsten Tag war Sand im Taufers dran. Eine schöne Wiese als Startplatz maximal 10m vom Parkplatz entfernt. Dummerweise hatte der Bauer drum herum alles zugegüllt. „Heute geht es überall hinauf“ sagte jemand. „Das einzige was du nachher brauchst sind Abstiegshilfen zum Landen. Kannst Du abspiralen?“.

Ich startete hinaus ohne wie versprochen sogleich Höhe zu machen. 100m über mir flog jemand nach rechts und stieg dabei deutlich. Ich flog gleich hinterher und verlor sogar etwas an Höhe. Überall um mich herum stiegen die Schirme. Nur ich kratzte kurz unterhalb des Startplatzes herum. Zum kotzen!

Irgendwann probierte ich es auf der linken Seite vom Startplatz. Es ging etwas besser. Berauschend war das nicht. Die nächsten 100m Höhengewinn waren sehr mühsam. Plötzlich wurde es besser. Es war tatsächlich egal wo ich hinflog. Es ging überall nur noch rauf. Man konnte immer weiter blicken. Ich war kurz unterhalb des schneebedeckten Kamms als ich hinaus zum anderen Ende des Tals schaute. Ich konnte es nicht fassen. Schon wieder dunkle Wolken aus denen es hinaus regnete.

Diesmal reichten Öhrchen/Speed um hinunter zum Landeplatz zu kommen. Der Abstieg dauerte ewig. Ich nachhinein habe ich eine Gelegenheit das Abspiralen zu üben verpasst. Unten reichte mir eine freundliche Seele ein Landebier. Einige Flieger hatten sich ebenfalls zur Landung entschlossen. Andere blieben oben. Passiert ist nichts.

Die nächsten Tage waren bedeckt. Es gab nur Abgleiter. Immerhin, bis auf eine Oberarmzerrung, die ich meinen überschweren Packsack zu verdanken habe, ist mir nichts passiert.
adler 12
Premium-User

Beiträge: 358


 

Gesendet: 17:03 - 03.05.2009

Higgins dein Bericht ist wieder mal vom allerfeinsten.
Mann weis am Ende nicht ist man da jetzt selber mitgeflogen oder soll man dich bedauern.
Eins ist gewiss : Erfahrung hast Du auf jeden Fall wieder mal gesammelt.
Gruß Michael G.
parastep
Premium-User

Beiträge: 538


 

Gesendet: 17:20 - 03.05.2009

Schöner Bericht.
Ja, so ein bischen spiralen oder Wingovern kann einem dann doch recht lange Abstiegsphasen verkürzen :-) Man muss ja keine 18m Spirale fliegen, aber mit Öhrchen Speed vor ner schwarzen Wolke fliehen kann schon recht anstrengend sein. Hab das ja auch erleben müssen, nachdem ich meinen Schein frisch in der Tasche hatte. Hab dann schnell gelernt, wie Spirale und B-Stall funktionieren :)

Was fliegst Du denn, das der B-Stall so schwer geht ? Kann mich beim Mistral4 nicht beschweren. Man muss anfangs recht gut reingreifen, aber dann geht das recht easy, wenn der Druckpunkt überschritten ist. Sackflug hab ich bisher nur mal kurz erlebt, weil der Schirm pitschnass war. Man soll bei Nebel halt nicht fliegen in Bassano :-)

Ich flieg seit 2Jahren ohne Vario und komm ganz gut zurecht. Hättest beim Flug ohne den Varioton einfach mal drauf verzichten sollen, wär vielleicht auch gegangen. Und ob Du steigst oder nicht siehst Du gut, wenn Du eine Bergspitze, die hinter einem Kamm rausguckt, beobachtest.
Das gepiepse stört eh nur die Ruhe da oben :-) Ist aber natürlich interessant, wenn es nur wenig hoch geht, das man dann die kleinen Bärte findet.

Na dann noch viele schöne Flüge. Und versuch mal Deinem Hosenbodengfühl zu vertrauen. Technik kann ausfallen und dann ???
Wolfram
Power-User

Beiträge: 169


 

Gesendet: 19:47 - 03.05.2009

Hallo Martin,
hier trifft ja fast der Spruch zu:
"Warum denn in der Ferne fliegen, das gute fliegen ist so nah..." (oder so ähnlich)

Übrigens, das piepsen am Vario stört mich auch gelegentlich, aber bevor ich ganz darauf verzichte, schalte ich lieber den Ton ab und schaue nur gelegentlich auf die Anzeige.
Zabo
Power-User

Beiträge: 125


 

Gesendet: 20:04 - 03.05.2009

Higgi,

KLASSE !! Cäci und ic haben uns über Deinen Bericht wieder köstlich amüsiert.

Schön dass Du wieder gut angekommen bist und Grüsse
Cäci und Zabo
mirko
Moderator

Beiträge: 926


 

Gesendet: 08:06 - 04.05.2009

Super, endlich mal wieder ein schöner (Fern-)Reisebericht.
parastep
Premium-User

Beiträge: 538


 

Gesendet: 23:07 - 06.05.2009

Ja Mirko, Du schreibst ja nix :)
Higgins
Stamm-User

Beiträge: 84


 

Gesendet: 23:12 - 06.05.2009

Hallo Parastep,
ohne Vario geht es auch. Ob man im Bart drin ist oder rausfällt merkt man schon. Schwieriger wird es aber dann, wenn man mit weniger als 1m/s steigt bzw. fällt.
In diesem Fall hätte ich das Vario einfach in Ruhe lassen und mich auf das Fliegen konzentrieren sollen.

Ich habe den Mistral 5. Vielleicht ist da der B-Stall schwerer als beim Mistral 4? Auf jeden Fall etwas, dass ich nochmal ausprobieren muss.


Freut mich, dass Euch mein Bericht gefallen hat. Noch mehr hätte es mich gefreut, wenn ich in der Woche vor Ostern in Tirol gewesen wäre. 100km Streckenflüge! Die kenne ich sonst nur von SeeYou.
leediver
Power-User

Beiträge: 218


 

Gesendet: 13:47 - 07.05.2009

Schöner Bericht - sehr amüsant zu lesen.
quax
Stamm-User

Beiträge: 74


 

Gesendet: 23:38 - 07.05.2009

Lieber Higgins,
es hat mich etwas Überwindung gekostet, Deinen langen Bericht zu lesen. Diese Zeiten gehen mir immer vom Schlaf ab. Aber aus Erfahrung weiß ich ja, dass es ich lohnt. Es hat sich gelohnt! Ein toller, lebendiger und ehrlicher Bericht! Wenn Du mal ein Buch herausbringst, egal über was (vielleicht über das GS -Fliegen?)ich werde es lesen, versprochen! Gruß, Quax

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